Alle ab 18 werden geimpft – ohne Priorisierung
Sachsen wagt ein gefährliches Impf-Experiment

Bewohner des Vogtlands in Sachsen (D) werden ab jetzt bevorzugt geimpft. Es gibt gute Gründe – dafür wie dagegen.
Publiziert: 11.03.2021 um 16:46 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2021 um 13:36 Uhr
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Corona-Impfung für alle: Das gilt jetzt im Vogtlandkreis (D).
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Eigentlich liegt das Vogtland in Sachsen am Rand von Deutschland. Nun steht das Grenzgebiet plötzlich im Zentrum der Impf-Debatte. Denn hier gibt es die Corona-Impfung für alle – ohne Priorisierung.

Alle ab 18 Jahren sollen ab sofort die Spritze bekommen können! Diese Sensation kündigte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (62, SPD) am Dienstagabend an. Weder Alter noch Beruf oder Risikofaktoren spielen eine Rolle.

Bei der Eröffnung des zweiten Impfzentrums im Corona-Hotspot bekräftigte die Politikerin am Mittwoch den Plan des Freistaats. Auch Impfbusse sollen nach «Spiegel»-Recherchen zum Einsatz kommen, um das Vogtland schnellstmöglich von der Pandemie «freizuimpfen». Zudem dürfen ab Ende Woche 40 Hausarzt-Praxen im ganzen Bundesland impfen. Bevorzugt wird Astrazeneca eingesetzt.

Vogtland hat so viele Fälle wie Waadt, Genf und Wallis

Der Grund für die neue Impf-Strategie: Die 3. Welle, die in Tschechien – woran das Vogtland direkt angrenzt – aktuell besonders schlimm wütet. Die Sorge ist gross, dass sich das Virus dadurch auch im Vogtland noch schneller ausbreitet und dann angrenzende Gebiete erfasst.

Bereits jetzt hat der Vogtlandkreis mit rund 254 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnern (7-Tage-Inzidenz) deutschlandweit die fünfthöchsten Infektionszahlen. Zum Vergleich: Das ist ähnlich hoch wie aktuell in der Waadt (rund 265 pro 100'000 Einwohner), Genf (rund 262) und dem Wallis (rund 243).

Das Impf-Experiment im Vogtland ist deutschlandweit einzigartig. Allerdings hatten die Ministerpräsidenten von Sachsen und Bayern bereits Anfang März entsprechende Pläne für ihre Bundesländer vorgelegt. Auch Experten bemängeln seit längerem, dass die strenge Priorisierung und Terminvergabe möglicherweise unnötig Ressourcen verschwendet.

Kritik am Impf-Experiment im Vogtland

Einzelne Bundesländer setzten sich bereits über die Impfordnung hinweg. Als sich der Astrazeneca-Impfstoff zum Ladenhüter entwickelten, gaben mehrere Bundesländer ihn auch etwa für Lehrkräfte frei.

Die Kritik am Impf-Experiment im Vogtland allerdings ist gross. Denn bislang hat der Freistaat Sachsen noch nicht erklärt, wo die Impfdosen herkommen sollen. Die Befürchtung: Wird der Impfstoff im Vogtland in grossen Mengen auch an Jüngere abgegeben, fehlt er in anderen Landkreisen vielleicht für Ältere – die für schwere Verläufe viel gefährdeter sind.

«Bitte noch nicht gleich losstürmen und die Hausärzte im Vogtland alle überrennen», bat Sachsens Sozialministerin Petra Köpping die Menschen im Vogtlandkreis vermutlich auch deshalb. Ob die Bitte angesichts der hohen Fallzahlen durchdringt? Unwahrscheinlich.

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