Seit Sonntag befindet sich Afghanistan wieder im harten Griff der Taliban. Die radikalen Islamisten eroberten die Hauptstadt Kabul nach einem Blitz-Vormarsch innert weniger Stunden – praktisch ohne Gegenwehr der Armee. Seither herrscht Chaos. Experten fürchten, dass sich die derzeit friedlichen Hardliner noch rächen könnten.
Nach dem Sturz der alten Regierung ist noch nicht klar, wer künftig die Führung des Landes übernimmt. Bei der letzten Machtübernahme der Gotteskrieger im Jahr 1996 übernahm Mullah Mohammed Omar (†) die Position des Staatsoberhaupts. Omar gründete Berichten zufolge die Taliban im Jahr 1994 im Süden Afghanistans. Schnell schlossen sich zahlreiche Menschen seiner Gruppe an, zwei Jahre später übernahm er die Macht im Land.
Seit 2016 neuer Führer
Bis zu seinem Sturz 2001 war er das Staatsoberhaupt. Danach setzte er sich ins Ausland ab, hielt sich wohl viele Jahre lang in Pakistan auf. Dort verstarb er 2013 in einem Spital, mutmasslich an Tuberkulose. Sein Tod wurde allerdings erst 2015 öffentlich.
Seit 2016 führt Haibatullah Achundsasa die Taliban an. Er gilt als «oberster Anführer der Gläubigen» und dürfte auch neuer Staatspräsident werden. Bis 2016 war Achundsasa oberster Richter der Taliban. Er hat bei allen Entscheidungen rund um Politik, Religion und Militär das letzte Wort. Zum Werdegang von Achundsasa ist genau wie bei den restlichen Führungsmitgliedern der Taliban nur wenig bekannt.
Mehr über die Taliban
Unterstützt wird Achundsasa von vier weiteren Führungspersonen. Mullah Abdul Ghani Baradar ist Co-Gründer der Taliban und führt das Politbüro der Organisation in der katarischen Hauptstadt Doha. Baradar ist einer der Stellvertreter von Achundsasa und an allen wichtigen Verhandlungen mit den USA beteiligt.
Auch Sohn des Taliban-Gründers dabei
Siradschuddin Hakkani leitet das «Hakkani-Netzwerk», eine besonders militante Gruppierung innerhalb der Taliban. Sie wird für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich gemacht. Hakkani steht auf der Liste der meistgesuchten Personen der USA, auf ihn ist ein Millionen-Kopfgeld ausgesetzt.
Mullah Muhammad Yaqoob ist der Sohn des Taliban-Gründers Omar. Yaqoob ist oberster Befehlshaber des Militärs und kommandiert sämtliche Kämpfer der Taliban. Gemäss Berichten ist er der führende Kopf hinter dem aktuellen Feldzug. Bereits 2016 hätte er die Führung der Taliban übernehmen können, entschied sich dann aber aufgrund seines jungen Alters dagegen.
Führungsrat als mächtiges Gremium
Mehrheitlich im Hintergrund operiert Mullah Abdul Hakim. Er ist der oberste Richter und Chefunterhändler der Taliban und für die Gesetzgebung sowie deren Durchsetzung zuständig. Erstmals öffentlich auf den Plan trat er in den vergangenen Jahren während Friedensverhandlungen. Insider bezeichnen ihn als «engen Vertrauten» von Anführer Achundsasa.
Unterstützt wird die Führung von rund zwei Dutzend Personen, die sich im Führungsrat konstituieren. Dieser Rat trifft zusammen die wichtigsten Entscheidungen. Die Köpfe des Führungsrates sind weitgehend unbekannt, allerdings äusserst mächtig. Daneben gibt es weitere Ministerien, etwa für das Militär oder die Religion. (zis)