Vor 60 Jahren revolutionierte der Mini die Autowelt
Dieser Kleine war der Grösste

Kleiner Motor, Frontantrieb, viel Platz: Als der Mini 1959 lanciert wurde, liess er alle anderen Kleinwagen schlagartig steinalt aussehen.
Publiziert: 29.08.2019 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2021 um 11:07 Uhr
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Gegen den Mini sah ein VW Käfer steinalt aus: Motor vorne, Frontantrieb und die Räder an den Karosserieecken.
Foto: zVg
Andreas Faust

Shocking! Das wird sich die britische Königin Elisabeth II. wohl damals gedacht haben. Britannia war noch brav und bieder, und als echter Royal fuhr man Rolls-Royce oder goldene Kutsche. Und dann tauchte ihre feierfreudige Schwester Margaret plötzlich in diesem Hipster-Karren auf. Die Queen war «not amused».

Was da im August 1959 erstmals von den Bändern der sonst so verschnarchten British Motor Corperation (BMC) rollte, revolutionierte tatsächlich die Autowelt. Frontantrieb, Frontmotor, Schrägheck ohne kastenförmigen Kofferraum – der Mini sah schon vor 60 Jahren aus wie die Blaupause für heutige Bestseller à la VW Golf und Co.

Tüftler statt Ingenieur

So speziell wie das Auto war auch das Leben seines Schöpfers: Alexander Arnold Constantine Issigonis emigiert 1922 aus der Türkei nach England, scheitert am Ingenieursstudium, schafft es aber dennoch irgendwie in die Entwicklungsabteilung von Morris. Trotz seines Morris Minor, einer Art britischem VW-Käfer, geht Morris ein und wird mit Austin zu BMC. Danach fährt Issigonis mit zu teuren Ideen beinahe die Luxusmarke Alvis an die Wand, aber zurück bei BMC wird der Mini sein grosser Wurf. 1969 wird er ihm sogar den Adelstitel einbringen.

Dabei soll der Mini vor allem eines sein: Billig und sparsam, weil nach der Suezkrise 1957 die Spritpreise durch die Decke gehen. Billig heisst für Sir Issigonis knappe Abmessungen; sparsam machen den Mini der Winz-Motor mit 0,85 Litern Hubraum und 34 PS. Issigonis baut ihn erstmals quer ein, klemmt das Getriebe daneben und bringt so auf nur 3,05 Metern Länge einen vergleichsweise üppigen Innenraum hin. Weil das Auto aber nur 620 Kilo wiegt, fetzt es dennoch flink um die Ecken.

Marketing ist alles

Der Mini schlägt derart ein, dass er bis 2000 immer wieder modernisiert, aber im Prinzip unverändert über 5,3 Mio. Mal gebaut wird. Varianten entstehen: beispielsweise der Kombi Countryman, ein Pick-up, das Spassmobil Mini Moke, das wie eine Kreuzung aus Jeep und Badewanne aussieht, oder ein Cabrio. Weil die britische Autoindustrie ab den 70ern am Hungertuch nagt, wird fusioniert, umstrukturiert und 1975 verstaatlicht. Austin, Leyland, Morris, Riley, Rover, Wolseley – ständig ändern sich die Markennamen, aber der Mini bleibt. Und läuft als Innocenti per Lizenzvergabe auch in Italien vom Band.

Auf die Sprünge hilft ihm auch das erste moderne Marketingkonzept der Automobilgeschichte. Issigonis weiss: Billigautos sind nicht sexy. Also sorgt er dafür, dass das innovative Design beworben wird statt kleiner Preis und geringer Durst. Um Lords, Ladies und sogar Royals hinters Steuer zu bekommen, pusht Issigonis den Mini so zum coolen Statussymbol. Die Promis der Swinging Sixties fahren Mini; den Beatles kauft deren Manager Brian Epstein gleich vier Stück und in diverse Filme schaffts der Zweitürer auch.

Rennwagen und Rallyebolide

Spätestens als der Rennwagenbauer John Cooper 1964 einen 78-PS-Motor in den Motorraum quetschte, taugte der Mini auch für den Rennsport. Niki Laudas Karriere beginnt 1968 auf Mini und an der Rallye Monte Carlo fahren vor allem finnische Rallye-Helden wie Rauno Aaltonen zwischen 1964 bis 1967 der Konkurrenz um die Ohren.

Issigonis Karriere endet 1971 als eine Art «verrückter Erfinder vom Dienst», den British Leyland mit Pseudo-Projekten bis zu seinem Tod 1988 beschäftigt. Für den Mini ist 2000 Schluss. Zwei Jahre später steht er unter BMW mit gleichem Konzept zwar wieder auf. Aber danach ist Mini nicht mehr wirklich mini.

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