Vor einem Jahr stand die CDU kurz super, vielleicht sogar fantastisch da. Das ist vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) zu verdanken.
Corona liess den Wahl-Knall von Thüringen und den damit verbundenen Rücktritt von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (58) vergessen. Bis heute ist Deutschland vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen.
Selbst auf dem Höhepunkt gab es in Deutschland nie mehr als 30,7 Fälle auf 100'000 Einwohner pro Tag (7-Tage-Durchschnitt am 23. Dezember 2020). In der Schweiz waren es mit 90 Fällen auf 100'000 Einwohner pro Tag (7-Tage-Durchschnitt am 5. November 2020) zu Spitzenzeiten knapp dreimal so viel.
Doch dann startete Anfang Jahr die Impfaktion. Und das Debakel für Merkel und ihre CDU begann.
Gesundheitsminister Jens Spahn in der Kritik
Als «Impfnationalismus» und «Wahlkampf» wurde Kritik an der deutschen Impfstrategie Anfang des Jahres noch abgetan. Doch 2,5 Monate später ist klar: Deutschland hat erstens zu wenig Impfstoff – und der, der da ist, wird schlecht verteilt.
Obwohl mit Astrazeneca sogar ein Impfstoff mehr zugelassen ist als hierzulande, liegt Deutschland beim Impffortschritt im internationalen Vergleich nur knapp vor der Schweiz. Nur jeder Zehnte hat bisher eine Impfdosis erhalten (in der Schweiz jeder Elfte), nur 3,2 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft (in der Schweiz 3,9 Prozent).
Wegen des enormen Drucks vom angrenzenden Corona-Hotspot Tschechien hat Sachsen nun in einem Grenzgebiet sogar die Impfreihenfolge aufgehoben. Und auch der Start der Selbsttests läuft schleppend – offiziell sind sie seit vergangenem Wochenende bundesweit erhältlich, in der Realität aber überall ausverkauft.
Schuld am Desaster: Gesundheitsminister Jens Spahn (40). Der «Spiegel» fordert in einem Leitartikel bereits seinen Rücktritt. Dem jungen CDU-Politiker wird vorgeworfen, zu viele Versprechungen gemacht und dann nicht geliefert zu haben.
Abgelenkt haben ihn offenbar eigene Karriereplänen: Mitten in der Krise sondierte er, ob er bei der Bundestagswahl im September der CDU-Kanzlerkandidat werden könnte. Zudem wurde kürzlich bekannt, dass Spahn im Herbst an einem grossen Dinner mit Spendern teilnahm – am Tag darauf wurde er positiv auf das Coronavirus getestet.
CDU-Abgeordnete kassierten bei Schutzmasken ab
Und als wäre das nicht genug für Kanzlerin Merkel und ihre CDU, beschäftigt die Regierungspartei nun auch noch eine hässliche Maskenaffäre.
Zwei Bundestagsabgeordnete – Nikolas Löbel (CDU, 34) und Georg Nüsslein (CSU, 51) – sind bereits zurückgetreten, weil sie die Corona-Krise ausgenutzt haben, um kräftig Kasse zu machen. Nüsslein soll im Rahmen von Auftragsvergaben für Corona-Schutzmaterial 660'000 Euro Provision erhalten haben; Löbel offenbar 250'000 Euro für die Beschaffung von Schutzmasken für Unternehmen. Diese und weitere Fälle werden untersucht.
Ein Jahr nach Pandemie-Beginn und sechs Monate vor der Bundestagswahl steht die Partei der Kanzlerin schlecht da. Impfdebakel und Maskenaffäre beschäftigen die Partei, während die dritte Welle heranrollt.
Und ausgerechnet jetzt stehen Landtagswahlen in zwei wichtigen Bundesländern an. Am Sonntag wählen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein neues Parlament – und die CDU kann sich auf ein Wahldebakel einstellen.
IMAGE-ERROR (Image)Drohender Absturz in Baden-Württemberg
Hier kommt die CDU laut den neusten Umfragen von «ZDF» und «Bild» nur noch auf 24 bis 25 Prozent. Bei den letzten Landtagswahlen waren es noch 27 Prozent – ein historisch schlechtes Ergebnis. Damals stürzte die CDU um 12 Prozentpunkte ab.
Weil der Trend klar nach unten geht, würde es Wahlbeobachter nicht überraschen, wenn die CDU nicht mal mehr ein Viertel der Stimmen erhält. Das wäre erstens ein peinliches Ergebnis für die Christdemokraten, für die das mit 11 Millionen Einwohnern drittgrösste Bundesland früher eine «sichere Nummer» war. Erst die Atomkatastrophe in Fukushima beendete 2011 die Dominanz der Konservativen und katapultierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (72) als bundesweit bislang einzigen Grünen an die Landesspitze.
Und zweitens droht der CDU auch der Verlust der Regierungsbeteiligung. Stürzt sie auf 24 Prozent ab, wäre eine «Ampelkoalition» (Grüne, SPD und FDP) wahrscheinlicher als eine Fortsetzung von Grün-Schwarz.
Trend in Rheinland-Pfalz geht weiter runter
Hier ist die Ampelkoalition bereits Realität. Und es sieht nicht so aus, als würde sich daran was ändern. Zwar kommt die CDU laut den neusten Umfragen von «ARD», «ZDF» und «Bild» auf 28 bis 30 Prozent. Doch mit der Regierungsbeteiligung wird es vermutlich wieder nichts.
Im Jahr 2016 kamen die Christdemokraten noch auf 31,8 Prozent – und büssten damals schon 3,4 Prozentpunkte ein. Von alten Spitzenwerten sind sie weit entfernt. Auch hier zeigt der Trend klar nach unten.
Was bedeutet das für die Bundestagswahl?
Wie das Ergebnis tatsächlich ausfällt, bleibt abzuwarten. Doch der Trend für die CDU zeigt in beiden Bundesländern klar nach unten. Das ist sechs Monate vor der Bundestagswahl ein verheerendes Signal.
Denn bei der Bundestagswahl im September muss die CDU zusätzlich ohne ihr Zugpferd Angela Merkel auskommen. Die Kanzlerin zieht sich nach 16 Jahren an der Spitze der Republik zurück.
Der gemeinsame Spitzenkandidat von CDU und CSU steht noch nicht fest. Neu-Parteichef Armin Laschet (60), Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hätte den Vorzug. Bislang hat er noch nicht mit Führungsstärke überzeugt. Die erwartbare Niederlage in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dürfte ihn weiter Boden kosten.
Möglicherweise nützt das Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, 54). Wenn Laschet freiwillig nicht kandidiert, könnte der CSU-Mann der Kanzlerkandidat werden. Der Bayer liegt bei Beliebtheitsumfragen in der Bevölkerung seit Monaten weit vor Laschet.
Damit werden die beiden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht nur für die CDU zu Schicksalswahlen – sondern möglicherweise auch für die beiden Spitzenpolitiker persönlich.