«Ich habe mich 16 Stunden im Büro versteckt»
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US-Abgeordneter Don Beyer:«Ich habe mich 16 Stunden im Büro versteckt»

US-Abgeordneter Don Beyer war während der Erstürmung im Kongress
«Was Trump getan hat, ist Verrat»

Der Abgeordnete Don Beyer, ehemaliger US-Botschafter in Bern, hat die Belagerung hautnah miterlebt. BLICK erzählt er, wie er den Tag erlebt – und was jetzt mit Donald Trump passiert.
Publiziert: 07.01.2021 um 10:38 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2021 um 10:45 Uhr
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Don Beyer sitzt seit sechs Jahren im Repräsentantenhaus.
Foto: Screenshot
Interview: Daniel Egli und Fabienne Kinzelmann

Washington, weit nach Mitternacht. Don Beyer (70) ist noch immer in seinem Büro. Der ehemalige US-Botschafter in Bern ist Kongressabgeordneter in Washington. BLICK erreicht ihn nur Stunden nach der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Unterstützer. Das Interview findet per Videocall statt – kurz bevor er wieder zur offiziellen Auszählung der Wahlleute-Stimmen muss, die bei der Belagerung nur unterbrochen wurde.

BLICK: Zuallererst: Geht es Ihnen gut?
Don Beyer: Ich bin zum Schutz seit 16 Stunden in meinem Büro. Ich war nicht persönlich in Gefahr, aber sie haben draussen ein paar Rohrbomben und einen Van voller Molotowcocktails gefunden. Vier Menschen sind in dem Chaos gestorben – eine durch eine Kugel, die anderen durch medizinische Notfälle. Es ist ein sehr trauriger Tag für die amerikanische Geschichte. Wir standen wie eine Bananenrepublik da.

Ist es jemals vorgekommen, dass das amerikanische Parlament gestürmt wird?
Das letzte und einzige Mal, dass das Kapitol gestürmt wurde, war im Krieg von 1812. Aber das waren damals die Briten, eine ausländische Regierung.

Wer ist für den Angriff verantwortlich?
Er wurde von unserem eigenen Präsidenten heraufbeschworen, das ist das Traurigste daran. Unserem Präsidenten, der nachweislich 20'000 Lügen erzählt hat – mit Abstand der schlechteste Präsident in der amerikanischen Geschichte. Er kommt nicht über diese Fantasie hinweg, dass er die Wahl gewonnen hat. Also hat er seine Unterstützer aufgehetzt, die sich ihm kultähnlich unterwerfen. Er hat ihnen eingeredet, dass er gewonnen hat und dass sie etwas gegen das Unrecht unternehmen müssten, das ihm angetan wurde. Sie haben sogar die Flagge der Konföderierten in den Kongress gebracht, was nicht mal beim Bürgerkrieg in den 1860er-Jahren passierte. Statt Amerika-Flaggen hatten die Protestierenden Trump-Flaggen. Das zeigt, dass es nicht um Patriotismus und die amerikanische Verfassung ging, sondern um Ergebenheit gegenüber diesem traurigen, verwirrten Mann.

Was passiert nun mit Donald Trump?
Er wird noch zwei Wochen im Amt sein. Viele von uns würden ihn gerne noch mal impeachen, aber die Zeit reicht vermutlich nicht. Die US-Verfassung kennt aber den 25. Zusatzartikel. Dieser würde es dem Kabinett, seinen engen Beratern, erlauben, ihn für psychisch nicht fit zu erklären und aus dem Amt zu entfernen. Es gibt schon Gerüchte, dass Leute wie Vizepräsident Mike Pence, der Aussenminister und der Verteidigungsminister gerade genau darüber diskutieren. Was Trump gemacht hat, ist klar kriminell, unmoralisch und Verrat.

Sind die Republikaner mitschuldig an dem Washington-Wahnsinn?
Es gibt in beiden Parteien viele verantwortungsbewusste Politiker. Bei der Stimmauszählung wurden einige Ergebnisse angezweifelt, das war nicht gut, aber es kam zu Abstimmung und die Einsprüche wurden aber abgelehnt. Das ist der richtige Weg, sowas in einem Rechtsstaat zu machen. Es ist so ironisch, dass ausgerechnet Donald Trump Recht und Ordnung für sich in Anspruch nimmt – seine Anhänger aber genau zum Gegenteil auffordert: Dazu, sich das Recht einfach zu nehmen.

Was kommt auf Joe Biden zu, wenn er am 20. Januar sein Amt antritt?
Eine der grössten Herausforderungen für Joe Biden wird sein, die Nation zu heilen. Alle wieder zusammenzubringen. Donald Trump ist der einzige Präsident in der amerikanischen Geschichte, der versucht hat, uns zu spalten – ein Amerikaner gegen den anderen. Und er hat einen guten Job gemacht. Jetzt brauchen wir jemanden, der uns wieder zusammenbringt.

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