Kolumne «Meine Generation» über die App BeReal
Jetzt aber wirklich

Makelloses Gesicht dank Fotofilter, entzückender Hintergrund dank Fake-Landschaft – das ist der Standard auf Instagram & Co. Die App BeReal setzt nun auf das Echte – echt gut?
Publiziert: 10.09.2022 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2022 um 20:31 Uhr
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Noa DibbaseyKolumnistin

«Zeit für BeReal! Du hast zwei Minuten Zeit, um dein BeReal zu posten und zu sehen, was deine Freunde machen!» Diese Handy-Benachrichtigung erhalte ich – und mittlerweile ganz viele junge Menschen – täglich. Denn seit neustem hat jede Person, die etwas auf sich hält, die App BeReal.

Die Idee dahinter: eine Gegenbewegung zur Influencer-Filter- und Bearbeitungskultur von Instagram und Co. zu schaffen. Jeden Tag, immer zu einer anderen Uhrzeit, wird man aufgefordert, ein BeReal zu posten. Das bedeutet: zwei Fotos. Eines mit der Innenkamera (ein Bild vom eigenen Gesicht) und eines mit der Frontkamera (ein Bild vom aktuellen Umfeld).

So soll eben dieses «Realsein» sichergestellt werden. In nur zwei Minuten bleibt keine Zeit, sich zu schminken oder vom Pyjama ins vorzeigetaugliche Outfit zu wechseln. Egal, ob man am Apérölen ist, eine Bergspitze besteigt, vor dem Computer oder auf der WC-Schüssel sitzt – man teilt den Moment mit seinen engsten Freunden. Postet man aber nach diesen zwei Minuten, ist man nicht mehr real, sondern late.

Authentisch statt perfekt

Vielleicht sehen Sie das Dilemma bereits: So richtig kann auch BeReal die Fesseln der mentalen Sklaverei durch Social Media nicht abwerfen. Was auf Instagram Perfektionszwang ist, muss man neu durch einen möglichst authentischen Auftritt wettmachen.

Und noch immer handelt es sich um eine Art von Selbstdarstellung. Ein Sich-Mitteilen, ein Geben eines Lebenszeichen, ein «Hey, ich bin auch noch hier!». Diese immerwährende Sicht- und Erreichbarkeit ist ein essenzieller Teil meiner Generation. Ich weiss fast immer, wo sich meine Freundinnen grad herumtreiben – das ist nicht per se schlecht.

Reale Wirklichkeit gibts nur halbbatzig

Aber das Bedürfnis, wirklich gesehen zu werden, wird ja über Social Media und Apps wie BeReal nur halbbatzig erfüllt. Weil man in ständigem Kontakt zu anderen Menschen steht, vergisst man das relativ schnell. Die Wahrheit ist: 90 Prozent meiner Freunde auf BeReal haben keine Ahnung, wie ich in Realität bin. Das zu realisieren, schmerzt manchmal.

Trotzdem will ich mal nicht so sein: BeReal ist – im Vergleich zu anderen Apps – echt in Ordnung. Zum Beispiel kann man nicht endlos scrollen, sodass sich die verplemperte Zeit in Grenzen hält. Und man wird nicht ständig mit Werbung zugespamt.

Falls Sie sich überlegen, mal wieder eine neue App auszuprobieren: Laden Sie sich BeReal herunter. Macht ziemlich Spass – solange Sie auch im echten Leben real bleiben.

Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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