Hero, Flyer, Google, Estée Lauder, Nestlé, Sympany oder Dormakaba – so unterschiedlich diese Firmen sind, haben sie doch einen gemeinsamen Nenner: Sie kündigten in den vergangenen Wochen Massenentlassungen an. Kumuliert bauen sie mehr als 1500 Stellen ab. Über 1500 Leute verlieren ihr Einkommen, die Gewerkschaften laufen Sturm.
Diese Entwicklung überrascht, war bisher doch stets die Rede von einem angeblich vorherrschenden Fachkräftemangel und davon, wie wichtig es ist, Angestellte zu halten. Es stellt sich die Frage, weshalb so viele Firmen Stellen abbauen. Eine Erklärung findet sich in der aktuellen Unsicherheit der Märkte: «Die Business-Stimmung verschlechtert sich seit Monaten», weiss Davide Villa, CEO der Firma Jobcloud, die unter anderem das Portal Jobs.ch betreibt. Das sagt er mit Blick auf den Ukraine-Krieg, die ausgebrochene Krise im Nahen Osten, die anhaltende Inflation, aber auch die drohende Gefahr einer Rezession.
Wirtschaft wächst unterdurchschnittlich
Seit Ende März informieren denn auch Konjunkturstellen über den wirtschaftlichen Abwärtstrend, das KOF zeigt sich besorgt und das Seco titelt in ihrer Konjunkturprognose, dass die «Schweizer Wirtschaft 2023 und 2024 deutlich unterdurchschnittlich wächst».
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Dass diese Prognosen die Firmen beeinflussen, beobachtet auch Daniel Löhr, Mitinhaber der Rekrutierungsfirma E-Selection: «Die Unsicherheit ist allgegenwärtig und Firmen erleben einen hohen Kostendruck. Deshalb nehmen sie jetzt längst überfällige Anpassungen bezüglich der Produktivität in die Hand.» Das sei jedoch kein neues Phänomen. Bereits 2009 und 2012 erlebte die Schweiz eine Häufung von Massenentlassungen. «Wir sind es uns heute nur nicht mehr gewohnt», so der Spezialist für Fach- und Führungskräfte.
«Das rüttelt die Leute wach»
Löhr sieht die schwache Konjunktur auch als Chance: «Sie hilft, die Leute wachzurütteln. Denn auch wenn es teilweise den Anschein machen mag: Es ist nicht selbstverständlich, eine Stelle zu haben.» Dass Leute entlassen werden, heisst im Umkehrschluss also auch, dass sie ihre Fähigkeiten weiterbilden müssen, um eine neue Stelle zu finden. Und diese werden sie finden, ist Löhr überzeugt: «In der Schweiz bleiben langfristig hochausgebildete Arbeitsplätze bestehen – es wird einfach immer wieder zu einer Umordnung der Anforderungen an die gewünschten Skills kommen.»
Welche Firmen also bereits jetzt ihre Anforderungen restrukturieren und entsprechend Konsequenzen ziehen, das zeigt der nachfolgende Ticker. Hier listet die «Handelszeitung» auf, welche Firmen Entlassungen bekannt gegeben haben und wie viele Mitarbeitende vom Stellenabbau betroffen sind.
Oktober
13. Oktober: Nestlé
Die jüngste Entlassungswelle gab Nestlé bekannt. Betroffen ist der Fabrikstandort in Wangen, Olten, wo vor allem Leisi- und Buitoni-Produkte produziert werden. Fast die Hälfte der aktuell 200 Stellen sollen bis Mitte 2024 gestrichen werden, wie der Lebensmittelkonzern mitteilte. Die Produkte selber sollen aber nicht verschwinden, mit der Neuausrichtung lege der Konzern aus Vevey jedoch den Fokus auf die Innovation der Produkte.
12. Oktober: Sympany
Die Basler Krankenkasse Sympany steckt in der Kostenfalle und schlägt deshalb einen rabiaten Sparkurs ein. Einer Mitteilung des Versicherers vom 12. Oktober ist zu entnehmen, dass 74 Stellen gestrichen werden. Davon betroffen seien 63 Mitarbeitende, die deswegen ihre Arbeit verlieren. Das bestätigte Sympany gegenüber der Plattform Muula.ch. Es fallen auf einen Schlag knapp 12 Prozent des Personalbestandes weg.
10. Oktober: Dormakaba
Bereits im Juli kündigte der Schliesstechnikkonzern Dormakaba ein umfassendes Spar- und Transformationsprogramm an. Nun wurde kommuniziert, dass im Rahmen dessen ohne Berücksichtigung auf Fluktuationen 160 Stellen verloren gehen. Diese Entscheidung betrifft 183 Mitarbeitende, wie das Unternehmen mitteilte. Es werde aber zu keinen Standort- oder Produktionsschliessungen kommen, heisst es weiter. Der Abbau soll innerhalb dreier Jahre erfolgen.
09. Oktober: Estée Lauder
Kahlschlag bei Estée Lauder: Der amerikanische Kosmetikkonzern überprüft seine Strukturen. Im Zuge dessen werden 40 Angestellte entlassen. Sie waren Teil der 220-köpfigen Belegschaft im Werk in Lachen, Schwyz. Die Stellen werden in den Bereichen Distribution und Produktion gestrichen.
September
29. September: St. Galler Spitäler
Im Spitalverbund der St. Galler Spitäler kommt es zum Kahlschlag. Der Verbund plant, in den kommenden Monaten an den vier Standorten 440 der gesamthaft 9000 Stellen zu streichen. Das bestätigte eine Mitteilung der Organisation. Als Grund gab der Verband die schlechte finanzielle Lage an. Die St. Galler Spitäler müssen mittel- bis langfristig rund 60 Millionen Franken jährlich einsparen, was ohne Entlassungen nicht möglich gewesen wäre.
23. September: Google
Bereits im Januar 2023 kündigte die Google-Mutter Alphabet einen Stellenabbau von 12’000 Stellen weltweit an. Dieser betraf auch die Schweiz: Rund 250 Stellen wurden in Zürich gestrichen. Nun sollen es mehr werden, wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» als Erster wusste. In Zürich entlässt Google das Recruiting-Team (HR), womit auf einen Schlag 43 Stellen gestrichen werden. Die Gerüchte, dass diese Zahl sich bis Ende Jahr auf 500 Mitarbeitende erweitert, dementierte das Unternehmen.
20. September: TX Group und Tamedia
In der Medienbranche rumort es. Die TX Group gab bekannt, in der Westschweiz bis zu 28 Stellen bei der Tochterfirma Tamedia abzubauen. Das entspricht mehr als 10 Prozent der Belegschaft. Kurz darauf folgte die nächste Info für die Deutschschweiz. Die Rede war hier von 20 abgebauten Stellen. Der Zürcher Konzern begründet die Restrukturierung mit der schwachen Umsatzentwicklung in der Region, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtet. Schweizweit streicht der Konzern also rund 50 Stellen, wie die Gewerkschaft für Medien und Kommunikation Syndicom schreibt. Davon seien viele freischaffende Journalistinnen und Journalisten.
20. September: Hero
Die Traditionsfirma Hero erwägt die Schliessung der Fabrik für Konfitürenverpackung in Lenzburg, Aargau. Die 55 Mitarbeitenden, die davon betroffen wären, wurden noch am selben Tag zu einer Konsultation über die Zukunft der Produktionsstätte eingeladen. Das Ziel sei es, «die bestmögliche Entscheidung über das Werk zu treffen», heisst es in der Mitteilung. Gemäss Firmenwebsite beschäftigt der Lebensmittelkonzern Hero auf fünf Kontinenten insgesamt rund 4000 Personen. Rund 200 arbeiten aktuell noch in Lenzburg.
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14. September: Flyer
Während Corona schnellten die Zahlen in die Höhe, weil zig Leute ein Velo mit Motor erstanden. Diese Welle scheint bei Flyer abrupt zu enden: Der E-Bike-Hersteller teilte am 14. September mit, den Abbau von bis zu 80 Stellen zu überprüfen. Das macht knapp ein Viertel der Belegschaft aus. Als Grund für diese Entscheidung führt das Unternehmen mit Hauptsitz in Huttwil, Bern, die schwierige Marktsituation in der Branche an. Generell scheint der Corona-Boom in der Velobranche verebbt zu sein, auch der Kindervelo-Hersteller Woom hat mit schlechten Zahlen zu kämpfen. Stellen werden bei Woom aber keine gestrichen.
11. September: Internationales Komitee vom Roten Kreuz
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) muss am Hauptsitz in Genf Stellen streichen. Die Hilfsorganisation kündigte in einer Mitteilung an, sich um 270 Stellen zu verschlanken. Doch nicht nur in der Schweiz, weltweit müsse das Rote Kreuz Stellen abbauen. Wie viele es aber effektiv sein werden, das könne die Firma noch nicht sagen.
Juli
13. Juli: Flawa
Wohl als Vorbeben für das, was im September folgen sollte, stellt der Abbau bei der Flawa Consumer GmbH im Juli dar. Das Unternehmen, das Schutzmasken aller Art herstellt, liess 49 von 67 Beschäftigten gehen. Etwas Zuversicht für die Mitarbeitenden: Nach der Übernahme des Betriebs durch die Geschäftsleitung können dank eines neuen Auftrags weitere sieben Stellen erhalten bleiben.