Auf einen Blick
- Renault Scenic E-Tech Electric überzeugt zum im Dauertest-Start
- Das neue «Solarbay»-Panoramaglasdach ist ein Highlight
- Routenplanung für Ladestopps überrascht
Ich will ehrlich sein: Schon lange habe ich mich nicht mehr so auf ein neues Auto im Dauertest-Fuhrpark gefreut wie auf den neuen Renault Scenic. Ob's an meiner vorbelasteten Vergangenheit liegt? Schliesslich war mein erstes Auto vor rund 20 Jahren ein Renault 19, Baujahr 1994, als 16V-Topmodell mit damals satten 135 PS – an diesen Renault denke ich heute noch gerne zurück. Oder sind die Vorschusslorbeeren schuld? Immerhin hat der Scenic, der in neuer Generation als Crossover statt Van und nur noch rein elektrisch vorfährt, schon kurz vor dem Marktstart im Frühjahr 2024 den prestigeträchtigen Titel des europäischen «Car of the Year» gewonnen. Die Erwartungen sind also gross – und die erste Herausforderung für den 4,47 Meter langen Scenic E-Tech Electric, wie er mit vollem Namen heisst, ebenfalls.
Ab auf die Langstrecke
Es geht in meine deutsche Heimat zum Familienbesuch. Goslar am Nordharz, knapp 700 Kilometer von Zürich entfernt. Hoch gehts zu zweit, zurück werden drei Plätze benötigt. Und der erste Eindruck macht Mut: Der aussen schick gezeichnete SUV überzeugt auch innen. Platz gibts auf der Rückbank selbst für grössere Passagiere mehr als genug, der wannenartige Kofferraum mit hoch angesetzter Ladekante schluckt locker Gepäck für drei. Highlight ist aber das neue «Solarbay»-Panoramaglasdach, das auf Knopfdruck segmentweise von milchig auf transparent wechselt und den ohnehin wohnlichen Innenraum auf fast der gesamten Dachlänge mit Licht flutet.
Topmodern gehts auch im Cockpit zu: Neben den grossen Digitalinstrumenten blicke ich als Fahrer auf den leicht zu mir geneigten Infotainment-Touchscreen, der im Hochformat nicht nur aussieht wie ein Tablet, sondern sich genauso simpel bedienen lässt. Dank Google-Betriebssystem sind gängige Apps wie Google Maps bestens bekannt – und werden gleich genutzt. Die bisher sonst für lange Elektro-Trips benötigten, zahlreichen Ladeanbieter-Apps auf dem Smartphone ignoriere ich diesmal und verlasse mich komplett auf die ins Google Maps integrierten Ladestopp-Empfehlungen. Um 18 Uhr brechen wir zu zweit in Zürich auf – die Ankunftszeit wird auf 2.30 Uhr hochgerechnet, inklusive zweier Ladestopps von je rund 40 Minuten. Je nach Akkustand und Reichweitenanzeige möchte ich auf der deutschen Autobahn bei freier Fahrt zwischen mindestens 130 und maximal 150 km/h schnell fahren.
Dämpfer am Schnelllader
Die Anfangsreichweite von über 600 Kilometern, welche die grosse 87-kWh-Batterie im Unterboden bereitstellen soll, macht Mut. Doch schon nach wenigen Minuten auf der A7 Richtung Schaffhausen passt die dynamische Reichweitenanzeige die Erwartungen an: Mehr als 400 Autobahn-Kilometer am Stück werden auch im Scenic nicht drin liegen. Das erste berechnete Ziel: die Raststätte «Ob der Tauber» auf der A81, wo wir mit einer Restkapazität von 15 Prozent nach 330 Kilometern den ersten Stopp am Schnelllader vornehmen sollen.
Antrieb Elektromotor, 218 PS (160 kW), 300 Nm, 1-Stufen-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 7,9 s, Spitze 170 km/h, Batterie 87 kWh, max. Ladeleistung AC/DC 22/150 kW, Reichweite WLTP/Test 625/470 km
Masse L/B/H 4,47/1,86/1,57 m, Gewicht 1993 kg, Laderaum 545–1670 l
Umwelt Verbrauch WLTP/Test 18,9/21,1 kWh/100 km = 0/0 g/km CO₂, Energie B
Preise ab 49'700 Franken, Testwagen plus Optionen (u.a. Panoramadach, Pack Augmented Vision, Zweifarblackierung) 53'950 Fr., Basis Scenic E-Tech «Evolution» ab 43'700 Fr.
Antrieb Elektromotor, 218 PS (160 kW), 300 Nm, 1-Stufen-Automat, Frontantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 7,9 s, Spitze 170 km/h, Batterie 87 kWh, max. Ladeleistung AC/DC 22/150 kW, Reichweite WLTP/Test 625/470 km
Masse L/B/H 4,47/1,86/1,57 m, Gewicht 1993 kg, Laderaum 545–1670 l
Umwelt Verbrauch WLTP/Test 18,9/21,1 kWh/100 km = 0/0 g/km CO₂, Energie B
Preise ab 49'700 Franken, Testwagen plus Optionen (u.a. Panoramadach, Pack Augmented Vision, Zweifarblackierung) 53'950 Fr., Basis Scenic E-Tech «Evolution» ab 43'700 Fr.
Da im 60 Kilometer entfernten Würzburg das kulinarische Angebot aber überzeugender scheint und der Akku auch bis dort genügen sollte, fahren wir durch – und schleppen uns im automatisch aktivierten Stromsparmodus (ab unter 5 Prozent Restakku) zur rettenden Raststätte. Doch dann der Dämpfer: Statt ein wie angedacht mindestens 150 kW starker Schnelllader steht nur ein einziges (!) Gerät mit maximal 50 kW zur Verfügung. Nach dem rund 45-minütigen Stopp mit knapper Tankstellenshop-Verpflegung (alle Restaurants hatten bereits ab 19 Uhr geschlossen) reichen die gezapften 35 kWh für höchstens weitere 200 Kilometer.
Das höchste der Ladegefühle
Um einen erneuten Lade-GAU zu vermeiden, steuern wir als Nächstes die vom Navi vorgeschlagene Raststätte Uttrichtshausen 100 Kilometer weiter nördlich an. Und diesmal läuft alles nach Plan: 38 Minuten soll es laut Display dauern, um den Akkustand von knapp 20 auf wieder 80 Prozent zu erhöhen – mehr als maximal 150 Kilowatt DC-Ladeleistung liegen beim Scenic leider nicht drin. Wir wünschten, es wären mehr – 38 Minuten auf einem menschenleeren deutschen Rastplatz nachts um 23.30 Uhr können lang sein.
Doch weil die angezeigte Restreichweite danach neu wieder bei über 330 Kilometern liegt, wir aber nur noch 230 bis zum Ziel haben, trete ich das Gaspedal jetzt kräftiger durch und hole auf der Schlussetappe immerhin 30 Minuten auf – kurz nach 2 Uhr, und damit sogar noch vor der errechneten Ankunftszeit, kommen wir am Ziel an. Wir hätten es wohl schneller geschafft, wenn wir auf die Empfehlungen des Navis gehört hätten. Genau das nehmen wir uns für den Rückweg vor.
Kaum länger als Verbrenner
Vollgeladen gehts einige Tage später um 10 Uhr morgens wieder Richtung Süden. Weil wir jetzt zu dritt im Renault sitzen und am Ende noch einen kurzen Umweg über Bottighofen TG am Bodensee einlegen müssen, steuere ich nun konsequent mit Tempo 130 das erste Ziel im Navi an: die 310 Kilometer entfernte Raststätte Riedener Wald West. Pünktlich zur Mittagszeit um kurz nach 13 Uhr stecke ich den Scenic am Schnelllader an.
Nach der rund 45-minütigen Mittagspause, die wir auch mit einem Verbrenner eingelegt hätten, gehts mit einem Akkustand von 85 Prozent weiter zum letzten vorgeschlagenen Ladestopp, dem wiederum 300 Kilometer entfernten Rastplatz Hegau West. Dort reicht die rund 20-minütige Kaffee- und WC-Pause locker aus, um mehr als genügend Strom für die letzte Etappe zu zapfen. Trotz zweier Ladestopps plus dem Extrahalt am Bodensee treffen wir nach rund neun Stunden in Zürich ein.
Unser Fazit
Die erste Fernreise hat unser neuer Dauerläufer mit Bravour bestanden – und selbst meine hohen Erwartungen mehr als erfüllt. Vorbei die Zeiten, in denen stundenlange Vorbereitungen für lange Elektro-Trips vonnöten waren, um angstschweissfrei am Ziel anzukommen. Reinsitzen, Ziel eingeben, losfahren – die Software kümmert sich weitgehend fehlerfrei um den Rest. Einen kleinen Abzug gibts lediglich für die DC-Ladeleistung, die für kürzere Stopps noch etwas höher sein dürfte. Pluspunkte gibts für den modernen Innenraum, das grosszügige Platzangebot und das auf Komfort geeichte Fahrwerk. Was unser Renault Scenic ausserdem zu bieten hat und ob er auch beim Fahrverhalten ein echtes Auto des Jahres ist, werden die bald folgenden Zwischenberichte zeigen.