Heute, am 18. Juli, wurde ernst für Ursula von der Leyen (65). Die deutsche CDU-Politikerin stellte sich dem EU-Parlament zur Wiederwahl als Präsidentin der EU-Kommission. Am 25. Juni hatten die Staats- und Regierungschefs der EU die studierte Medizinerin für eine zweite Amtszeit nominiert. Für die Wiederwahl benötigte von der Leyen 361 der 720 Stimmen im Parlament. Es gibt aber keinen Fraktionszwang – jede Abgeordnete ist frei in ihrer Entscheidung.
Aber sie musste bis zur letzten Sekunde bangen. Denn die Parlamentarier machten ihre Zustimmung von der inhaltlichen Ausrichtung von der Leyens abhängig. Einer der Streitpunkte: das vor einem Jahr beschlossene Verbrenner-Verbot. Demnach wird ab 2035 aus klimapolitischen Gründen die Neueinlösung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in der EU nicht mehr erlaubt sein.
Vor allem Deutschland kritisiert
Faktisch wären damit nur noch rein elektrische Neuwagen oder solche mit Brennstoffzelle möglich. Der Fahrzeug-Altbestand wäre vom Verbot nicht betroffen. Auch wenn sie kein EU-Mitglied ist: Das Verbot würde auch für die Schweiz gelten, weil die hier verkauften Autos einer EU-Typengenehmigung entsprechen müssen.
Im Vorfeld des Beschlusses hatten Mitgliedstaaten mit wichtiger Automobilindustrie – Frankreich, Italien, Spanien und vor allem Deutschland – die Pläne kritisiert. Vor allem Deutschland plädierte für eine technikoffene Regelung, die zum Beispiel nahezu CO₂-neutrale synthetische E-Fuels in Verbrennungsmotoren weiterhin erlaubt. Im Wahlkampf im Vorfeld der Europawahl im Juni hatte der Chef der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der Deutsche Manfred Weber (52), angekündigt, das Verbrenner-Verbot bei einem Erfolg seiner Partei zu hinterfragen.
Grosse Fraktionen nicht einig
Auch die liberale Renew-Europe-Fraktion forderte eine Überarbeitung. Statt null CO₂ lokal im Auto festzulegen, solle sich das Gesamtsystem von der Spritproduktion bis zur Nutzung im Auto durch CO₂-Neutralität auszeichnen. Tatsächlich machte von der Leyen in ihrer Bewerbungsrede am Donnerstagmorgen Zugeständnisse: Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein «technologieneutraler Ansatz» erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heisst es in ihren politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre. Sprich: Freie Fahrt für E-Fuels. Eine Wende in der Diskussion des Verbrenner-Verbots.
Dagegen pochten Grüne und die europäischen Sozialdemokraten (S&D) auf die Beibehaltung des Verbrenner-Verbots. Es sei integraler Bestandteil des sogenannten europäischen Green Deals, der die Union bis 2050 in allen Bereichen in die CO₂-Neutralität führen soll.
Wiederwahl dank Verhandlung
Offenbar konnte von der Leyen in Vorgesprächen noch eine Verhandlungslösung erzielen: Mit 401 zu 284 Stimmen bei 15 Enthaltungen wurde sie wiedergewählt. Ein Scheitern der Wahl wollte in der EU auch niemand riskieren: Es gab keinen Plan B und vor allem die Rechtspopulisten im EU-Parlament lauern nur darauf, als Mehrheitsbeschaffer zu dienen und dafür politische Zugeständnisse zu erhalten.
Von der Leyen kann also weitermachen. Aber die wirkliche Diskussion um die Ausgestaltung des Verbrenner-Verbotes unter Zulassung von E-Fuels dürfte jetzt richtig Fahrt aufnehmen.