Sechs bittere Erkenntnisse zu Afghanistan
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Über den Rückzug der USA:Sechs bittere Erkenntnisse zu Afghanistan

BlickPunkt über den Rückzug der USA
Sechs bittere Erkenntnisse zu Afghanistan

Der chaotische Abzug der USA und die Machtergreifung durch die Taliban schwächen die westliche Welt. Das hat Folgen für uns alle.
Publiziert: 21.08.2021 um 00:22 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Die Welt blickt entsetzt nach Afghanistan: Innert Tagen nach dem Rückzug der US-Truppen haben die Taliban die Macht ergriffen. Frauen müssen schlimmste Unterdrückung befürchten. Die Evakuierung westlicher Bürger erfolgt chaotisch. Wie sich die Lage entwickelt, weiss niemand – doch sechs Dinge stehen bereits fest:

1. Wenn die USA militärisch eingreifen, endet es im Desaster

Wenn ein Terrorregime den USA gerade nützt, dann arbeiten sie mit ihm zusammen, und die Menschenrechte spielen keine Rolle. Wenn ein Regime ihnen lästig wird, eliminieren sie es mit Bezug auf ebendiese Menschenrechte. Bloss: Seit dem Zweiten Weltkrieg enden praktisch alle militärischen Eingriffe früher oder später im Desaster – siehe Irak, Libyen, Somalia, natürlich Vietnam, und jetzt also Afghanistan.

2. Freiheit und Demokratie lassen sich nicht aufzwingen

Ein Unrechtsregime ist schnell gestürzt, aber deswegen entsteht noch lange keine Demokratie. Vielmehr übernehmen neue Schurken, und den Menschen geht es oft schlechter als zuvor. Beispiel Muammar Gaddafi: Er war ein Diktator, doch seit seiner Liquidierung ist Libyen ein gescheiterter Staat, und die Menschen sind im Elend.

3. Die USA haben sich grösstmöglich blamiert – das wird Folgen haben

Der Rückzug der USA aus Afghanistan ist nachvollziehbar: Nach 20 Jahren Krieg, Zehntausenden Toten, Billionen Dollar und ohne Aussicht auf Erfolg befürworten 70 Prozent der US-Bevölkerung diesen Schritt. Doch die Weltmacht ging davon aus, dass sie Monate Zeit hätte, um in aller Ruhe abzuziehen – tatsächlich eroberten die Taliban das Land innert Tagen. Dass sich die beste Armee und der beste Geheimdienst der Welt derart irrten, wird niemand vergessen.

4. Das Vertrauen in den Westen ist dauerhaft beschädigt

Alle Afghaninnen und Afghanen, die die USA und andere westliche Länder während Jahren unterstützt haben als Informanten, Übersetzerinnen, Angestellte, fürchten blutige Rache durch die Taliban. Einen Rettungsplan für sie gibt es nicht. Wie die USA Verbündete fallen lassen, sobald sie nicht mehr gebraucht werden, ist beschämend – und wird sich rächen, wenn sie in einem neuen Konflikt neue Verbündete suchen.

5. Freiheit und Demokratie stehen unter Druck wie lange nicht

Lachende Dritte sind autoritäre Staaten wie Russland und China, die den neuen Herrschern die Hand reichen und sich die Ausbeutung der reichhaltigen Rohstoff-Vorkommen sichern. Das wiederum gibt denjenigen Kräften bei uns Auftrieb, die lästern, autoritäre Staaten seien halt wirtschaftlich viel agiler als unsere trägen Demokratien.

6. Wir müssen Flüchtlingen helfen, aber mit Verstand

Grüne und SP haben sofort gefordert, die Schweiz müsse 10'000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen, auch einzelne Städte preschen vor. Das tönt humanitär, ist aber vor allem populistisch, denn derzeit kann niemand ausreisen. Wenn eines Tages Flüchtlinge Schutz suchen, so wird dies international koordiniert vom Uno-Hilfswerk und nach einem bestimmten Schlüssel erfolgen – da wird sich selbstverständlich auch die Schweiz beteiligen, ohne dass es jetzt Fantasiezahlen braucht.

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