Sonntagsauflug im Audi RS E-Tron GT nach Strassburg
«Ich will nicht Elektroauto fahren»

Viele tun sich noch schwer damit, aufs Elektroauto umzusteigen. Auch Blick-Autoredaktor Martin A. Bartholdi ist ein Elektro-Muffel. Trotzdem fährt er im Audi RS E-Tron GT zum Sonntagsausflug nach Strassburg. Ob das gut geht?
Publiziert: 22.10.2021 um 16:28 Uhr
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Blick-Autoredaktor Martin A. Bartholdi outet sich als Elektro-Muffel.
Foto: Thomas Meier
Martin A. Bartholdi

Ja, ich bin ein Elektromuffel. Schon der Gedanke, mir über Hunderte von Kilometern ständig Gedanken über die nächste Ladesäule machen zu müssen, treibt meinen Puls nach oben. Ein Sonntagstrip von Schaffhausen nach Strassburg (F)? Nur mit Verbrenner! Ich ärgere mich am Wochenende doch nicht in einem Stromer herum! Die 158 Kilometer will ich unbekümmert zurücklegen und mir um die Rückfahrt keine Gedanken machen müssen.

Andererseits ists mein Job, ein Auto in allen Alltagssituationen zu testen. Fährt ein Leser ein Elektroauto, bleibt ihm ja – ausser dem Zug – auch nichts anderes übrig, als elektrisch zu fahren. Also doch den Audi RS E-Tron GT (hier gehts zum ausführlichen Test) statt des Seat Leon Kombi?

Power zieht nicht mehr

Normalerweise reissen wir uns um solche Boliden mit 598 PS und 850 Newtonmetern maximalem Drehmoment, die in 3,3 Sekunden auf Tempo 100 sprinten – erst recht, wenn es sich dabei um einen hübschen, bequemen und übersichtlichen Gran Tourer handelt. Doch beim RS E-Tron GT drängeln sich die Norm-Reichweite von 472 Kilometern und die Frage, wo kann ich laden, vor den Fahrspass. «Jetzt erst recht, Martin!», finden die Ressortkollegen. Sind doch nur 320 Kilometer hin und zurück. «Geht doch locker!»

Kaum starte ich den GT, kommen Zweifel auf. Bei voller Batterie werden mir 399 Kilometer angezeigt – die sollen für den Weg von der Redaktion in Zürich heim nach Schaffhausen – wo ich nicht laden kann – und dann weiter nach Strassburg reichen. Ohne Ladestopp wirds also kaum gehen. Egal wie gemächlich und stromsparend ich den Elektro-Boliden bewege.

Es braucht Vorbereitung

Am Samstag plane ich die Fahrt. Apps für E-Autos können dabei helfen. Ich nutze «A Better Routeplanner»: Hier kann ich mein E-Auto wählen, den Akku-Stand bei Abfahrt angeben und natürlich das Ziel. Für die Hin- und Rückfahrt nach Strassburg in einem E-Tron GT (der RS steht noch nicht zur Wahl) schlägt mir die App auf der Rückfahrt einen elfminütigen Stopp an einem Schnelllader an der deutschen Autobahnraststätte Mahlberg vor. Die App weiss sogar, auf wie viel Prozent ich laden soll und was es kostet: 22,58 Franken.

Aber da ich ja Zeit in Strassburg verbringen will und nicht gleich wieder nach Hause fahre, schaue ich nach Lademöglichkeiten in der Stadt. Das Parkhaus «Centre Historique Petite France» hat Ladestationen – super. Trotzdem fahre ich am Sonntag eher zurückhaltend und energiesparend. Wie lange dauert das Laden? Sind überhaupt die Säulen frei? Nur kein Risiko eingehen.

So verläuft der Trip

In Strassburg angekommen, habe ich 245 Kilometer seit dem letzten Laden zurückgelegt. Noch hats 42 Prozent in der Batterie – macht laut Bordcomputer 184 Kilometer Reichweite. Rechnerisch kämen wir so auf 429 Kilometer. Das würde mit dem letzten Watt Saft im Akku zurück ins Büro reichen. Zum Glück ist im Parkhaus noch eine der sechs Ladesäulen frei und ich stöpsle den RS E-Tron GT an.

Nach siebeneinhalb Stunden hänge ich den Audi im Parkhaus wieder ab. Er hat 55,383 kWh geladen. Das entspricht einem Verbrauch von 22,55 kWh auf 100 Kilometer (Werk 21,7 kWh/100 km). Kostenpunkt: Umgerechnet 24,34 Franken für den Strom und 8,16 Franken fürs Parken – also leicht teurer, als die App für die Raststätte kalkuliert hat. Aber die Parkgebühr wäre sowieso fällig gewesen und am Schnelllader hätte ich für denselben Preis nur halb so viel Strom geladen. Dazu wäre ich mit 10 Prozent Restreichweite nach Hause gekommen – das hätte am Montag niemals ins Büro gereicht. So konnte ich in zweieinhalb Stunden ohne Pause heimfahren und musste mir und dem GT keine Zügel anlegen.

Fazit

Jaja, Ressortkollegen – ihr hattet recht. Alles kein Problem. Aber ohne Vorausplanung hätte es nicht geklappt – sich blind auf Apps oder Bordcomputer zu verlassen, sorgt nicht immer für die optimale Ladestrategie. Zum Fan des Zwischendurchladens werde ich deshalb noch lange nicht. 30 Minuten auf eine gefüllte Batterie zu warten – das dauert mir zu lange.

Deshalb – zweite Erkenntnis: Wenn ich bis zum Ziel durchfahren und dort laden kann, hat der Elektromuffel keine Chance. Wir brauchen Ladestationen an den Zielorten, deren Ladeleistung auf die Zeitspanne abgestimmt ist, die wir dort verbringen. Ein Schnelllader vorm Museum macht wenig Sinn. Dafür umso mehr beim Supermarkt. Wir müssen laden können, wenn das Auto sowieso steht. So funktioniert Elektro!

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