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Fast schon tot geglaubt:Das ist der neue Mercedes-AMG SL 55

Neuer Mercedes-AMG SL mit V8 im ersten Test
Die Legende ist wieder voll da

Jetzt hat der schon fast tot geglaubte Mercedes SL doch noch die Kurve gekriegt – und wie! Die Roadster-Legende ist jetzt immer ein AMG, trägt neu Allrad und Stoffmütze und darf auch künftig noch aus einem fetten V8 brabbeln. Blick geht auf Testfahrt.
Publiziert: 15.01.2022 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2022 um 09:36 Uhr
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Mit dem neuen SL will Mercedes die legendäre Baureihe erfolgreich wiederbeleben. In Zukunft ist jetzt jeder SL ein Mercedes-AMG.
Foto: Daimler
Timothy Pfannkuchen

So flott wird man vom Zeitgeist überholt. Viele Jahrzehnte war der Mercedes SL ein Traumwagen erster Güte. Dann wurden Power-SUVs die neuen Statussymbole. Und wenn man trotzdem Roadster kaufte, dann eher gleich den schärferen AMG GT als den arg biederen bisherigen SL. Dass es den SL überhaupt noch gegeben hatte, fiel uns erst auf, als er schon 2020 ganz aus dem Angebot kippte.

Aber die Marke mit Stern ohne die Ikone SL? Undenkbar angesichts dieser Historie. Was also tun? Ihn AMG geben! Damit der neue SL eine Marktchance hat, muss er emotionaler und fetziger werden – und da ist die Mercedes-Sporttochter AMG die richtige Adresse. Zugleich muss er sich treu, also auch ein entspannter Luxusgleiter bleiben. Geht das wirklich zusammen?

«Sport» ja, «leicht» naja

Optisch klappt es top. Cool-elegante Linie auf 4,71 Meter. Front und Heck erinnern von fern etwas an den GT, aber der wird ja bald neu und kein Roadster mehr. Das Dach ist jetzt wieder aus Stoff, was fast 50 Kilo spart. Dass SL einst für «Sport leicht» stand, naja: Trotz extrem steifem Leichtbau-Alu-Chassis summieren sich Hightech wie aktive Aerodynamik, Wankstabilisierung (SL 63), erstmals im SL gar Allrad oder Hinterachslenkung (Serie) am Ende dann eben auf rund zwei Tonnen.

Drinnen wirkt alles angemessen edel. Die Sitze sind bequem, der Laderaum reicht für ein Weekend völlig. Hinten gibt es Pseudo-Fondsitze, nach deren Nutzung man als Erwachsener zum Chiropraktiker müsste – aber es sieht edler aus als einfach eine Ablage. Ohnehin dominiert optisch der Touchscreen. Der Screen ist gegen Spiegelungen neigungsverstellbar. Das Verdeck muss man via Screen bedienen. Zwar gibt es einen Shortcut-Button – aber warum dann nicht gleich einen Knopf?

(Noch) ganz unelektrisch

«Das Auto ist gross genug», sagt uns AMG-Chefentwickler Jochen Hermann (53) auf unsere Frage nach Elektrifizierung. Sprich: Auch der neue «E-Performance»-Antrieb von AMG passt rein und dürfte als bärenstarker Vierzylinder-Hybrid den SL bald ins Strom-Zeitalter führen und die Palette gegen Porsche 911 Cabrio und Co. nach unten abrunden. Bis dahin gibt es «nur», was in neuen Automodellen heute fast exotisch wirkt – richtig fette Vierliter-Achtzylinder, ganz ohne Strom. Der SL 55 mit 476 PS ist quasi der SL-500-Erbe: der traditionellere, geschmeidigere SL. Der SL 63 mit 585 PS ist eher typisch AMG, der brachialere Dampfhammer.

Mercedes-AMG SL

Modelle SL 55 4Matic+ (SL 63 4Matic+)
Antrieb 4.0-V8-Biturbo-Benziner, 476 PS/350 kW (585 PS/430 kW), 700 (800) Nm @2250-4500/min (2500–5000/min), 9-Gang-Automat, Allrad
Fahrleistungen 0–100 km/h 3,9 (3,6) s, Spitze 295 (315) km/h
Masse L/B/H 4,71/1,92/1,35 m, Gewicht 1950 (1970) kg, 2+2 Plätze, Laderaum Verdeck offen/zu 213/240 l
Umwelt WLTP 11,8 (12,7) l/100 km, 268 (288) g/km CO2
Lancierung/Preise Frühjahr 2022/noch offen

Modelle SL 55 4Matic+ (SL 63 4Matic+)
Antrieb 4.0-V8-Biturbo-Benziner, 476 PS/350 kW (585 PS/430 kW), 700 (800) Nm @2250-4500/min (2500–5000/min), 9-Gang-Automat, Allrad
Fahrleistungen 0–100 km/h 3,9 (3,6) s, Spitze 295 (315) km/h
Masse L/B/H 4,71/1,92/1,35 m, Gewicht 1950 (1970) kg, 2+2 Plätze, Laderaum Verdeck offen/zu 213/240 l
Umwelt WLTP 11,8 (12,7) l/100 km, 268 (288) g/km CO2
Lancierung/Preise Frühjahr 2022/noch offen

Bei den Fahrleistungen – siehe Technikbox oben – schenken sich die beiden jedoch gar nicht so viel und gehen einfach beide ab wie wild. Der 55er wirkt in Kurven irgendwie noch müheloser, der 63er dagegen engagierter. Aber spielerisch locker bleiben beide, lenken exakt statt nervös und wedeln extrem gekonnt – und all dies bei echt exzellentem Komfort. Schwer? Eher das gute Gefühl von Solidität. Wir testen die sechs Fahrmodi und landen am Ende meist in «Sport»: In «Comfort» ist die Gedenkpause beim Gasgeben zu lang, der Komfort bleibt trotzdem vorzüglich.

Genau der richtige Sound

Sogar der Sound findet die goldene Mitte: Man hört das brabbelnde V8-Biest, aber deckt nicht zwingend die ganze Nachbarschaft damit ein. Das Dach bleibt auf der Testfahrt in Kalifornien – dem wichtigsten SL-Markt – meist auf. Fährt man die Scheiben hoch und schaltet die Nackenheizung ein, sitzt man quasi draussen behaglich drinnen. Schliesst man das Dach in 15 Sekunden und bis 60 km/h ganz, fühlt sich der SL nach Coupé an. Nur ist die Heckscheibe fast lächerlich winzig.

Am Ziel stehen angesichts flotter Gangart und viel Offenfahrt keine Wunderwerte im Display: Der 55er vermeldet über 12, der 63er über 13 l/100 km – aber ohne V8 wäre es in dieser Liga (noch) schwer, und Elektrifizierung ist ja auf dem Weg. Unser Fazit: Hat der Mercedes SL Zukunft, dann so – Sport ohne Komfortmord, viel spannender als zuvor und doch entspannt. Noch offen sind Preise zum Start im Frühjahr 2022. Die letzten V8-SL lagen bei Ab-Preisen von 160'000 bis 200'000 Franken, irgendwo dort oder wegen des AMG-Labels drauf vielleicht sogar darüber werden SL 55 und 63 landen – und für uns leider unerreichbar bleiben.

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