Die Schweiz hinkt hinterher – doch das ist positiv, sagen Forscher
Warum andernorts mehr ukrainische Flüchtlinge arbeiten

Die Schweiz hinkt bei der Beschäftigung von geflüchteten Ukrainern im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hinterher. Doch das hat auch Vorteile, sagen Forscher.
Publiziert: 29.07.2024 um 17:39 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2024 um 17:46 Uhr
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In der Schweiz arbeitet nur jeder vierte ukrainische Flüchtling.
Foto: Keystone
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Asylminister Beat Jans (60) hat sich viel vorgenommen. Bis Ende Jahr sollen 40 Prozent der arbeitsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer einen Job haben, von dem sie leben können.

Im internationalen Vergleich hat die Schweiz noch Luft nach oben. Eine aktuelle Studie vom deutschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, hat die Beschäftigungsquoten in verschiedenen europäischen Ländern verglichen. Am Ende des vergangenen Jahres hatten in Dänemark beispielsweise 53 Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer einen Job. Ähnlich hohe Werte erreichen Litauen und die Niederlande.

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Die Schweiz hingegen kam im Dezember 2023 auf 21,3 Prozent, wie das Staatssekretariat für Migration schreibt. Mittlerweile hat sich die Situation leicht verbessert: Ende Mai arbeitete jede vierte Person. Unsere Nachbarn in Deutschland und Österreich haben mit 25,2, respektive 27,46 Prozent ähnliche Werte.

Schweiz setzt auf längerfristige Integration

Trotz der vergleichsweise tiefen Zahl: Die Schweiz hat aus Sicht der Forschenden vieles richtig gemacht. Länder mit hohen Beschäftigungsquoten hätten auf einen vorübergehenden Aufenthalt und nicht auf die längerfristige Integration gesetzt, sagt Kseniia Gatskova, die bei der Studie mitgearbeitet hat, gegenüber dem «IAB-Forum». «In diesen Ländern werden die Geflüchteten schnell in Jobs ohne besondere Qualifikationsanforderungen und mit teils prekären Bedingungen vermittelt.» So seien zum Beispiel in Dänemark die meisten Geflüchteten als Reinigungskräfte tätig.

Andere Länder wie Deutschland, Norwegen oder die Schweiz setzten hingegen auf einen «Sprache zuerst»-Ansatz. «Das heisst, die Geflüchteten sollen zuerst die Sprache erlernen und ihre Qualifikationen anerkennen lassen, damit sie später in qualifikationsadäquaten Jobs arbeiten können.» In dieser Zeit stehen sie dem Arbeitsmarkt aber nicht zur Verfügung. Trotzdem habe sich die nachhaltige Integration in der Vergangenheit bewährt. «Zum Beispiel belaufen sich die Erwerbstätigenquoten der Geflüchteten, die von 2013 bis 2019 nach Deutschland zugezogen sind, acht Jahre nach deren Zuzug auf 68 Prozent.» Die Niederlande und Dänemark würden hier tiefere Werte aufweisen.

Kinderbetreuung und Sprache sind wichtig

Doch es gibt noch weitere Faktoren, die für mehr Beschäftigung sorgen: So führt eine bessere Kinderbetreuung dazu, dass mehr Ukrainerinnen arbeiten können. Viele der geflüchteten Personen sind Frauen mit Kindern. Auch die Sprache spielt eine wichtige Rolle. Wenn die Bevölkerung gut Englisch spricht, ist auch die Beschäftigungsquote höher. Auch soziale Netzwerke helfen bei der Jobsuche.

In der Schweiz hat man seit Beginn des Kriegs erkannt, wie wichtig die Kinderbetreuung ist. Auch wenn einzelne Unternehmen Lösungen gefunden haben, ist es für die Direktbetroffenen noch immer eine Hürde. In einem eigenen Index, den Forscherinnen für die Auswertung der Kinderbetreuungsinfrastruktur entwickelt haben, landet die Schweiz auf den hinteren Plätzen.

Damit in der Schweiz mehr Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten, hat Jans jetzt selbst einen Job geschaffen: Adrian Gerber (56), der heutige Leiter der Abteilung Integration im Staatssekretariat für Migration (SEM), soll zwischen Verwaltung und Wirtschaft vermitteln und dafür sorgen, dass Unternehmen mehr Leute mit Schutzstatus S einstellen.

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