Auf einen Blick
Drei Tage, die alles veränderten. Alles begann am Freitag mit dem diplomatischen Eklat im Weissen Haus, als US-Präsident Donald Trump (78) den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) öffentlich vorführte und ein Ultimatum stellte: Entweder eine Verhandlungslösung mit Russland – oder ein Ende der US-Hilfe. Diese Aussage war ein Schock – nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa.
Umgehend trommelte Briten-Premier Keir Starmer (62) für den Sonntag wichtige Staats- und Organisationsoberhäupter – er nannte sie «die Koalition der Willigen» – zu einem Treffen in London zusammen. Das Ziel: Einen Friedensplan für die Ukraine zu entwerfen, der auch Trump befriedigen wird. Denn sollte Trump seine Drohung Ernst machen, stünde Europa vor dem verteidigungspolitischen Abgrund. Doch der Gipfel scheint keine Zuversicht gebracht zu haben. Die zentrale Frage, die jetzt auf dem Tisch liegt, ist so einfach wie bedrohlich: Kann Europa die Ukraine und sich selbst im Ernstfall verteidigen?
Ohne die USA hat die Ukraine ein Problem
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) sagte am Sonntagabend: «Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen.» Sie betonte, dass es nun an der Zeit sei, aufzurüsten. Starmer und auch Italiens Staatschefin Giorgia Meloni (48) betonten nach dem Gipfel zwar, dass man weiterhin eng mit den USA zusammenarbeiten wolle. Doch bisher ist unklar, ob Trump diese Haltung teilt. Was aber klar ist: Sollte sich Washington tatsächlich aus dem Ukraine-Krieg verabschieden, wäre das nicht nur ein schwerer Schlag für Kiew, sondern auch für die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur. Ohne den amerikanischen Schutzschirm müsste der Kontinent über Nacht verteidigungspolitisch erwachsen werden – eine Aufgabe, für die Europa derzeit weder militärisch noch politisch gerüstet ist.
Seit 2022 haben die USA Waffen im Wert von über 75 Milliarden Dollar an die Ukraine geliefert, darunter Himars-Raketenwerfer, Patriot-Flugabwehrsysteme und moderne Panzer. Ohne kontinuierlichen Nachschub würden diese Systeme nach und nach ausfallen, da Munition, Ersatzteile und Wartung fehlen. Ebenso kritisch wäre der Wegfall der US-Geheimdienstinformationen, die für die ukrainische Verteidigung essenziell sind. Auch wirtschaftlich ist Kiew stark von Washington abhängig – ein Ende der US-Hilfen könnte die Ukraine in eine tiefe Finanzkrise stürzen.
Europa müsste all das ersetzen – und zwar schnell.
Kann Europa das alleine hinkriegen?
Die gute Nachricht: Es wäre machbar. Die schlechte: Es würde Europa finanziell, politisch und militärisch an die Grenzen bringen. Eine Studie des «Kiel Instituts für Weltwirtschaft» zeigt, dass die EU ihre Verteidigungsausgaben um 250 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen müsste, um den US-Beitrag zu kompensieren.
Ein zentrales Problem ist die militärische Produktion. Europa müsste in kürzester Zeit mindestens 1400 Panzer, 2000 Infanteriefahrzeuge und 700 Artilleriesysteme bereitstellen – und die Produktion von Drohnen und Munition massiv hochfahren. Gleichzeitig müsste die Zahl der Soldaten um mindestens 300’000 erhöht werden. Zur Veranschaulichung: Deutschland verfügt aktuell über 260’000 Soldaten.
Noch problematischer ist die fehlende militärische Koordination. Während die USA eine zentral gesteuerte Armee haben, ist Europa in 29 nationale Streitkräfte aufgeteilt. Ohne eine engere Zusammenarbeit, etwa durch eine europäische Armee oder gemeinsame Beschaffung, könnte eine schlagkräftige Verteidigung scheitern.
Europas Bewährungsprobe
Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, dass Europa sich auf eine neue sicherheitspolitische Realität einstellen muss. Wenn die Europäer weiterhin auf eine amerikanische Schutzgarantie setzen, die jederzeit entzogen werden kann, machen sie sich erpressbar.
Starmer sieht das anders: Die USA seien seit vielen Jahrzehnten verlässlich gewesen und werden es auch weiterhin sein, betonte er am Sonntag. «Ich akzeptiere nicht, dass die USA als ein unzuverlässiger Verbündeter angesehen werden.» Seine Aussage zeigt: Der europäische Kopf steckt weiterhin im Sand.
Die Alternative ist ein sicherheitspolitischer Kraftakt: höhere Verteidigungsausgaben, eine engere militärische Zusammenarbeit und eine drastische Stärkung der eigenen industriellen Kapazitäten. «Unsere eigene Sicherheit hängt von der Sicherheit Europas ab», sagt der britische Premierminister. Doch konkrete Vorschläge bleiben am Sonntag in London aus. Lediglich Starmer sprach der Ukraine weitere 1,6 Milliarden Pfund (ca. 1,8 Milliarden CHF) für Abwehrraketen zu – 5000 an der Zahl.
Die Frage ist nun, ob Europa aus dieser Krise die richtigen Lehren zieht: Wird es endlich eine eigenständige Verteidigungsstrategie entwickeln – oder bleibt es abhängig von einem Partner, der längst nicht mehr zuverlässig ist?