Erste Fahrt im neuen Elektro-Rolls-Royce Spectre
Echter Luxus ist elektrisch

Dieser Rolls-Royce rollt geisterhaft leise vor: Mit dem Spectre, übersetzt Gespenst, startet das erste Modell der Luxusmarke mit E-Antrieb. Am grossen Auftritt ändert das nichts – im Gegenteil.
Publiziert: 09.07.2023 um 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2023 um 15:25 Uhr
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Geisterhaft leise fährt das neue Luxuscoupé von Rolls-Royce vor.
Foto: James Lipman
Stefan Grundhoff

Der grosse Auftritt braucht den richtigen Ton. In der Disziplin Sound war in den letzten über 100 Jahren kaum eine Marke so souverän wie Rolls-Royce. Lamborghinis kreischen, eine Corvette bollert, aber ein Rolls-Royce säuselt von jeher – obwohl er mehr Zylinder als die allermeisten Krawall-Sportwagen unter der Haube hat. Das ist britisches Understatement.

Doch jetzt ist damit Schluss. Der neue Rolls-Royce Spectre macht nämlich keinen Mucks mehr, mal vom Surren der abrollenden Pneus abgesehen. Zumindest akustisch war man noch nie so unauffällig in einem Auto der britischen Nobelmarke unterwegs. Der Elektroantrieb ist der wahre Luxus. Absolute Stille, keine Vibrationen und man muss auch nicht mehr im Benzindunst die schmierige Zapfpistole in den Tankstutzen hängen. Macht das nicht der Chauffeur? Nein, die meisten Eigner fahren ihr Rolls-Royce Coupé lieber selbst. Zum chauffiert werden hat man dann noch anderes in der Garage.

Wirklich unauffällig ist natürlich nichts am Spectre. Fahrleistungen und Souveränität bleiben, auch wenn er als erster Rolls-Royce seinen Hightech-V12-Verbrenner durch Elektromotoren ersetzt. Das Ergebnis des E-Antriebs ist dabei nicht weniger einzigartig als das Design des 5,47 Meter langen Beaus. Wie seine Ahnen ist das zweitürige Coupé auch unabhängig von den beiden E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse eine Schau.

Voll in Form

Ähnlich dem Wraith setzten die Ingenieure im Hauptquartier im britischen Goodwood ihre Idee eines Luxuscoupés als nicht enden wollenden Fastback-Zweitürer um – mit grandiosen Formen, gigantischen Türen und einem einzigartig gestylten Heck. Und dieser Rolls steht nicht wie ein Schrank im Wind: Der britische Allradler glänzt mit einem cW-Wert von 0,25, der seinen Anteil an Fahrleistungen und dem geringen Geräuschniveau trägt.

Den Zwölfzylinder wird niemand vermissen, denn je Achse arbeiten nahezu geräuschlos zwei Elektromotoren mit vorn 258 PS (190 kW) und hinten 489 PS (360 kW), die aber nie alle PS gemeinsam aktivieren: Die Systemleistung liegt bei 584 PS (430 kW) und einem maximalen Drehmoment von 900 Nm. Das reicht jedoch locker für 250 km/h Spitze und den Spurt auf Tempo 100 in 5,4 Sekunden.

Im Schnellcheck: Rolls-Royce Spectre

Antrieb: 2 Elektromotoren, 584 PS (430 kW), 900 Nm@1/min, 1-Gang-Getriebe, Allradantrieb, Batterie 101,7 kWh, max. Ladeleistung 11 kW/195 kW, Reichweite WLTP/Test 530/430 km
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 4,5 s, Spitze 250 km/h (abgeregelt)
Masse: L/B/H 5,47/2,00/1,56 m, Leergewicht 2890 kg, Kofferraum 380 Liter
Umwelt: Verbrauch WLTP/Test 22,2–23,6/23,8 kWh/100 km, 0 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz A
Preis: ab 408'400 Franken, Testwagen mit Optionen 519'320 Franken

Lorenzo Fulvi

Antrieb: 2 Elektromotoren, 584 PS (430 kW), 900 Nm@1/min, 1-Gang-Getriebe, Allradantrieb, Batterie 101,7 kWh, max. Ladeleistung 11 kW/195 kW, Reichweite WLTP/Test 530/430 km
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 4,5 s, Spitze 250 km/h (abgeregelt)
Masse: L/B/H 5,47/2,00/1,56 m, Leergewicht 2890 kg, Kofferraum 380 Liter
Umwelt: Verbrauch WLTP/Test 22,2–23,6/23,8 kWh/100 km, 0 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz A
Preis: ab 408'400 Franken, Testwagen mit Optionen 519'320 Franken

Gewaltig und gewichtig

Selbst wenn der eine oder andere Kunde mehr erwartet hätte: Er wird seine Meinung revidieren. Das Fahrgefühl im Spectre ist typisch Rolls-Royce – entkoppelt, luxuriös und schlicht spektakulär. Das Fahrwerk vereint Luftfederung, elektronische Dämpfer und Allradantrieb, lässt Fahrzeug und Insassen über alle Unwägbarkeiten des Alltags hinwegschweben.

Allerdings ist auch das Gewicht mit 2,9 Tonnen gewaltig; davon stecken 700 Kilogramm im Batteriepaket mit einer Nettokapazität von 100 Kilowattstunden (kWh). Die genügt für 530 Kilometer Reichweite. Die maximale Ladegeschwindigkeit von 195 Kilowatt dürfte die Kunden ebenso wenig interessieren wie der Normverbrauch von 22,2 kWh auf 100 Kilometern. «Unsere Kunden geniessen es, nicht an eine Tankstelle fahren zu müssen und den Spectre zu Hause laden zu können», stellt Rolls-Royce-CEO Torsten Müller-Ötvös klar.

Sterne für die Stars

Das Innere des mindestens 425'400 Franken teuren Spectre ist – typisch Rolls-Royce – natürlich perfekt verarbeitet und auf Wunsch einzigartig zu individualisieren. War bisher nur der Dachhimmel von Ghost und Phantom sternengleich illuminiert, sorgen im Elektro-Coupé 4796 LED-Sternchen in den Türen für Atmosphäre. Vorn wie hinten sitzen auch Grossgewachsene prächtig.

Mehr Luxus auf vier 23-Zoll-Rädern und mit zwei Türen geht wohl nicht. Dabei ist der Spectre so traditionell wie möglich – siehe die Analoguhr – und nur so digital wie nötig im Infotainment. Wer jetzt den Butler gleich beim Händler anrufen lässt: Vorsicht, die Warteliste reicht weit ins Jahr 2025, während die ersten Exemplare schon Ende dieses Jahres auf die Strasse rollen.

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