«Taliban bekämpfen sich gegenseitig»
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Ali Maisam Nazary:«Taliban bekämpfen sich gegenseitig»

Blick-Interview mit Ali Maisam Nazary, dem Sprecher des afghanischen Widerstands
«Die Taliban bekämpfen sich gegenseitig»

Mit allen Mitteln versucht die Nationale Widerstandsfront Afghanistan das Taliban-Regime zu stürzen. Blick sprach mit Ali Maisam Nazary (32), der von den USA aus den Widerstand koordiniert, über den Erfolg seiner Truppen, die Rolle der Schweiz und das Flüchtlingsdrama.
Publiziert: 25.12.2021 um 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 01.01.2022 um 11:03 Uhr
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Er führt den Widerstand gegen die Taliban im Ausland an: Ali Maisam Nazary, Chef für Aussenbeziehungen der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRF) und Berater von Kommandeur Ahmad Massoud.
Foto: zVg
Guido Felder

Seit der Machtübernahme am 15. August herrschen in Afghanistan die islamistischen Taliban. Das Land wurde im Fortschritt um Jahrzehnte zurückgeworfen. Doch es regt sich Widerstand: Die vertriebene Regierung zieht im Ausland die Fäden, während die Nationale Widerstandsfront die Taliban in den Provinzen zurückdrängt.

Ali Maisam Nazary (32), Sprecher des Widerstands, erzählt im Interview mit Blick, dass die Guerillatruppen Provinz um Provinz zurückerobern und es nur eine Frage der Zeit sei, bis die unter sich zerstrittenen Taliban gestürzt würden.

Herr Nazary, wie schlimm ist die Lage zurzeit in Afghanistan?
Es herrscht eine humanitäre Krise, wie wir sie in den vergangenen 50 Jahren nie erlebt haben. Statt mehr Sicherheit gibt es Anarchie. Rund die Hälfte der knapp 40 Millionen Afghanen leiden an Hunger. Die sogenannte Regierung wird von Analphabeten geführt, die weder Erfahrung noch Talent haben. Ihre Mitglieder – alles Terroristen – haben Blut an den Händen.

Wie spüren die Afghanen den Terrorismus?
Es finden Exekutionen auf den Strassen statt, es gibt Menschen- und Drogenhandel. Die Taliban haben Tausenden Al-Kaida-Dschihadisten die Rückkehr erlaubt, sie mit US-Waffen und -Fahrzeugen ausgerüstet und ihnen sogar die Kontrolle der Grenze zu Tadschikistan übergeben. Auch der IS macht sich an vielen Orten des Landes bemerkbar.

Berater des Widerstands-Kommandeurs

Ali Maisam Nazary (32) ist Chef für Aussenbeziehungen der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRF) und Berater von Kommandeur Ahmad Massoud (32). Er studierte Politwissenschaften in Los Angeles und an der London School of Economics. Am 18. August, drei Tage nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban, trennten sich die führenden Köpfe, um den Widerstand zu organisieren: Während Nazary von Washington D.C. weltweit die Fäden des Widerstands zieht, kämpft Massoud in Afghanistan an verschiedenen Fronten gegen die Taliban.

Ali Maisam Nazary (32) ist Chef für Aussenbeziehungen der Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan (NRF) und Berater von Kommandeur Ahmad Massoud (32). Er studierte Politwissenschaften in Los Angeles und an der London School of Economics. Am 18. August, drei Tage nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban, trennten sich die führenden Köpfe, um den Widerstand zu organisieren: Während Nazary von Washington D.C. weltweit die Fäden des Widerstands zieht, kämpft Massoud in Afghanistan an verschiedenen Fronten gegen die Taliban.

Als Berater der vertriebenen Regierung helfen Sie mit, den Widerstand zu organisieren. Wie ist dieser aufgebaut?
Die offiziellen, vertriebenen Regierungsmitglieder ziehen vom Ausland aus die Fäden. Im Land selber kämpft die Nationale Widerstandsfront unter der Führung von Ahmad Massoud, dem Sohn des 2001 getöteten afghanischen Nationalhelden Ahmad Schah Massoud.

Wie kommt er voran?
Wir sind auf dem Vormarsch. Im September hatten wir noch zwei der insgesamt 34 Provinzen beherrscht, inzwischen sind es schon sechs. Wir setzen auf Guerillataktik, um die bis an die Zähne bewaffneten Taliban zu vertreiben. Mit dieser Taktik haben wir schon die Sowjets aus dem Land verjagt.

Vor kurzem twitterte Ahmad Massoud, dass sich «der Anfang des Endes der Taliban» schnell nähere. Was macht ihn so sicher?
Die Taliban können keinen Staat führen. Im Gegensatz zu ihrer Herrschaft vor 20 Jahren sind sie heute gespalten, weil sie keinen gemeinsamen Führer haben. Mehrere Splittergruppen streiten um die Macht und bekämpfen sich gegenseitig. Wenn man von Attentaten hört, handelt es sich nicht immer um IS-Angriffe. Es ist eine Frage der Zeit bis zur Implosion der Taliban.

Wann wird es so weit sein?
Eine Zeit kann ich nicht sagen, aber es wird schon bald sein. Der Druck auf sie steigt. Die Afghanen werden sich erheben. Gerade in der Vier-Millionen-Stadt Kabul akzeptieren es die Menschen nicht, nach Jahren der Freiheit nun plötzlich unterdrückt zu leben und auf Dinge wie Musik und andere Vergnügen zu verzichten.

Allein die Taliban zu vertreiben bringt nichts. Der afghanischen Bevölkerung muss eine Anschlusslösung präsentiert werden. Wie gehen Sie vor?
Die vertriebenen Mitglieder der offiziellen Regierung im Ausland stehen in regelmässigem Kontakt zueinander. Wir arbeiten daran, Afghanistan zu einer Demokratie zu machen, wobei es da verschiedene Modelle gibt. Ein Vorbild ist und war für uns schon immer die Schweiz, in der sich mehrere politische Kräfte, Regionen und Kulturen die Macht aufteilen. Auch wir streben eine Dezentralisierung der Macht an.

Stehen Sie in Kontakt mit der schweizerischen Regierung?
Ja.

Wie denn?
Es gibt verschiedene Kanäle …

Stehen Sie auch mit den Taliban in Kontakt?
Da gibt es keine Verbindung.

In diesen Tagen machten afghanische Flüchtlinge Schlagzeilen, welche die Schweiz durchquerten und nach Frankreich reisten. Rechnen Sie mit einer grossen Flüchtlingswelle?
Millionen im Land warten nur darauf, dass sie einen Pass bekommen und ausreisen können. Bisher gelang dies nicht einmal einem Prozent von der Menge, die der Westen noch erleben wird. Es wird eine Flüchtlingskrise geben, die schlimmer wird als jene etwa vom Irak.

Welche Länder peilen afghanische Flüchtlinge vor allem an?
Ganz klar Europa, die USA, Australien. Generell den Westen.

Was wissen die Afghanen über Europa?
Dass es da jene Werte gibt, die sie in den vergangenen 20 Jahren in ihrem eigenen Land kennengelernt und die ihnen die Taliban nun wieder weggenommen haben. Werte wie Demokratie, Freiheit, Toleranz, politische Ordnung, Kultur.

Was kann der Westen dazu beitragen, dass in Afghanistan wieder Ruhe einkehrt?
Es braucht die Zusammenarbeit mit der Exilregierung und dem Widerstand vor Ort, damit die Taliban möglichst bald vertrieben werden und das Land zurück zu Stabilität und Demokratie findet. Nur so gibt es auch eine Chance, ein grosses Flüchtlingsdrama, das die ganze Welt betreffen würde, zu verhindern.

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