Vor elf Jahren war Nissan der Elektro-Star. Mit dem Leaf lancierte der japanische Autobauer das erste nur für Elektroantrieb konstruierte Modell. Aber den Schwung konnte die Marke nicht mitnehmen. Verkaufseinbrüche, Kostenprobleme, der Skandal um Ex-CEO Carlos Ghosn: Es ging nicht weiter mit der Elektro-Offensive. «E-Autos sind preislich auch noch nicht gleichauf mit Verbrennern», sagt Guillaume Carter, Markenchef für Afrika, Europa und Ozeanien.
Gemeinsam mit den Allianzpartnern Renault und Mitsubishi musste Nissan 2020 gar ein massives Sparprogramm aufgleisen. Kurz schien es, als verlasse die Marke Europa. Aber: «Wir bleiben in Europa. Und wir glauben an Europa», sagt Carter, der den Kontinent als Schlüsselmarkt für Elektromobilität sieht. Nissan wird rund 1,26 Milliarden Franken im britischen Werk in Sunderland investieren und den Standort zum Kompetenzzentrum für Batterien, Antriebe und Energie ausbauen. Künftig sollen dort pro Jahr 100'000 E-Autos vom Band laufen. Quasi eine Gigafactory à la Tesla.
Britisch trotz Brexit
Überraschend, angesichts des Brexit und möglicher Zollprobleme. «Die Entscheidung fiel nach dem Brexit», sagt Carter. Der Ausbau sei aber sinnvoll, weil es dort die Infrastruktur für den Export in rund 140 Länder schon gäbe. Das spare Kosten und helfe, E-Autos preislich konkurrenzfähig zu Verbrennern zu machen. Die Elektro-Begeisterten habe man gewonnen – künftig müsse man auch Kostenbewusste ansprechen, sagt Carter.
Nissans Modellpalette wird künftig nur Crossover bieten – vom kleinen Juke bis zum grossen Ariya, der auf einer mit Renault gemeinsamen Plattform stehen wird. Auch der Leaf wird künftig zum kompakten SUV. Bis 2023 sollen 75 Prozent der verkauften Autos in Europa elektrifiziert sein, 2030 sollen nur noch E-Modelle angeboten werden, und ab 2050 will Nissan global komplett CO2-neutral unterwegs sein.
E-Autos ohne Ladestecker
Elektrifiziert heisst dabei nicht rein elektrisch: Je nach Modell wird Nissan die Hybridtechnik E-Tech von Renault nutzen. Aber vor allem der E-Power-Antrieb soll die Brücke zum rein elektrischen Fahren schlagen. Eine Art «Elektroauto ohne Stecker», sagt Europa-Chefentwickler David Moss: Ein E-Motor übernimmt den Antrieb, aber den nötigen Strom produziert ein Generator an Bord per Dreizylinder-Benziner, der mit konstanten Drehzahlen so effizient wie möglich betrieben werden kann.
Ist das energetisch sinnvoll? «Wir sparen uns Getriebe und Ladetechnik an Bord und damit Gewicht», sagt Moss. Und der Kunde müsse sich keine Gedanken übers Aufladen machen. Erster mit E-Power wird Anfang 2022 der frisch lancierte Qashqai sein, im Laufe des Jahres folgt dann der neue X-Trail.