Auf einen Blick
Das Gefängnis von Saydnaya thront auf einem kahlen Hügel, ist umgeben von einer meterhohen Mauer und Stacheldraht. Es stinkt nach aufgebohrtem Beton, nach Kanalisation, nach Verbranntem. Zwei Dutzend Autos parkieren vor dem Haupteingang. Männer und Frauen durchwühlen lose Blätter und Hefte, die verstreut auf einer Mauer liegen. «Ich suche meinen Sohn, Abdul. Er wurde 2014 festgenommen und hier eingesperrt», sagt Aboud Abdullah Zef, während er ein Foto des jungen Mannes in die Kamera hält.
Blick war im Innern von Assads Horror-Knast. Und traf auf verzweifelte Menschen, Foltergeräte – und einen letzten Schimmer Hoffnung.
Seine Frau habe Abdul 2017 im Gefängnis besucht, sagt Aboud Abdullah Zef weiter. «Unser Sohn sagte ihr, sie solle nicht mehr vorbeikommen. Weil die Gefangenen, die Besuch erhalten, danach geschlagen und bestraft würden», erzählt Zef. «Später sagte uns die Regierung, Abdul sei bereits 2014 gestorben. So spielt Assad mit den Menschen, so foltert er sie.»
Grauenhafte Zustände
Rettungskräfte haben die Gefängnismauern an mehreren Stellen durchbohrt. Endlose Gänge, in denen sich eine Zelle an die andere reiht. Fensterlose Räume, manchmal mit einem Loch im Boden, als WC. Überall liegen Kleider verstreut. An den Wänden stehen Sprüche, wie «Allah, erlöse mich!».
Ein Sicherheitsbeamter erzählt, dass hier innert zwei Jahren 45'000 Menschen gestorben seien: Viele wurden umgebracht, manche fielen den Bedingungen zum Opfer.
Im Untergeschoss stinkt es so extrem nach Fäkalien, dass man es kaum aushält. Die Zellen erinnern an Duschkabinen mit einem kleinen Vorraum. Vielleicht sechs Quadratmeter gross. Sieben Menschen sollen sich so eine Zelle geteilt haben, erzählt der Beamte weiter.
Tausende frei, Tausende immer noch vermisst
Letzte Woche befreiten Rebellen die Gefangenen von Saydnaya. Etwa 3000 Männer, Frauen und Kinder kamen frei. Doch von Tausenden fehlt jede Spur. Die Menschen vor dem Haupteingang suchen verzweifelt nach Namen und Informationen in den Dokumenten, die nach dem Abzug der syrischen Armee zurückgeblieben sind. Ein Gerücht besagt, dass es unter dem Gefängnis ein zweites gibt, wo noch Überlebende sein könnten. Tagelang haben Rettungskräfte nach ihnen gesucht. Sie haben keine Tunnel, Leitungen oder sonstige Hinweise gefunden, die das Gerücht stützen würden.
Aboud Abdullah Zen glaubt trotzdem daran. Er fleht: «Bitte, wir brauchen Hilfe von Experten aus dem Ausland und bessere Maschinen, dann können wir diese Menschen vielleicht retten!» Für ihn ist das Gerücht ein letzter Schimmer Hoffnung.
45'000 Tote in zwei Jahren
Indes deutet alles darauf hin, dass Zehntausende hier getötet und verbrannt wurden. In einem Raum steht eine riesige Metallpresse. Damit sollen die Gefängniswärter die Leichen flach gepresst haben, um sie einfacher verbrennen zu können.
Yaser Al-Haj ist extra aus Raqqa angereist, um nach seinem Bruder zu suchen. «Er wurde 2017 an einem Checkpoint verhaftet», erzählt er. Seine Mutter habe den Bruder zweimal besucht. Er sei immerhin gesund gewesen. «Seit zwei Jahren haben wir nichts mehr von ihm gehört.»
Die meisten syrischen Rettungsteams sind aus Saydnaya abgezogen. Die neue Regierung der Hai’at Tahrir asch-Scham (HTS) hat angekündigt, das Gefängnis zu einem Museum aufzubauen.