Gehen Arbeitgeber zu wenig auf die Bedürfnisse ihrer Angestellten ein? Diesen Eindruck erwecken zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Personalberatungsunternehmens Michael Page. Gemäss dieser fühlen sich 89 Prozent der Stellensuchenden in der Schweiz in ihrem aktuellen Job gestresst. Die Personalberatung hat für die Studie weltweit knapp 3500 Stellensuchende befragt, davon 174 in der Schweiz.
Ausgelöst wird der Stress beim Personal vor allem durch zwei Faktoren: 38 Prozent finden, dass ihnen der Arbeitgeber zu wenig Anerkennung entgegenbringt. Doch auch die Arbeitsbelastung ist ein grosses Thema. So findet knapp ein Drittel der Befragten, dass ihnen zu viel Arbeit aufgehalst wird.
In den vergangenen Monaten haben zahlreiche grosse Firmen wie Sunrise, der Schliesstechnikkonzern Dormakaba, Nestlé oder der Spinnereimaschinenhersteller Rieter einen grossen Stellenabbau vorgenommen oder wie zuletzt Novartis einen solchen angekündigt. In solchen Fällen steigt oft die Arbeitsbelastung für das verbleibende Personal.
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Arbeitgeber machen wenig
In der Studie von Michael Page gibt jede fünfte Person an, ihre frühere Stelle aufgrund von Stress am Arbeitsplatz verlassen zu haben. Weitere 30 Prozent sind zwar bis anhin trotz Stress im Job geblieben, aber offen für einen Wechsel.
Bei den Arbeitgebenden scheint das Stress-Problem nur bedingt ein Thema zu sein. Lediglich 27 Prozent haben Massnahmen zur Unterstützung ihrer Angestellten ergriffen. Am häufigsten setzen sie dabei auf telefonische Beratung durch externe Fachpersonen oder einen erleichterten Zugang für Gespräche mit der Führungsetage.
Die Arbeitnehmer verbringen tagtäglich viele Stunden mit ihrer Arbeit – und müssen zum Teil auch noch ausserhalb der Bürozeiten erreichbar sein. So überrascht es wenig, dass für 97 Prozent von ihnen ein angenehmes Arbeitsumfeld «wichtig» oder «sehr wichtig» ist. Grossen Wert legen sie auch auf Angebote für das psychische Wohlbefinden oder flexible Arbeitsbedingungen in Bezug auf Ort und Zeit.
Geringe Loyalität der Arbeitnehmer
Eine mangelnde Unterstützung bei Stress kann für das Firmenimage negative Folgen haben. Fehlen Unterstützungsangebote, besprechen Angestellte ihre Probleme am Arbeitsplatz erst mit Familie und Freunden, bevor sie sich gegenüber Kollegen und Vorgesetzten öffnen. So kriegen die Arbeitgeber allfällige Kritik gar nicht erst mit. Und werden womöglich erst durch negative Einträge auf Bewertungsportale darauf aufmerksam. Dann ist der Imageschaden bereits angerichtet.
Wer sich zu wenig um sein Personal kümmert, kann auch nicht mit dessen Loyalität rechnen. Neun von zehn Angestellten, die innerhalb der letzten zwölf Monate der Job gewechselt haben, sind offen für neue Möglichkeiten. «Die Mitarbeiterbindung ist in den Unternehmen am stärksten, in denen sich Führungskräfte Zeit nehmen, mit ihren Teammitgliedern zu sprechen», sagt Yannick Coulange (44), Geschäftsführer der PageGroup Schweiz. Dabei könnten Probleme direkt angesprochen und auch die Leistung anerkannt werden.