Darum gehts
- Trotz Köppel-Kritik: Dettling und andere ohne Krawatte unterwegs
- Grüne und SP zeigen sich leger, FDP hält am Schlips fest
- Krawatte kann auch ein Statement sein
Er hat es wieder getan. Diese Tage huschte SVP-Parteipräsident Marcel Dettling (44) erneut durch das Parlamentsgebäude – ohne Krawatte. Darüber empört hatte sich letzte Woche Roger Köppel (59). «SVP verlottert. Parteipräsident ohne Krawatte an der Bundesratswahl», schrieb der ehemalige SVP-Nationalrat auf der Plattform X. Dazu postete er ein Bild von Dettling in einem Interview mit SRF.
Dettling ist jedoch kein Einzeltäter. Die Krawatte fehlt in vielen Parteien, wie ein Blick in den Nationalratssaal zeigt. Wir haben uns umgeschaut, wer im Parlament am Schlips festhält und wer ihn längst abgelöst hat.
Die Strikten und die Lockeren
Am meisten Krawatten zählt man dieser Tage bei der FDP. An einem Morgen während der Frühjahrssession entdeckt man unter vierzehn anwesenden Männern nur zwei ohne Krawatte. Am längsten nach einer Krawatte sucht man dagegen bei den Grünen. Felix Wettstein (67) ist der einzige unter sechs, der mit einer erschienen ist. «Wir sind weniger strukturkonservativ», sagt der ehemalige Parteipräsident der Grünen, Balthasar Glättli (53), in grauem Blazer und Blue Jeans.
Er selbst besitze nur zwei Krawatten, so Glättli weiter. Eine habe ihm Bundesrat Beat Jans (60) geschenkt, als die beiden damals als Nationalräte auf Auslandsreise waren und Glättli keine dabei hatte. Ganz schliesst er es nicht aus, wieder eine Krawatte zu tragen: «Wenn ihr mich in den Ständerat wählt, werde ich eine Krawatte tragen», sagt er. Das müsste er auch: Denn anders als im Nationalrat herrschen in der kleinen Kammer strenge Kleidervorschriften, inklusive Krawatte.
Neben den Grünen gehört auch die SP zu den legeren Parteien – zumindest in der Kleiderwahl. Nur zwei von vierzehn Männern tragen eine Krawatte. «Wenn man sich eher der Bevölkerung und nicht den Banken verpflichtet fühlt, dann fühlt man sich auch ohne Krawatte wohl», sagt SP-Nationalrat David Roth (39), unter dem Blazer ein weisses Hemd, den obersten Knopf offen.
Die Unentschlossenen
Während das Bild bei einigen Parteien deutlich ist, sind andere gespalten. Dazu gehört etwa die GLP, wo zwei von fünf Männern mit Schlips im Saal sitzen. Etwas höher ist der Anteil bei der Mitte: Unter 21 Männern entdeckt man 16 Krawatten, eine davon um den Hals von Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy (46). «Zu manchen passt es, zu anderen nicht, jeder muss das selbst entscheiden», so der Mitte-Politiker. Für ihn sei die Krawatte die Komplementierung seines Business-Looks.
Und wo steht Dettlings SVP? Auch sie scheint zwiespältig. Unter 53 Männern finden sich 31 Krawatten. Zur knappen Mehrheit gehört Mauro Tuena (53). Stolz präsentiert der SVP-Nationalrat sein rotes Exemplar. «Seit ich 1998 in den Zürcher Gemeinderat gewählt wurde, habe ich immer eine Krawatte getragen, auch bei 30 Grad Celsius.» Er repräsentiere hier etwas und für ihn gehöre angemessene Kleidung dazu, so Tuena.
Ein Statement setzen
Wer sich mit Krawatten im Parlament befasst, kommt um sie nicht herum: SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser (35). An diesem Tag zwar mit Jupe und Bluse, gehört sie ebenfalls oft zu den Krawattenträgerinnen. Damit will sie ein Statement setzen, wie sie sagt. Bei Männern gebe es eine klare Uniform für Professionalität. «Für uns Frauen dagegen gibt es so etwas nicht und unser Aussehen ist nie neutral.» Mit ihrer Krawatte wolle sie diese Machtverhältnisse spiegeln.
Insgesamt kommen wir an diesem Tag auf 64 Krawatten. Sie gewinnt demnach die Mehrheit der 116 anwesenden Männer im Nationalrat.