Die Hamas hat bei ihrem Überfall auf Israel über 1400 Menschen getötet. Beim Massaker hat die militante Terror-Organisation über 200 Menschen im Grenzgebiet zum Gazastreifen gefangen genommen. Angehörige bangen um die Geiseln – und warten auf eine Freilassung. Das ist bis jetzt über sie bekannt.
Wie viele Geiseln sind gefangen?
Laut der Armee Israels sind mindestens 222 Menschen verschleppt worden. Seit dem 7. Oktober, dem Tag des Überfalls, ist die Zahl gestiegen, erklärte Armeesprecher Daniel Hagari am Montag.
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Unter den Geiseln befinden sich auch ausländische Staatsbürger – unter anderem Deutsche, Franzosen und US-Amerikaner. Von Geiseln mit Schweizer Staatsbürgerschaft hat das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Stand Dienstag keine Kenntnis, wie es auf Blick-Anfrage erklärt.
Indes hat die Hamas bereits vier Gefangene freigelassen. Zwei US-Amerikanerinnen und zwei Israelinnen sind – unter anderem dank der Vermittlung durch Katar, Ägypten und das Rote Kreuz – wieder auf freiem Fuss.
Wer sind die Geiseln?
Die Geiseln wurden in ihren Häusern entführt. Die Hamas nahm auch Gefangene an Militärstützpunkten und bei einem Festival im Freien, schreibt die «New York Times». Genaue Angaben zur Identität der Geiseln haben die israelischen Behörden bislang noch nicht gemacht. Was bekannt ist: Unter ihnen befinden sich Zivilisten, Soldaten, Menschen mit Behinderungen, Kinder, Senioren und sogar ein neun Monate altes Baby.
Verzweifelte Angehörige von mutmasslichen Geiseln haben sich an die Presse und die sozialen Medien gewandt, um mit Fotos nach Hinweisen zu suchen. So sprach Doris Liber (56) mit dem SonntagsBlick über ihren vermissten Sohn Guy Iluz (26). Als Hamas-Terroristen ein Festival in Israel überfielen, telefonierte sie noch mit Iluz. Im letzten Gespräch versprach die Mutter dem Sohn: «Ich werde dich holen.»
Über die sichere Rückkehr seiner Angehörigen durfte sich indes Uri Raanan freuen. Seine Frau Judith und seine 17-jährige Tochter Natalie sind die US-Amerikanerinnen, die am Freitag freigelassen wurden. Die Familie aus dem Bundesstaat Illinois war in Israel, um Verwandte zu besuchen. Gemäss Hamas wurden die beiden wegen der gesundheitlichen Probleme der Mutter freigelassen. Die Gewissheit, dass Natalie ihren 18. Geburtstag zu Hause bei ihren Liebsten verbringen kann, sei wunderbar, erklärte Raanan: «Das ist die beste Nachricht.»
Am Montag kam es dann zur Freilassung der Israelinnen Nurit Cooper (79) und Yocheved Lifshitz (85). Lifshitz' Enkel zufolge hat die 85-Jährige ein grosses Herz – auch für Palästinenser. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt er, seine Grosseltern hätten sich lange Zeit für Kranke im Gazastreifen engagiert: «Sie sind Menschenrechts- und Friedensaktivisten, schon ihr ganzes Leben lang.»
Die Hamas veröffentlichte ein Video der Geiselübergabe. Bevor Lifshitz in den Wagen des Roten Kreuzes steigt, ist zu sehen, wie sie einem Hamas-Mann die Hand schüttelt.
Wo werden die Geiseln festgehalten?
Wie die Hamas auf Telegram erklärt, werden die Geiseln an «sicheren Orten und in Tunneln» versteckt. Die Hamas nutzt vermutlich ein unterirdisches Tunnelnetz, das sich grösstenteils unter ziviler Infrastruktur befindet, um unerkannt zu reisen und Waffen zu transportieren.
Gemäss Hamas sind mehrere Geiseln bei israelischen Luftangriffen getötet worden. Diese Behauptungen konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Vergangene Woche veröffentlichte die Hamas ein erstes Video mit einer Geisel: Bei der mutmasslichen Geisel im Video handelt es sich um die französisch-israelische Doppelbürgerin Mia Schem (21). Sie sei bei einem Festival entführt worden. Im Video sagt sie, sie befinde sich in Gaza. «Ich wurde schwer an der Hand verletzt und wurde drei Stunden lang im Spital an meiner Hand operiert. Sie kümmern sich um mich, geben mir Medikamente, alles ist in Ordnung.» Sie bittet um Hilfe: «Holt mich so schnell wie möglich hier raus.»
Was ist nun zu erwarten?
In einem Interview mit der «Bild»-Zeitung erklärt der israelische Energieminister Israel Katz (68) am Montag, dass die Geiselbefreiung zu den höchsten Prioritäten zähle: «Wir handeln mit jedem Akteur, um die Entführten freizubekommen.» Dennoch werde man mit der Offensive voranschreiten: «Die Hamas möchte, dass wir uns mit den Entführten beschäftigen und unser Militär nicht reingeht, um ihre Infrastruktur zu eliminieren. Das wird nicht passieren.»
Indes rät die US-Regierung dem israelischen Militär, mit der Bodenoffensive abzuwarten, um weitere Geiselverhandlungen abzuschliessen, schreibt die «New York Times». Wie die US-Zeitung unter Berufung auf israelische Beamte berichtet, werden Verhandlungen für die Freilassung von rund 50 Geiseln geführt.
Des Weiteren heisst es aus westlichen Regierungen, dass ein gewisser Optimismus bestehe, dass die Hamas angesichts der internationalen Reaktionen Frauen und Kinder freilassen könnte.
Allerdings äusserte sich die militante Organisation in der Öffentlichkeit bislang anders. Hamas-Anführer Ismail Hanija (60) schloss einen Gefangenenaustausch aus: «Diese Akte wird erst nach dem Ende des Kampfes geöffnet.»