Auf einen Blick
- Konsumenten in der Schweiz zögern mit dem Autokauf wegen Unsicherheit
- Umfrage der GfK zeigt Schweizer Mobilitätsverhalten
- Wichtigstes Kaufargument sind angemessene Preise
- 73 Prozent hoffen auf den Wasserstoff
Die Zeiten waren für die Autobranche auch schon mal rosiger. Diskussionen um Werkschliessungen und Kündigungen bei VW, Umsatzeinbussen von BMW und Mercedes vor allem in China, Krisenstimmung beim bisherigen Überflieger-Konzern Stellantis: Bei kaum einem Hersteller kann derzeit das Management ruhig schlafen.
Mit nur 14 statt 16 Millionen Neuwagen pro Jahr vor der Corona-Pandemie hat sich Europas Automarkt noch nicht erholt und auch in der Schweiz liegen die Neueinlösungen Stand Ende September rund vier Prozent unter dem Vorjahresmonat – und gar 23 Prozent unter dem September 2019. «Wie im Ausland ist die Konsumentenstimmung in der Schweiz relativ schwach. Wenn man kein klares Bild von der wirtschaftlichen Zukunft hat, schiebt man die Anschaffung eines Autos heraus», sagt Helmut Ruhl (55), CEO des grössten Schweizer Autoimporteurs Amag.
Sinkende Elektroauto-Verkäufe
Hinzu kommen Herausforderungen wie neue Regeln für nachhaltige Lieferketten oder die Konkurrenz aus China, die nach Europa drängt. Und wie nebenbei muss auch die Transformation zur E-Mobilität im Hinblick auf das 2035 wohl kommende Verbrenner-Verbot gemeistert werden. Der Stromer-Absatz geriet nach Jahren des Booms zuletzt unter Druck: Nach 21,6 Prozent Ende 2023 lag der Marktanteil bei uns Ende September noch bei 18,6 Prozent, auch die Plug-in-Hybrid-Verkäufe gingen zurück. «Die Konsumenten sind verunsichert und wir sehen, dass die Hersteller die Verbrenner, v.a. die Benziner zunehmend hybridisieren», sagt Ruhl.
Die Gründe für die Elektro-Baisse? Zu hohe Anschaffungspreise, zu geringe Reichweiten, fehlende Ladeinfrastruktur, wenn man Kritikern des Elektrokurses der Branche glaubt. Das wären die gleichen Argumente, wie sie schon vor über zehn Jahren ins Feld geführt wurden, als die ersten Serienmodelle mit E-Antrieb starteten. Kann das sein: Zehn Jahre, aber nichts passiert?
Repräsentative Studie zum Mobilitätsverhalten
Und wie gehts weiter mit der Elektromobilität? Eine entscheidende Frage, auch für die Businessplanung eines Autoimporteurs. Deshalb beauftragte die Amag das Meinungsforschungsinstitut GfK, der Schweiz den Mobilitätspuls zu fühlen. Wie sind wir unterwegs? Wie wollen wir unterwegs sein? Genau 1000 repräsentativ ausgewählte Schweizerinnen und Schweizer wurden im Juli befragt – 75 Prozent Deutschschweizer, ein Viertel Westschweizer, aus allen Haushaltsgrössen und Einkommensklassen – und gar zehn Prozent ohne Führerausweis.
Was ist uns nun wichtig bei der Wahl des passenden Verkehrsmittels? Für 59 Prozent ist es die Zeiteffizienz – möglichst schnell von A nach B zu gelangen. Dahinter rangieren das Preis-Leistungs-Verhältnis (52 Prozent), die Sicherheit (39 Prozent), der nahtlose Übergang zwischen den Verkehrsmitteln (35 Prozent) und gut ausgebaute Verkehrswege (31 Prozent). Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit? Folgen erst auf den Plätzen sechs (geringe Emissionen, 28 Prozent), acht (Einsatz erneuerbarer Energien, 16 Prozent) und neun (Ladeinfrastruktur, 6 Prozent).
Wasserstoff und E-Fuels für die Zukunft?
Nach nachhaltigen Mobilitätsformen gefragt, landet das E-Auto auf dem fünften Platz – hinter Velo, ÖV, Fortbewegung per Pedes und der Bahn. Dennoch: 73 Prozent sind täglich oder mindestens einmal pro Woche mit dem Auto unterwegs. Und 76 Prozent sehen das Auto auch zukünftig als Teil der mobilen Zukunft – nur neun Prozent stimmen dem nicht zu. Aber: Beim Kauf des nächsten Fahrzeugs wollen 29 Prozent der Befragten auf Hybridantrieb und 27 auf reine Benziner setzen. Das Elektroauto folgt erst auf Platz drei.
«Das ist ein Spiegel der allgemeinen Verunsicherung, welcher Antrieb der richtige für die Zukunft ist», kommentiert Ruhl. Die sich auch in der Frage nach Zukunftschancen nachhaltiger Antriebe zeige: So sehen 72 Prozent der Befragten Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft. Knapp dahinter liegen mit 68 Prozent sogenannte E-Fuels, die aus regenerativer Energie und CO₂ gewonnen werden können. Erst auf dem dritten Platz folgt die E-Mobilität mit 53 Prozent.
Effizienz als Problem
Für Ruhl Ausdruck eines Informationsdefizits: «Es gibt nicht ausreichend grünen Wasserstoff. Und es gibt keine passenden Autos, die zu wettbewerbsfähigen Kosten produziert würden. Es gibt auch kein Start-up für Wasserstoffautos à la Tesla, das für einen Schub sorgen könnte.» Zudem kämen beim Einsatz von nachhaltigem Strom zur Wasserstoffproduktion nur rund 25 bis 30 Prozent der Energie im E-Motor eines Autos an.
Ganz ähnlich sieht Ruhl die Situation bei den E-Fuels. «Wir investieren in Synhelion, ein Schweizer E-Fuel-Start-up. Und wir sind gegen ein Verbrennerverbot und für Technologieoffenheit.» Aber bei den noch tiefen Produktionsmengen, beim Preis und der fünf- bis sechsmal schlechteren Energieeffizienz seien mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge dem E-Auto unterlegen. «Es gibt Atomstrom und erneuerbare Energie nicht im Überfluss – es ist schlicht viel günstiger, direkt zu elektrifizieren, statt über E-Fuels zu gehen.»
Die GfK ist das grösste Schweizer Marktforschungsinstitut. Im Jahr 1959 wurde sie als Institut für Haushalts-Analysen gegründet, seit 25 Jahren gehört sie zum deutschen Mutterkonzern GfK AG Nürnberg, der bereits seit 1934 besteht. Die Abkürzung GfK steht dabei für Gesellschaft für Konsumforschung. GfK Switzerland beschäftigt rund 75 Mitarbeitende und hat ihren Hauptsitz in Rotkreuz ZG.
Die GfK ist das grösste Schweizer Marktforschungsinstitut. Im Jahr 1959 wurde sie als Institut für Haushalts-Analysen gegründet, seit 25 Jahren gehört sie zum deutschen Mutterkonzern GfK AG Nürnberg, der bereits seit 1934 besteht. Die Abkürzung GfK steht dabei für Gesellschaft für Konsumforschung. GfK Switzerland beschäftigt rund 75 Mitarbeitende und hat ihren Hauptsitz in Rotkreuz ZG.
Klimawandel ist wie Rauchen
Aber weckt nicht gerade die Amag mit ihrem Investment in synthetischen Sprit bei Elektro-Skeptikern falsche Hoffnungen, der Verbrenner könne eine Zukunft haben? «Ich habe immer gesagt: Die Elektromobilität ist die einzige realistische Alternative. Wenn wir 2040 die dann noch etwa zwei Millionen existierenden Verbrenner in der Schweiz mit E-Fuels dekarbonisieren können, würden wir die CO₂-Emissionen um zehn Prozent reduzieren.» Deshalb sei die Beteiligung sinnvoll. «Aber Neuwagen werden elektrisch.»
Wie erklärt er sich dann die eher unrealistische Liebe der Schweiz zu Wasserstoff und E-Fuels? «Es ist für viele schön so, wie es heute ist. Der Klimawandel ist wie Rauchen: Man weiss, es ist schädlich, aber unmittelbar tut es nicht weh – und es tut nicht weh, wenn man mit seinem Verbrenner unterwegs ist. Deshalb ist es nicht so einfach, sich zu verändern», sagt Ruhl. Wenn man diesen Gedankengang begründen könne, indem man auf vermeintlich bessere Technologie wartet und bis dahin nicht umstellt – umso besser.
Elektromobilität hängt am Geld
Wie er die Schweiz dennoch zum Umstieg motivieren will? Die Umfrage gibt Antworten: Bei den Gründen für die Wahl eines Fahrzeugs steht Nachhaltigkeit erst an Platz fünf (21 Prozent) – Platz eins belegen die Anschaffungskosten (60 Prozent), dahinter rangieren Qualität (50 Prozent), Sicherheit (44 Prozent) und Unterhaltskosten (43 Prozent). Lokale Wertschöpfung – ein Aspekt, der immer wieder auch gegen chinesische Hersteller und ihre Importfahrzeuge eingebracht wird? Landet am Ende des Rankings mit vier Prozent. Zudem hapert es auch bei der Bereitschaft zur Zahlung eines Aufpreises für nachhaltige Antriebstechnologie. Gerade ein Drittel der Befragten wäre bereit, für nachhaltige Entwicklung und Produktion und geringe Emissionen zehn Prozent oder mehr beim Autokauf auszugeben.
Bei all der öffentlichen Diskussion um Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Die Durchsetzung der E-Mobilität hängt also offenbar vor allem am Geld. «Wir brauchen die Preisparität für Stromer und Verbrenner und transparente Ladetarife», sagt Ruhl. Mit dem Skoda Elroq käme nun das erste Elektromodell bei der Amag, das preislich sogar unter dem vergleichbaren Karoq mit Benziner liege. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, gerade auch mit kommenden kleineren Modellen. Und ab Januar könne mit Amag-Ladekarte an den Ladepunkten des Importeurs für 28 Rappen pro Kilowattstunde geladen werden. Aber der grösste Hebel liegt für Ruhl in der Information: «Wir als Amag und die ganze Branche müssen mehr erklären.»