Während die Welt ungläubig in die Hauptstadt der USA blickte und sich fragte, wie es ein wütender Mob bis ins Innere des Washingtoner Kapitols schaffen konnte, feierten die Erstürmer sich selbst und den kurzen Moment des Triumphs ausgiebig.
Ernsthaft Angst vor Konsequenzen hatten die wenigsten von ihnen. Kaum einer vermummte sich bei dem unrühmlichen Streifzug durch den Sitz des Kongresses. Im Gegenteil: Auf Videos und Fotos posierten die Protagonisten des Tumults und machten sich so selber zum Gesicht des Aufstands.
Die Justiz dürfte zumindest die Rädelsführer des Kapitol-Sturms deshalb einfach ausmachen können. Die Auswahl an begangenen Delikten ist gross, die dafür vorgesehenen Strafen heftig.
Ausgerechnet Trump sorgte für Verschärfung
Die Vorwürfe reichen von Einbruch, Hausfriedensbruch, Vandalismus und Handlungen gegen die öffentliche Gewalt bis hin zur missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Folgenschwer könnte für den Mob aber eine Exekutivanordnung werden, die ausgerechnet US-Präsident Donald Trump (74) noch im Juni während der «Black Lives Matter»-Proteste erlassen hatte.
Nachdem es während Demonstrationen im Sommer wiederholt zu Beschädigungen an Regierungsgebäuden und Statuen gekommen war, sollte die «Zerstörung von Bundeseigentum» künftig vollumfänglich strafrechtlich verfolgt und mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Sollte die Stürmung des Kapitols gar als Putschversuch gewertet werden, könnte das Urteil sogar noch strenger ausfallen.
«Das sind keine Bagatell-Delikte»
Dass die Beteiligten vermutlich aus allen Ecken des Landes kamen und einige von ihnen Washington womöglich bereits wieder verlassen haben, dürfte sie vor der Strafverfolgung nicht schützen. Mehrere US-Bundesstaaten haben bereits angekündigt, Ermittlungen starten zu wollen.
Gegenüber der «Washington Post» sagte Brian Frosh, Generalstaatsanwalt von Maryland: «Dies sind teilweise wirklich schwere Straftaten. Sie versuchten, die Wahl von Joe Biden zu stoppen und die Arbeit des Kongresses zu behindern. Das sind keine Bagatell-Delikte»
Auch das FBI hat sich mittlerweile eingeschaltet. Mit einem Aufruf werden Zeugen gesucht, die Hinweise zur Täterschaft machen können. Auch Bilder oder Videos vom Sturm auf das Kapitol sollen von der Behörde gesichtet und die Verantwortlichen so ausfindig gemacht werden.
Begnadigt der Präsident die Kapitol-Stürmer?
Hunderte Trump-Anhänger hatten sich am Mittwoch in der US-Hauptstadt für eine Rede des Präsidenten versammelt und zogen anschliessend zum Kapitol, wo es später zu den wüsten Ausschreitungen gekommen ist. Gemäss CNN wurden bis am Mittwochabend (Ortszeit) über 50 Menschen festgenommen.
Tatsächlich besteht die Möglichkeit, dass Trump sie als Noch-Präsident alle begnadigt. Allerdings ist ziemlich fraglich, ob Trump angesichts der harschen Kritik selbst aus dem republikanischen Lager zu diesem extremen Mittel greifen würde. Hinzu kommt: Donald Trump selber steht nach den Ereignissen vom Mittwoch enorm unter Druck. Von verschiedener Seite wird ein Amtsenthebungsverfahren gefordert, weil der US-Präsident die Menge zu der Erstürmung des Kapitols angestachelt haben soll.