In Ungarn wird künftig ohne CO₂-Emissionen produziert
BMW erfindet die Autofabrik neu

Im ungarischen Debrecen soll ab 2025 BMWs nächste Generation von Elektroautos vom Band laufen – komplett ohne CO₂-Emissionen. Aber viele Fragen sind noch offen.
Publiziert: 03.06.2022 um 15:35 Uhr
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Ab 2025 soll in einem neuen Werk im ungarischen Debrecen mit der sogenannten Neuen Klasse die nächste Generation der BMW-Stromer vom Band laufen.
Foto: Zvg
Andreas Faust

Milan Nedeljković (53) ist nicht zu beneiden. Wie schildert man anschaulich, was noch gar nicht existiert? Gerade hat der BMW-Vorstand für Produktion im Beisein des ungarischen Handelsministers und des Bürgermeisters des ungarischen Debrecen den Grundstein für ein neues Werk gelegt. Ab 2025 soll hier BMWs Neue Klasse vom Band laufen. Benannt nach der Baureihe von 1962, die BMW von der Fast-Pleite auf die Erfolgsstrasse brachte.

Geplant sind 150'000 Autos pro Jahr – nur Stromer. «Später vielleicht auch Modelle mit Wasserstoff-Antrieb», sagt Nedeljković. Das sei noch offen. Wie so vieles bei der Produktionsstätte, die jetzt gebaut wird. Die Grundidee: Das Werk soll als erstes weltweit ohne jeden CO₂-Ausstoss produzieren und maximal produktiv, energieeffizient und digitalisiert sein. Dazu stellt BMW alles auf den Kopf, selbst die Produktionsprozesse werden neu geregelt.

Schluss mit Gas und Öl

Das 400 Hektar grosse Gelände wird ans Stromnetz angeschlossen, soll sich aber mit Photovoltaik selbst versorgen. Energiebedarf darüber hinaus soll nur aus regenerativen Quellen kommen, ohne Erdöl oder Gas. Letzteres galt bisher vor allem in einer Lackiererei als unersetzbar, weil Gasbrenner die Trocknungsöfen befeuern. In Debrecen werden stattdessen Strom und Wärmetauscher und -speicher die frisch lackierten Karosserien heizen.

Zur Senkung des Stromverbrauchs soll auch die Rückgewinnung von Abwärme in der Produktion beitragen – quasi ein Minergie-Werk. Und als Pufferbatterien für den auf dem Gelände gewonnen Solarstrom sollen ausrangierte Akkus aus BMW-Stromern dienen, ehe sie recycelt werden.

Völlige Vernetzung

Alle Produktionsanlagen sollen sich per Datencloud vernetzen und mittels künstlicher Intelligenz koordiniert werden. Heute gibt es vergleichsweise «dumme» Daten-Schnittstellen zwischen Maschinen – künftig wird eine intelligente Software das Werk am Laufen halten. Kostenpunkt der gesamten Investition: über eine Milliarde Franken. Zum Vergleich: Porsches neues Werk für den Stromer Taycan kostete in Stuttgart 780 Millionen Franken.

Vieles scheint aber noch im Planungsprozess zu stecken – obwohl ja schon gebaut wird. Schliesslich hat BMW einen Rückstand aufzuholen: Nach dem kürzlich eingestellten i3 von 2013 gönnte sich BMW eine Pause – bis mit i4 und iX zum Jahreswechsel endlich neue Elektromodelle erschienen.

Vieles noch in Planung

Einige Fragen lässt Nedeljković offen: Erdwärme oder Wasserstoff als Energiespeicher? Werde geprüft. Falls, dann werde BMW lokale Energie einsetzen. Kostet regenerativer Energie mehr? Nedeljković hat keine Zahlen. Wie viele Jobs? Das werde man sehen, wenn der Produktionsbeginn näher rücke. Binnen zwei Jahren werde man 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutieren, die das Werk startklar machen sollen, sagt Nedeljković.

Ob sich die umstrittene Politik der ungarischen Regierung unter Viktor Orbán (59) überhaupt mit Unternehmenswerten von BMW vertrage, kommentiert Nedeljković nicht: Ungarn sei EU-Land, BMW sorge für Arbeitsplätze und Wohlstand im Land. Auch der Krieg in der Ukraine spiele keine Rolle in der Werksplanung: Produktionsanlauf sei erst 2025. Mehr Sorgen machten ihm die Lieferketten. Diese werde man in Debrecen verkürzen können, weil zahlreiche Zulieferer jetzt schon in der Umgebung arbeiteten.

Debrecen soll nur der Startschuss sein – danach wird das Stammwerk in München entsprechend umgestellt, weitere werden folgen. Damit werde BMW bis 2030 rund 80 Prozent der CO₂-Emissionen der Produktion sparen, sagt Nedeljković. Allerdings: Kurzfristig sei so ein Werksumbau nicht zu schaffen, falls Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs den Gashahn zudrehe.

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