Ärger über Putins Strategie in der Ukraine
«Kämpfen wir in einem Krieg oder spielen wir nur herum?»

Hohe Vertreter des russischen Militärs und Geheimdienstes sollen unzufrieden mit Putins Strategie in der Ukraine sein. Der Kreml-Chef hat den Osten des Landes ins Visier genommen. Und genau das hält die Elite für falsch. Sie fordern einen totalen Krieg.
Publiziert: 26.04.2022 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2023 um 13:55 Uhr
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Die neue Kriegsstrategie von Wladimir Putin kommt bei seiner Militärelite nicht gut an.
Foto: AFP

Der Ukraine-Krieg dauert nun mehr als zwei Monate. Und die vereinte Front des russischen Militärs und des Geheimdienstes hinter Präsident Wladimir Putin (69) scheint zu bröckeln. Bei ranghohen Vertretern von Militär und Nachrichtendienst macht sich langsam aber sicher Frust breit, wie «Focus» schreibt.

Seine Kriegsziele sind der russischen Machtelite zu klein gedacht – sie fordert den totalen Krieg. Im Angesicht der westlichen Waffenlieferungen die einzige Lösung, so die Elite.

Dies zeigen Recherchen des «Zentrums für europäische politische Analyse» (Cepa), das kritisch über russische Geheimdienstkreise berichtet. Wie Recherchen von Cepa nun zeigen, hält das russische Militär Putins Plan, den Fokus des Kriegs auf den Osten und Süden des Landes zu legen und die Ukraine von den Weltmeeren abzuschneiden, für einen fatalen Fehler. Im Grunde würde Russland so gar nicht gegen die Ukraine kämpfen, sondern eigentlich gegen die Nato.

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«Lieber Wladimir, entscheide dich»

Und nicht nur das: Putin würde falsch informiert werden. Der russische Geheimdienst FSB würde den Kreml-Chef gezielt mit nicht korrekten Daten und Updates füttern. Das glaubt auch der russische Präsident und mittlerweile reagiert. Mit einer Säuberungsaktion: 150 Mitarbeiter des Geheimdienstes wurden entlassen oder festgenommen.

Aber nicht nur bei den «Silowiki», der militärischen Elite, beginnt die Stimmung zu sinken. Auch an der Basis macht sich Unmut breit. So forderte der russische Blogger und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Alexander Arutjunow in einem Video, den Krieg in der Ukraine massiv auszuweiten. «Lieber Wladimir, entscheide dich, kämpfen wir in einem Krieg oder spielen wir nur herum?»

Auf einem Telegram-Kanal der russischen Luftwaffe ist man sich sicher: Weitere ukrainische Siege werden «mit ziemlicher Sicherheit den Einsatz von Atomwaffen» gegen Ziele in der Ukraine nach sich ziehen. 

Und auch Aussenminister Sergei Lawrow (72) warnte in der Nacht auf Dienstag erstmals öffentlich vor einem Atomkrieg und merkte an, dass die Gefahr eines dritten Weltkriegs «real» sei.

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Eskalation auch ohne Putin möglich

So deutlich haben sich die Silowiki noch nie gegen ihren Präsidenten gestellt: Bei der Annexion der Krim 2014 durch Russland standen sowohl das Militär als auch der Geheimdienst geeint hinter Putin. Nun scheinen sich die hohen Vertreter zum ersten Mal vom russischen Präsidenten zu distanzieren.

Dies macht eine weitere Eskalation des Kriegsgeschehens in der Ukraine zur Realität: Denn obwohl Präsident Putin der Oberbefehlshaber des Militärs ist, liegt die Ausführung des Krieges in der Hand von Militär und Nachrichtendienst. (chs)

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