Niemals, niemals, niemals! Als der britische Sportwagenbauer McLaren anfangs 2011 seinen ersten Strassensportwagen einer neuen Generation vorstellte, gabs eine klare Ansage: Niemals werde die Marke ein SUV bauen, niemals voll elektrisch unterwegs sein – vielleicht mit Hybriden – und niemals wieder eine Kooperation mit einem Mitbewerber eingehen.
Offenbar hatte McLaren schlechte Erfahrungen gemacht: Ab 2003 wurde zusammen mit dem Branchenriesen Mercedes der SLR McLaren gebaut. Lieber wollte die Marke künftig allein durchstarten, mit Sportwagen mit Karbon-Fahrgastzellen und in drei Preislagen. Die Rechnung ging auf: McLaren etablierte sich rasend schnell mit immer neuen Varianten auf gleicher Technik-Basis. Aber verpennte einige Trends: Die Konkurrenten Aston Martin und Formel 1 sind längst mit SUVs auf dem Markt, Ferrari wird wohl Ende Jahr passend zum 75. Geburtstag nachziehen. Und auch bei der Elektrifizierung waren Plug-in-Hybride wie der Artura oder einst der P1 nicht genug.
Einbruch im Corona-Jahr
Im Corona-Jahr 2020 gings dann plötzlich abwärts. Die Produktion musste zeitweise gestoppt werden, ausbleibende Auslieferungen drückten die Einnahmen. Vor einem Jahr wurde das mit dem Formel-1-Rennstall McLaren Racing geteilte Hauptquartier im britischen Woking für rund 200 Millionen Euro verkauft, aber gleich wieder zurückgemietet. Zusammen mit frischen Investitionen von Beteiligungsgesellschaften nahm McLaren 2021 immerhin rund 640 Millionen Euro ein. Aber bloss mit Geld entwickelt man noch keine neuen Elektromodelle. Ende Oktober trat CEO Mike Flewitt nach acht Jahren zurück. Ex-Porsche-Chef Michael Macht, frisch als Verwaltungsrat von McLaren gekürt, übernahm interimistisch.
Die Folge: Verkaufsgerüchte im letzten November, die aber sofort von McLaren dementiert wurden. Und doch scheint etwas dran zu sein: Das Autobranchen-Fachblatt «Automobilwoche» meldet, dass um McLaren ein Bieterkampf entbrannt sei. Audi habe ein von 450 auf 650 Millionen Euro massiv erhöhtes Kaufangebot vorgelegt. Und auch BMW solle interessiert sein. Mit dem Münchner Autobauer hatte McLaren noch Ende März vereinbart, gemeinsam eine Plattform für Elektrosportwagen zu entwickeln.
Audi hat die Nase vorn
Laut der «Automobilwoche» dürfte derzeit aber Audi die Nase vorn haben – dank langfristiger Vorarbeit. Und wolle dabei gleich die gesamte Gruppe inklusive des Formel-1-Rennstalls mit übernehmen. Die Verhandlungen mit Audi sollen bereits so weit fortgeschritten sein, dass der Verwaltungsrat des Mutterkonzerns Volkswagen schon Ende April über den McLaren-Kauf entscheiden werde. Damit könnte ein Audi-Einstieg in die Mercedes sozusagen durch die Hintertür erfolgen.
Spannend dabei: Auch Audis Konzernschwester Porsche werden F1-Ambitionen nachgesagt; laut «Automobilwoche» gäbe es entsprechende Verhandlungen mit Red Bull. Allerdings hatte Porsche-CEO Oliver Blume noch im März auf Nachfrage gesagt, Porsche sei mit seinem aktuellen Motorsport-Engagement gut ausgelastet und zufrieden. Ob nur eine oder gleich beide VW-Konzernmarken sich in der höchsten Rennklasse engagieren werden, dürfte eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit der McLaren-Übernahme sein.
Aber ganz gleich, ob McLaren in Eigenregie oder unter einem neuen Besitzer weitermacht: Von den drei «Niemals» von einst wird sich die Marke verabschieden müssen, wenn sie in eine gesicherte Zukunft rollen will.