Sondergipfel – Europa will aufrüsten und sich verteidigen
Das ist der EU-Schlachtplan gegen Putin

Europa macht mobil. Beim EU-Sondergipfel am Donnerstag werden die ersten Weichen für die Ukraine-Hilfe und eine eigene Verteidigung gestellt. Es geht um gigantische Summen. Blick erklärt, wie Europa Putin die Stirn bieten will.
Publiziert: 05.03.2025 um 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2025 um 17:42 Uhr
Am Sonntag lud der britische Premierminister Keir Starmer (m.) zu einem Gipfel der «Koalition der Willigen» nach London ein. Anwesend waren auch Wolodimir Selenski (l.) und der französische Präsident Emmanuel Macron.
Foto: imago/i Images

Auf einen Blick

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Guido FelderAusland-Redaktor

Auf Druck von Trump geht plötzlich alles ruckzuck: Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich am Donnerstag zum Krisengipfel, an dem die europäische Hilfe für die Ukraine sowie die eigene Verteidigung aufgegleist werden. 

Die Rede ist von 800 Milliarden Euro, die die europäischen Staaten aufwenden sollen. Eine gigantische Summe – trotzdem bleibt offen, ob das reicht, um Europa zu schützen. Denn die europäische Verteidigung hat eine grosse Schwäche, die Putin in die Karten spielt.

Warum braucht es diesen Sonder-Gipfel?

Nach dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) bei US-Präsident Donald Trump (78) am Freitag fiel Europa kurz in eine Schockstarre. Trump stellte sich nämlich auf die Seite des Kreml-Herrschers Wladimir Putin (72) und kündigte am Montag an, die US-Hilfen an die Ukraine einzustellen. Am Mittwoch zeigte sich Trump jedoch wieder offen für Verhandlungen mit Selenski. 

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Demütigung vor laufenden Kameras: Beim Besuch von Wolodimir Selenski im Weissen Haus kanzelte ihn US-Präsident Donald Trump ab.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Trumps Unberechenbarkeit zwingt Europa zum Handeln. Nach einer kurzfristig anberaumten Konferenz der «Koalition der Willigen» am Sonntag in London treffen sich am Donnerstag die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Sondergipfel. Thema: Unterstützung der Ukraine und europäische Verteidigung. Auch Selenski ist eingeladen.

Was ist vom Gipfel zu erwarten?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) schlägt einen «Plan zur Wiederaufrüstung Europas» vor. Insgesamt sollen gegen 800 Milliarden Euro mobilisiert werden. Das sind fast 70 Mal die Kosten des Gotthard-Basistunnels. 

Von der Leyen plant einen neuen Fonds von 150 Milliarden Euro. Daraus sollen nebst der eigenen Verteidigung auch Militärhilfen für die Ukraine finanziert werden. 

Wer soll das bezahlen?

Finanziert werden soll die Aufrüstung aus mehreren Quellen, darunter aus Milliarden, die innerhalb der EU ursprünglich für Umweltschutzmassnahmen vorgesehen waren. Auch sucht die EU nach Fördertöpfen, die statt für andere Projekte für die Aufrüstung verwendet werden können. 

Die EU will die Regeln lockern, damit die einzelnen Staaten höhere Schulden machen können, ohne deswegen ein EU-Defizitsverfahren befürchten zu müssen. Ins Boot geholt werden sollen zudem Private und auch Banken, bei denen die Hürden für die Finanzierung von Rüstungsprojekten gesenkt werden sollen. 

Ist Widerstand zu erwarten?

Ja. Die Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei, Viktor Orbán (61) und Robert Fico (60), haben Widerstand angekündigt. Beide unterstützen Trumps Kurs für einen Friedensplan und stehen Wladimir Putin nahe. 

Sind auch Nicht-EU-Mitglieder dabei?

Beim Gipfel am Donnerstag handelt es sich um einen reinen EU-Gipfel, an dem Staaten wie Grossbritannien und Norwegen nicht vertreten sind. Wenn es aber um Verteidigung geht, macht es Sinn, wenn Europa auch mit Staaten ausserhalb der EU zusammenarbeitet. 

Wie diese Zusammenarbeit aussieht, ist noch offen. Marcel Berni, Strategieexperte an der Militärakademie der ETH, sagt gegenüber Blick: «Bisher haben sich die Europäer immer auf die kollektive Verteidigung im Rahmen der Nato berufen. Würde diese Sicherheitsgarantie plötzlich wegfallen, müsste Europa enger zusammenrücken – mit der EU-Verteidigungsklausel oder mit Ad-hoc-Bündnissen.» 

Ralph D. Thiele, Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, setzt ebenfalls auf neue Bündnisse: «Wegen ihrer Schwerfälligkeit in der Entscheidungsfindung wird Europa auf Koalitionen der Willigen setzen müssen.» Als «Leitwölfe» zieht Thiele das Tandem Macron-Merz in Betracht. 

Kann Europa ohne USA der Ukraine überhaupt helfen?

Sollten die Amerikaner ihre Unterstützung für die Ukraine endgültig einstellen, könnte Europa nur begrenzt in die Bresche springen. Berni: «Bei Aufklärungsdaten, Logistik und bestimmten Munitionstypen könnte Europa die fehlende amerikanische Unterstützung nicht ersetzen.»

Bis Europa eine schlagkräftige, einheitliche Verteidigung aufbauen kann, dürfte es zudem noch Jahre gehen. Thiele: «Immerhin räumt Frau von der Leyen Hindernisse weg, die unter ihrer Führung die militärische Befähigung der europäischen Mitgliedstaaten lange behindert haben.» Darunter fielen Steuervorteile für US-Rüstungsgüter gegenüber europäischen Rüstungsgütern sowie Strafzinsen bei den Banken für europäische Unternehmen, die in Rüstungsproduktion investieren wollen.

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