Das US-Unternehmen Biogen hat zusammen mit seinem japanischen Partner Eisai mit Hilfe des gemeinsam entwickelten Alzheimer-Wirkstoffs den kognitiven und funktionellen Verfall bei Patienten im Frühstadium der Krankheit deutlich verlangsamt. «Das gab es noch nie», kommentiert Octavian-Analyst Michael Nawrath die Ergebnisse.
In Zahlen ausgedrückt: Das Medikament Lecanemab verlangsamt das Fortschreiten der hirnschädigenden Krankheit um 27 Prozent im Vergleich zu einem Placebo.
Das ist auf den ersten Blick wenig, stellt für die Pharmabranche aber einen Durchbruch dar. Alle bislang einsetzbaren Mittel haben das nämlich nicht erreicht. Vielmehr ist Alzheimer-Forschung für viele Konzerne ein enormer Verlustbringer gewesen. Konzerne wie Pfizer etwa haben sich aus diesem Grund komplett aus der Forschung zurückgezogen.
Kaum zugelassene Medikamente bei Alzheimer
Wie der Credit-Suisse-Analyst Lorenzo Biasio kürzlich in einer Studie zum aktuellen Stand in der Alzheimer-Forschung schrieb: «Seit 1995 wurden mehr als 42,5 Milliarden US-Dollar an privaten Ausgaben in Forschungs- und Entwicklungsprojekte für Alzheimer gesteckt, an denen fast 185'000 Patienten beteiligt waren.» Unter normalen Umständen hätte dies ausgereicht, um etwa zwei Dutzend Medikamente zu entwickeln.
Nicht so bei Alzheimer. In den USA sind bislang gerade einmal sechs Medikamente zugelassen, von denen fünf nur auf die symptomatische Behandlung abzielen.
Dabei steht die Branche unter einem enormen Druck. Nach Angaben der Alzheimer's Disease International könnten bis 2050 weltweit 139 Millionen Menschen an Alzheimer erkranken. Bereits heute sind etwa 55 Millionen von dieser verheerenden Krankheit betroffen. Zudem könnten sich die weltweiten Krankheitskosten bis 2030 auf rund zwei Billionen US-Dollar verdoppeln.
Ursache ist immer noch unbekannt
Das Problem bei Alzheimer ist, dass die genaue Ursache der Erkrankung noch immer unbekannt ist. Allerdings weiss man immer mehr über die biologischen Prozesse im Zusammenhang mit der Krankheit, über die Entzündungen im Gehirn oder die Bildung von sogenannten Tangles (fadenartige Bündel) oder Plaques (Ablagerungen).
Unter den Unternehmen, die sich nach wie vor der Alzheimer-Forschung verschrieben haben, sind auch zwei Schweizer zu finden: Roche und das Biotechunternehmen AC Immune. Auch das US-Unternehmen Eli Lilly ist nach wie vor an Bord.
Dabei setzen Roche und Eli Lilly auf einen ähnlichen Ansatz wie es Biogen/Eisai in ihrer Studie getan haben. Sie setzen auf Eiweissablagerungen, die sogenannten von Amyloid-Beta-Plaques. Sie sollen für das Absterben von Nervenzellen verantwortlich sein, indem sie die Kommunikation der Nervenzellen und ihre Versorgung behindern.
Analysten warnen vor zu viel Euphorie
Auch Analysten reagieren zunächst positiv auf die Biogen/Eisai-Daten. Sie erachten die Ergebnisse ebenfalls als eine Bestätigung für die Amyloid-Beta-Theorie. Allerdings warnen sie auch vor zu viel Euphorie. Denn auch wenn Roche und Eli Lilly mit ihren Produktkandidaten den gleichen Amyloid-Beta-Ansatz verfolgten, könnten nur theoretisch ähnlich gute Ergebnisse erwartet werden, betont etwa Octavian-Spezialist Nawrath. «In der Realität aber hat jeder einzelne Kandidat doch andere Eigenschaften und wirkt unterschiedlich.»
Sowohl Roche als auch Eli Lilly dürften in den kommenden Wochen Ergebnisse aus ihren jeweiligen Forschungs-Programmen veröffentlichen. Nach den aktuellen Daten dürfte die Hoffnung am Markt steigen. Immerhin bietet die Alzheimer-Behandlung erhebliches Umsatzpotenzial von mehreren Milliarden US-Dollar. (SDA)