Recycling allein reicht nicht: Wie BMW künftig nachhaltiger produzieren will
Im Kreis in die Zukunft

Nur Verbrenner durch Elektroantriebe zu ersetzen, macht einen Autobauer weder CO₂-neutral noch nachhaltig. Wie BMW mit Recycling-Material und Kreislaufwirtschaft Abfall, Emissionen und Energieverbrauch vermeiden will.
Publiziert: 25.09.2022 um 11:02 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2022 um 09:33 Uhr
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Nur Elektroautos reichen nicht: Um die CO₂-Emissionen unserer Mobilität zu reduzieren und Ressourcen nachhaltig einzusetzen, schaut BMW über das Auto hinaus – wie hier in dieser Vision von München (D) in 10 oder 20 Jahren.
Foto: Zvg
Andreas Faust

Es war einmal ein Autohersteller, der schuf sich seine eigene Welt. Entwickelte ein Elektroauto aus Alu und Karbonfaser, die man eigens in den USA produzieren liess. Gefertigt wurde es mit selbst erzeugtem Windstrom, aus Schilf wurden Türverkleidungen geflochten, PET-Flaschen mutierten zu Sitzbezügen, und dazu erfand der Konzern auch noch Sharing- und Mitfahrservices. Diese kleine Welt in der grossen Autobranche nannte der Konzern i – weil der Buchstabe für Innovation steht. Wie bei Apple.

Doch inzwischen ist der 2013 lancierte BMW i3 eingestellt, sind die Mobilitätsservices mit jenen von Mercedes vereint – und der Ansatz hat sich gewandelt. Statt sich abzuschotten und die eigene Technik-Suppe zu kochen, setzt der Konzern jetzt auf Kooperationen, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Bis 2050 will er komplett klimaneutral wirtschaften. Dazu genügt es nicht, bloss Elektrofahrzeuge zu verkaufen: BMWs Material-Chef Markus Schieritz setzt bei der kompletten Wertschöpfungskette an. Heute werden knapp 30 Prozent Recycling-Material in jedem BMW eingesetzt – aber vieles lässt sich nur einmal wiederverwenden. Beispiel Karbon: Einst der ultraleichte, extrem stabile Werkstoff der Zukunft, spielt er immer weniger eine Rolle, weil sich die Karbonfasern nicht vom umgebenden Harz trennen lassen.

Rohstoff-Kreislauf statt nur Recycling

Die Lösung heisst Kreislaufwirtschaft – Rohmaterial kann dank neuer Methoden bei Produktion und Verarbeitung immer wieder für den gleichen Zweck eingesetzt werden. Früher aus Sicherheitsgründen ein No-Go, lassen sich jetzt neue Felgen aus altem Alu giessen – ohne Qualitätseinbussen, mit geringerem Energieaufwand und 80 Prozent weniger CO₂-Emissionen. Nagelneuer Stahl macht künftig nur noch fünf Prozent einer Karosserie aus – den Rest bildet Elektrostahl, der sich ohne teures, CO₂-trächtiges und knappes Erdgas herstellen lässt. Und statt Fussmatten aus vier unterschiedlichen Matten zu verkleben, werden sie künftig aus einem einzigen Material vernäht. Doch damit der Rohstoff-Kreislauf funktioniert, muss schon bei der Entwicklung auf möglichst geringen Materialeinsatz und die Zerlegbarkeit des künftigen Modells geachtet werden – schon aus Kostengründen. Clips zur Befestigung werden beispielsweise aus dem gleichen Material gefertigt, wie die Frontschürze, die sie halten – beides kann dann gemeinsam rezykliert werden.

Mit der Lancierung der nächsten Stromer-Generation namens «Neue Klasse» ab 2025 sollen viele Prozesse auf Kreislauf umgestellt sein – und bis 2040 könnten 85 Prozent eines neuen BMW aus solchen Materialien bestehen. Aber Entwicklung und Produktion sind nicht die einzigen Ansatzpunkte: Der Konzern berät mit einer eigenen Truppe von Mobilitätsforschern auch Städte und Regionen, wie Verkehrsflüsse optimiert werden können und der öffentliche Verkehr CO₂-neutral und elektrifiziert wird. Nur Elektroantriebe reichen eben nicht.

Hier kommen fünf Beispiele, die zeigen, wie BMW nachhaltiger unterwegs sein will.

1. Grüne Batteriezellen

Foto: Zvg

Die Batteriezellen der nächsten Stromer-Generation werden rund statt eckig – das spart Gehäusematerial. Ausserdem sind sie frei von Nickel und Kobalt, deren Förderung besonders umweltbelastend ist. Produziert werden sie vom Zulieferer Catl künftig lokal, um Transportkosten zu reduzieren, die Lieferkette zu stabilisieren und 60 Prozent an CO₂ einzusparen. Die Kosten des E-Antriebs sollen so um die Hälfte reduziert werden und erreichen damit das Preisniveau aktueller Verbrenner.

2. Rezyklierte Fischernetze

Foto: Jens Bach

Viele ausgediente Fischernetze werden einfach im Meer versenkt, tragen damit zur Verschmutzung durch Mikroplastik bei. Das dänische Start-up Plastix sammelt sie stattdessen für BMW ein, sortiert nach Materialart und produziert daraus buchstäblich grünes Plastik für Aussenverkleidungen und Interieurteile. Gegenüber Neumaterial verursacht dieser Sekundärrohstoff fast 95 Prozent weniger CO₂. Aufs Bauteil gerechnet, reduziert sich dessen CO₂-Fussabdruck so um 25 Prozent.

3. Vegane Interieurs

Foto: Enes Kucevic Photography

Der Trend zum veganen Leben hat längst auch das Auto erfasst. Ab 2023 will BMW Interieurs ohne tierisches Leder anbieten. Eine der Alternativen ist Mirum, ein plastikfreies Gewebe aus nachwachsenden Stoffen wie Naturkautschuk, Kork, Holzkohle und zusätzlichen Mineralien. Selbst Lenkräder mit hohen Anforderungen an Griffigkeit und Rutschfestigkeit lassen sich so lederfrei beziehen. Aber: Noch kommt BMW nicht ohne Bienenwachs als Lack-Flussmittel aus.

4. Sitz der Zukunft

Foto: Zvg

Heute werden Sitzbezüge aus Stoffbahnen mit Materialmix aufwendig vernäht. Dieser Sitz-Prototyp wird dagegen im 3D-Verfahren umstrickt, – ohne zusätzliche Vernähung oder Abfall vom Zuschnitt. Der Bezug besteht aus synthetischem Garn aus Textilabfällen, dessen Herstellung 98 Prozent weniger Wasser verbraucht als bei Baumwollgarn und den CO₂-Ausstoss gegenüber Polyesterfaden um 80 Prozent senkt. Auch die Schaumstoffpolster bestehen aus Recyclingmaterial.

5. Künstliche Intelligenz

Foto: Zvg

Je weniger Material, desto nachhaltiger und leichter: Standardbauteile wie Sitzträger oder Laderaumböden werden künftig per Algorithmus in der virtuellen Realität entwickelt. Der Computer kennt Masse und Material – und errechnet dann selbst Form und nötige Versteifungen, um alle Anforderungen an die Stabilität bei möglichst geringem Materialeinsatz zu erfüllen. Die Ingenieure macht das Verfahren nicht überflüssig – aber es lässt ihnen mehr Zeit für echte Innovationen.


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