Eine Rückkehr in ihre Heimat kann sich Tatjana Wichtodenko (45) inzwischen nicht mehr vorstellen. Wenige Wochen nach Ausbruch des Kriegs war die Ukrainerin im Frühling 2022 in die Schweiz geflohen.
Damals hatte sie noch gehofft, möglichst rasch zurück zu ihrem Mann nach Kiew zu kehren. Nun hat sich das Paar in Freundschaft getrennt. «Er wollte nicht hierherkommen, und ich habe schon viel Kraft in die Umsetzung meiner Projekte hier investiert», erzählt Wichtodenko, die in Oberweningen ZH lebt. Ihre Karriere, sie bedeutet der Unternehmerin viel. So war es in der Ukraine und so ist es nun auch in der Schweiz.
Rückkehr zunehmend unwahrscheinlich
Der jüngste Beschluss des Bundesrats ist für Wichtodenko darum wichtig. Analog zur EU wird der Schutzstatus S für Flüchtlinge aus der Ukraine erneut verlängert – bis März 2026.
Dann werden vier Jahre seit Einführung des S-Status vergangen sein. Eine lange Zeit. Auch wenn der Status «rückkehrorientiert» ist, wird eine Rückkehr zunehmend unrealistischer. Das weiss auch der Bund. In einem provisorischen Rückkehrkonzept, das der Bundesrat vergangenen Herbst genehmigt hatte, hält er fest, dass «die Ausreisebereitschaft mit zunehmender Aufenthaltsdauer» abnehmen dürfte. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe fordert, dass sich die Behörden darum noch mehr um die Integration der Ukrainerinnen bemühen.
Aufenthaltsbewilligung nach fünf Jahren
Das Gesetz sieht vor, dass Personen mit S-Status nach fünf Jahren in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Für die betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainer würde das bedeuten, dass sie ihren Wohnort in der Schweiz frei wählen dürften und mehr Sozialhilfe bekämen. Sicherheit, dass sie langfristig hierbleiben können, hätten sie aber auch dann nicht. Die Aufenthaltsbewilligung wäre bis zur Aufhebung des vorübergehenden Schutzes befristet. Nur in Härtefällen dürften Ukrainer bleiben.
Die SVP warnt deshalb bereits vor Milliardenkosten für die Steuerzahlenden. Sie kritisiert, dass nur eine Minderheit der Ukraine-Flüchtlinge selbst für ihren Unterhalt aufkommen. Der Anteil Ukrainer mit einem Job steigt zwar, doch ist er mit 28 Prozent noch immer tief.
Asylminister Beat Jans (60) hat sich eine Erwerbsquote von 40 Prozent bis Ende Jahr zum Ziel gesetzt. Um das praktisch Unerreichbare zu schaffen, wurde ein Beauftragter für die Arbeitsmarktintegration eingesetzt, der unter anderem Unternehmen dazu bringen soll, Ukrainer anzustellen.
«Ich fühle mich am richtigen Ort»
«Die Verlängerung des S-Status gibt mir Sicherheit für die Zukunft», sagt Tatjana Wichtodenko. «Ich möchte hier nützlich sein und tue alles mir Mögliche, um eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten», sagt sie. Blick hatte die Ukrainerin, die in Kiew ein IT-Unternehmen mit 2000 Angestellten führte, 2022 porträtiert. Sie hatte von Anfang an das Ziel, in der Schweiz auf eigenen Beinen zu stehen. Wichtodenko gründete eine Reinigungsfirma, um anderen Ukrainerinnen eine Arbeit zu ermöglichen. Heute zähle ihr Unternehmen 10 Mitarbeiterinnen, nicht nur aus der Ukraine. Sie putzt nicht mehr selbst, sondern hat zusätzlich zu ihrem Reinigungsunternehmen eine weitere IT-Firma gegründet und baut sie derzeit aktiv aus.
«Ich fühle mich am richtigen Ort. Trotz aller Herausforderungen bin ich stolz auf das, was ich erreicht habe», sagt Wichtodenko rückblickend. Sie sehe hier in der Schweiz Perspektiven für sich – persönlich und beruflich. «Und ich habe das Gefühl, dass ich nach und nach meinen Platz in der Schweizer Gesellschaft finde.»