Auf einen Blick
- Mohammed al-Baschir wird Übergangsregierungschef in Syrien nach Assads Sturz
- Al-Baschir war zuvor Chef der «Syrischen Heilsregierung» in Idlib
- In Syrien herrschte fast 14 Jahre lang Bürgerkrieg
Bislang war er der Chef der sogenannten «Syrischen Heilsregierung» im von Oppositionellen kontrollierten Idlib im Nordwesten Syriens. Nun soll Mohammed al-Baschir (40) die Übergangsregierung in Damaskus und damit vorübergehend die Geschicke eines nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg extrem gespaltenen und zerrütteten Landes leiten.
Nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad (59) ernannte die islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) den Diplomingenieur am Dienstag zum Chef einer nationalen Übergangsregierung. Al-Baschir sagte im ersten Interview in seiner neuen Funktion im Sender Al-Dschasira, es sei an der Zeit, dass das syrische Volk «Stabilität und Ruhe geniesst, versorgt wird und weiss, dass seine Regierung da ist, um ihm die benötigten Dienste zur Verfügung zu stellen.»
Erst Entwicklungsminister, jetzt Regierungschef
Al-Baschir wurde 1983 in Dschabal Al-Sawija in der Provinz Idlib geboren. Nach dem Studium der Elektrotechnik an der Universität Aleppo und des Islamischen und Zivilen Rechts an der Universität Idlib arbeitete al-Baschir zunächst für die staatliche Gasgesellschaft Syriens und war lange Zeit gänzlich unbekannt.
Nach Jahren des Bürgerkriegs, der 2011 begann, wurde seine Heimatregion zur letzten Bastion der bewaffneten Regierungsgegner. In den vergangenen Jahren kontrollierten die HTS-Miliz und mit ihr verbündeten Gruppen das Gebiet, 2017 riefen die Islamisten ihre «Heilsregierung» aus. Al-Baschir begann seine politische Laufbahn dort als Entwicklungsminister, im Januar wurde er dann Regierungschef. Die Regierung in Idlib hat eigene Ministerien sowie Justiz- und Sicherheitsbehörden und versorgt die von der staatlichen Infrastruktur abgeschnittene Bevölkerung in den oppositionellen Gebieten mit Dienstleistungen.
Al-Baschir steht vor «immensen Herausforderungen»
Dem HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani (42) zufolge verfügen die Behörden in Idlib – auch wenn die Stadt klein ist und es ihr an Ressourcen mangelt – «über ein hohes Mass an Erfahrung» und sind in mancher Hinsicht «sehr erfolgreich» gewesen. Die neue Regierung müsse allerdings auch auf erfahrene Vertreter der bisherigen Verwaltung Syriens zurückgreifen, sagte al-Dschulani.
Ein am Montag veröffentlichtes Video zeigte den ersten Auftritt al-Baschirs ausserhalb von Idlib. Der bärtige Mann ist darin – in einem eleganten grauen Anzug und mit einer goldenen Uhr – an der Seite von al-Dschulani und dem scheidenden Regierungschef Mohammed al-Dschalali zu sehen.
In Syrien existieren zahlreiche Gruppierungen mit verschiedenen Interessen und Zielen, die zudem von unterschiedlichen Akteuren im In- und Ausland unterstützt werden. Eine Führungsrolle auf nationaler Ebene in dem gespaltenen Land lässt sich also nicht mit der Verwaltung einer fünf Millionen Einwohner zählenden Rebellenregion vergleichen. Laut dem Experten Radwan Ziadeh vom Arabischen Zentrum in Washington sind die «Herausforderungen», denen sich der neue Übergangsregierungschef al-Baschir stellen muss, «immens».