Domenico Di Gregorio (59) aus Bern ist Gelatiere aus Leidenschaft. 2015 hängte er seinen Kaufmannsberuf an den Nagel und gab sich dem Glacemachen hin. Er eröffnete die Gelateria La Golosa (Italienisch: die Gefrässige) an der Gerechtigkeitsgasse, kurz darauf folgte die zweite Filiale. Es scheint gut zu laufen, und an den heissen Sommertagen boomt das Geschäft. Doch immer, wenn der Winter kommt, sieht sich Domenico Di Gregorio gezwungen, das Geschäft auf Eis zu legen.
Die Gelateria über den Winter schliessen will er eigentlich nicht. Da macht er sich auf die Suche nach einer Lösung. Fündig wird er auf Tiktok, besser gesagt, seine Frau: «Sie war auf Tiktok und sah ein Video, wo diese runden Croissants zu sehen waren. Da meinte sie, dass dies aussähe wie das Logo der Gelateria.» Er deutet auf das Logo an der Wand: drei Kringel über einem Cornet.
Die Videos, welche die Di Gregorios gesehen haben, drehen sich alle um das amerikanischen «Supreme»: Das ist ein Croissant, das rund, gross wie eine Untertasse und gefüllt ist. Erfunden wurde der Croissant-Kringel von der Bäckerei Lafayette in New York, berühmt wurde er durch Tiktok, wo die Videos über fünf Millionen Views haben, in denen das Supreme auseinandergebrochen wird und die Creme aus dem Blätterteig-Herz herausquillt.
Fünf Millionen Kunden hatte Di Gregorio bis jetzt noch nicht, die Tiktok-Macht hat er aber schon zu spüren bekommen. «Am Anfang war es ruhig. Da drehte aber jemand ein Tiktok-Video mit unserem Goloso, und am nächsten Tag standen sie Schlange vor der Gelateria», sagt Di Gregorio. Die Aufregung um das neue Gipfeli ist nachvollziehbar: Goldig glänzend stehen die Golosos in der Vitrine und gluschten um die Wette. Beisst man in die knusprige, luftige Blätterteighülle, fliesst die Creme aus dem Inneren heraus. Di Gregorio lacht: «Es brösmelet schon etwas, aber das muss so sein. Guter Blätterteig muss auch den Buttergeschmack haben.» Sein Favorit und auch der seiner Frau ist die Pistazien-Variante.
In den sozialen Netzwerken sind sogenannte Food-Trends immer wieder am Kursieren, viele Gastronomiebetriebe entnehmen sich etwas daraus. Die Gelateria Amorino in Luzern und Basel übernahm das «Rose-Gelato». Dabei wird das Glacé so auf das Cornet gespachtelt, dass es aussieht wie eine Rose. Ob die Glacé-Rose aus der Gelateria Rosa in Budapest stammt, ist nicht ganz sicher, fest steht, dass es durch Tiktok verbreitet wurde und es jetzt auch die Australier schlecken. Auch die Poke Bowl hat sich via Instagram und Tiktok verbreitet. Sie hat ihren Ursprung in Hawaii, in der rohe Thunfischwürfel, Kemirinuss und frische Algen in einer Schüssel gegessen wurden. Später wurden Sushi, Reis und Lachs hinzugefügt und nach ihrer Verbreitung im Netz auf mehrere Arten verändert. Das Zürcher Unternehmen Bowlz macht daraus ein Geschäft. In Genf wiederum versucht sich die Patisserie Sofia wie der Berner Gelatiere an einem neuen Trend-Gebäck: Sie hat den Pain-au-Chocolat-Kuchen erfunden.