Von Kultauto zur Modellfamilie: Seit der BMW-Konzern die einstige britische Marke Mini vor 29 Jahren aus den Trümmern des Rover-Konzerns übernahm, wurde aus dem kulleräugigen Kleinwagen – Blaupause für alle modernen Kleinwagen mit quer eingebautem Frontmotor und Vorderradantrieb – eine ganze Bande von Modellen. Nicht alle schlugen bei den Markenfans ein, wie das SUV-Coupé Paceman, das wie platt gedrückt wirkende Mini Coupé oder der Roadster auf gleicher Basis. Trotzdem blieb der Charakter der Autos erhalten – und der Jöh-Faktor, dank dem sie zu Lifestyle-Mobilen avancierten.
Mini im ursprünglichen Sinne ist auch Mini-SUV Countryman schon länger nicht mehr. Aber bei der neuen Generation, frisch an der IAA Mobility in München (5. bis 10. September) enthüllt, langt die BMW-Tochter nun so richtig hin: Weil der Crossover sich die Technik mit dem BMW X1 teilt, legt er um 13 Zentimeter auf 4,43 Meter zu – dahinter könnte man locker einen VW Golf verstecken. Ausserdem ragt neu er volle sechs Zentimeter höher auf und kommt jetzt auf 1,66 Meter. Weil der Radstand wächst und damit der Raum im Fond, bleibt genug Platz für eine um 13 Zentimeter längs verschiebbare Rückbank mit um zwölf Grad neigbarer Lehne. In den Kofferraum passen 460 bis 1450 Liter Gepäck. Mini? Nein, ausgewachsen.
Elektroantrieb und rundes Display
Neu wird der Countryman elektrisch – in zwei Varianten. Ab 2030 will Mini-CEO Stefanie Wurst sogar nur noch Stromer verkaufen. Aktuell sind es bereits 15 Prozent, in zwei bis drei Jahren soll schon die Hälfte aller verkauften Minis elektrisch fahren. Zur Wahl stehen im neuen Countryman ein Fronttriebler mit 204 PS (150 kW) und ein Allradler mit 313 PS (230 kW). Beide speist eine 66,5 Kilowattstunden (kWh) grosse Batterie, die für 462 oder in der stärkeren Version 433 Kilometer Reichweite sorgt. Am Schnelllader braucht sie 30 Minuten fürs Laden von 10 auf 80 Prozent – 130 Kilowatt (kW) Ladeleistung sind vergleichsweise wenig. Aber: Am Wechselstrom beherrscht der Mini auch das Laden mit 22 kW – das können zwar die meisten öffentlichen Ladesäulen, doch noch immer nur wenige Stromer.
Den ganz grossen Schritt macht der Fünfplätzer aber im Interieur. Cool: Wie früher im Ur-Mini prangt in der Mitte ein riesiger Tacho im Format einer 24-Zentimeter-Pizza – und zwar ein komplett virtueller auf dem allerersten runden OLED-Display mit Touchfunktion. Je nach Stimmung und Style lassen sich unzählige Benutzeroberflächen wählen – von Retro über Öko bis zum Gokart-Modus. Der digitale Assistent für die Bedienung lässt sich gar mit einem Avatar versehen, der dann übers Display turnt – den kleinen Hund Spike. Eingespart wurden dafür die winzigen Instrumente à la Motorrad wie im Vorgänger. Stattdessen projiziert ein Head-Up-Display das Wichtigste in die Frontscheibe.
Grosser Schritt beim Interieur
Schluss ist auch mit Billigplastik und windigen Kippschaltern: Das Interieur macht einen echten Qualitätssprung. Vor allem der Stoffbezug auf Cockpit und Türen mit durchscheinender Ambientebeleuchtung oder die edel wirkenden Hebel für die Lüftungsdüsen machen einen echten Unterschied. Aussen erinnern viele Details ans einstige britische Original: Die Rückleuchten zeigen wieder einen halben «Union Jack», die Flagge Grossbritanniens, und die Scheinwerfer erinnern an früher, auch wenn sie jetzt ein sechseckiges Tagfahrlicht umrahmen. Dieser Mini Countryman ist gross, wirkt souverän – und ein bisschen wie aus der Markenidentität herausgewachsen.
An der IAA steht noch der Stromer im Fokus, aber zum Marktstart im Frühjahr solls auch wie bisher Verbrennerversionen geben. Die zwei Benziner leisten 170 PS (125 kW) oder in der Allrad-Topversion John Cooper Works 300 PS (221 kW) – macht das Neunfache der Leistung des Ur-Minis. Vorbei ists mit den Plug-in-Hybriden: Nicht nur in Deutschland ist die staatliche Förderung der Teilzeitstromer ausgelaufen, das macht sie unattraktiver für die Kundschaft. Im ersten Halbjahr 2024 folgt eine Coupé-Version des Countryman namens Aceman – mit rein elektrischem Antrieb. Und die Preise? Stehen noch nicht fest.