Eigentlich wollten die Abgeordneten und Senatoren am Mittwoch zusammenkommen, um das Wahlergebnis der 538 Wahlleute offiziell zu bestätigen und Joe Biden (78) damit zum 46. Präsidenten der USA zu erklären.
Doch bevor es so weit war, musste die Sitzung plötzlich abgebrochen werden. Denn draussen vor der Tür wütete ein zorniger Mob. Trump-Anhänger stürmten das Kapitol. Die Randalierer zerschlugen Fenster und verschafften sich nach wenigen Minuten Zugang zum Inneren des Gebäudes.
Politiker müssen Schutzhauben tragen
Die Parlamentarier und andere im Raum anwesenden Personen werden evakuiert, einige müssen aber auch im Sitzungszimmer ausharren. Sie kauern auf dem Boden. Auf Bildern ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte mit gezückten Waffen bereitstehen.
Um den Saal sicher verlassen zu können, müssen die Politiker spezielle Masken anziehen. Auch die «Politico»-Journalistin Olivia Beavers hat ein sogenanntes «Escape Hood» bekommen. Gemäss Beschreibung handelt es sich um ein «schützendes, luftreinigendes Flucht-Atemschutzgerät». Die Haube soll den Träger beispielsweise vor Tränen- oder Rauchgas schützen.
Auf Twitter postet sie ein Bild von sich unter der Haube und schreibt: «Dies ist die Gasmaske, die wir kurz vor unserer Evakuierung erhalten haben, im Falle, dass Tränengas etc. eingesetzt würde.» Sie berichtet von dramatischen Szenen. «Meine Hände zittern. Ich kann gar nicht richtig wiedergeben, wie die Angst gerade durch das Haus strömt, beim Geräusch, wie die Gasmasken ausgepackt werden.»
Nach einer Weile habe sie sich jedoch entschieden, den Plastikschutz abzuziehen, da es schwierig gewesen sei, «alles um mich herum darin zu sehen».
«Wir wurden evakuiert»
Auch der Republikaner Alex Mooney und der demokratische Abgeordnete David Trone twitterten Selfies mit der Haube. «Ich bin in Sicherheit», schrieb Mooney. «Wir wurden evakuiert. Lassen Sie mich eins klarstellen: Wir lassen uns von dieser gesetzlosen Einschüchterung nicht aufhalten», postete David Trone.
Die Evakuierung verlief am Ende reibungslos, verletzt wurde niemand. Im Gegensatz zu den Demonstranten. Eine Trump-Anhängerin wurde im Gebäude angeschossen und verstarb später im Spital. In der Umgebung des Kapitols kamen drei weitere Personen ums Leben. Nähere Informationen zu den Umständen sind bisher nicht bekannt.
Trump verspricht «geordnete Übergabe»
Am Donnerstag konnten die Abgeordneten ihre Sitzung nach den Krawallen fortsetzen. Der amtierende republikanische Vizepräsident Mike Pence verkündete im Kongress schliesslich die Anzahl der Elektorenstimmen für die demokratischen und republikanischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten. Die Wahlleute aus den Bundesstaaten bestätigen Bidens klaren Sieg.
Donald Trump äusserte sich im Anschluss in einer Stellungnahme wie folgt: «Auch wenn ich mit den Resultaten der Wahlen überhaupt nicht einverstanden bin und die Fakten meine Ansicht bestätigen, wird es am 20. Januar eine geordnete Übergabe der Macht geben.»
Während für Biden demnächst ein neues Kapitel beginnt, hört es für Trump relativ unschön auf. Möglicherweise muss er das Weisse Haus sogar noch vor dem offiziellen Termin am 20. Januar räumen. Mitglieder des Kabinetts hätten bereits darüber beraten, berichten US-Medien. Ein versöhnliches Ende seiner Amtszeit ist also kaum in Sicht. (man)