Ach, diese Franzosen: Die Grande Autonation hat viele Höhen und Tiefen hinter sich. Vor allem Citroën: Einst Avantgarde-, dann Pleitemarke, und heute endlich bei jenem erfolgreichen Mix aus Genie und Wahnsinn, dass sie noch anders sind als andere, aber man sie ohne spätere Reue kauft.
Den Mut hatte Citroën nie verloren – und traut sich jetzt an eine Art Neuinterpretation des Döschwo fürs Elektro-Zeitalter. Der nach einem Modell der 1960er-Jahre benannte Ami als Ente 2.0 erinnert uns an den Schweizer Microlino (um den es sehr ruhig geworden ist) und ist nicht mehr dazu da, Bauern über den Acker zu wippen, sondern um urbanen Menschen ein Dach auf Rädern über dem Kopf zu bieten oder sie sicherer als auf dem E-Trotti die «letzte Meile» vom Bahnhof heim zu fahren.
22 Franken im Monat
In Frankreich verlangt Citroën für den online (Heimlieferung), beim Händler und im Supermarkt (!) verkauften Stadtfloh ab 6990 Euro. Oder bei Leasing ab – kein Druckfehler – 20 Euro (ca. 22 Fr.) im Monat. Nach drei Jahren Wartezeit kann der Ami ab sofort auch in der Schweiz offiziell bestellt werden. Los gehts bei 9090 Franken für die Basisversion. Die Topversion mit mehr Ausstattung und aufgepeppter Optik kommt ab 10'390 Franken.
Einsteigen in den 2,41 Meter kurzen, 1,39 Meter schmalen kleinen «Freund» (fr. Ami) durch zwei Riesentüren (Beifahrerseite normal, Fahrerseite «falsch» herum öffnend). Innen gibts Raum ohne Ende und Verglasung wie im Gewächshaus. Dafür gibt es null Ausstattung. Kein Airbag (aber stabiler Rohrrahmen), keine Klimaanlage, ein einsam gegen Regen anrudernder Winzig-Wischer. Das Einstellen der Aussenspiegel ist, da nicht vom Sitz aus, unpraktisch. Aber: Ablagen für Krimskrams, Koffer, Einkauf. Heizung, Bluetooth-Box sind vorhanden, sowie eine prima Sicht.
Fenster à la Döschwo
Basismobilität eben – mit Sympathie-Effekt. Bei unserer Probefahrt in Berlin (D) triggerte die Plastik-Knutschkugel Staunen, Lachen, gereckte Daumen und Insta-Selfies. «Wat is denn dat?», berlinerte ein Herr. Der Himmel war bedeckt, durch die à la Döschwo hochklappbaren Fenster kühlt angenehm der Wind. Bei Sonne wirds im Glashaus aber vermutlich schnell tropisch.
Schneller als Verbrenner
Die 8 PS (6 kW) des E-Motörchens legen beim Start flotter los als all die Verbrenner nebenan. Das Surren ist dezent, die 45 km/h Spitze sind nach nur zehn Sekunden erreicht. Noch besser als Spurten kann er Wenden: Wendekreis eines Velos! Das zeichnet uns ein Grinsen ins Gesicht – ein cooler Typ.
Uncool: Dass quasi keine Federung drin ist, ist auf gutem Asphalt okay. Aber die beiden Sitze erreichen nicht mal den Komfort von Tram-Gestühl, hinter der Baustelle lauert quasi der Chiropraktiker. Gut wäre auch ein Spiralkabel wie beim Renault Twizy (gegenüber dem der Ami viel mehr Auto ist): Nach 75 (im Test sehr realistisch scheinenden) Kilometern gehts an die Steckdose daheim, an der der 5,5-kWh-Akku drei Stunden lädt. Nur ist das Kabel halt fummelig. Dafür kostet Laden dann aber auch je nach Tarif knapp über einen Franken.
Das Tempo reicht
Und einen Innenspiegel möchten wir, bitte. Um Lichthupen der Nachfolgenden zu sehen? Nö: Selbst im aggressiven Berliner Verkehr reichten die 45 km/h völlig, weil man im Schnitt eh kaum schneller fährt und der Ami auf dem Weg zwischen den Lichtsignalen flott abzieht und behände durch jedwede Lücke sticht. Spassig! Fraglos werden wir in 20 Jahren denken: Der war seiner Zeit voraus. Bleibt die Frage, ob zu weit voraus.
Allerdings ist er ja nicht allein: Technisch gleich, aber optisch auf Opel gebürstet, gibts bei der Stellantis-Schwestermarke den Rocks-e. Und mit dem Fiat Topolino komplettiert bald ein weiteres Derivat das Duo zum Trio.