Thomas Jordan (60), Präsident der Schweizerischen Nationalbank, tut das, was alle erwartet haben: Die SNB dreht nochmals an der Zinsschraube und erhöht den Leitzins um einen viertel Prozentpunkt auf 1,75 Prozent. Das ist der fünfte Zinsschritt in Folge. Innerhalb eines Jahres ist der Leitzins in der Schweiz von minus 0,75 Prozent um 2,5 Prozent nach oben geschnellt.
Das hat direkte Folgen für Sparer, Hausbesitzerinnen, Konsumenten und Mieterinnen in der Schweiz. Blick erklärt, was die Zinserhöhung bedeutet und wie es mit Zinsen, Teuerung und Wirtschaft in der Schweiz nun weitergeht.
Wieso hat die SNB die Zinsen erhöht?
Die Inflation ist hartnäckiger, als viele Experten erwartet haben. Gemäss der Prognose der SNB wird die Teuerung bis ins Jahr 2025 über der Schwelle von zwei Prozent liegen. Die SNB peilt einen Wert an, der unter dieser Schwelle liegt. Erst dann spricht sie von Preisstabilität – und könnte auf weitere Zinsschritte verzichten. «Ohne die heutige Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose mittelfristig noch höher», sagt Jordan.
Wann gibt es in der Schweiz eine Zinspause?
Dazu lässt sich die SNB nicht in die Karten schauen. Die US-Notenbank FED hat Mitte Juni eine Zinspause eingelegt, allerdings sind dort die Zinsen auch viel stärker gestiegen. Soweit ist man in Europa noch nicht. Die SNB signalisiert, dass es im September nochmals einen Zinsschritt geben könnte. Immerhin: Die SNB hat jetzt etwas Tempo im Kampf gegen die Inflation herausgenommen, die jüngste Zinsschritt ist der kleinste seit der Zinswende vor einem Jahr.
Wie läuft die Schweizer Wirtschaft?
Die meisten Unternehmen können die Zinserhöhungen wegstecken, auch der starke Franken ist kein Thema mehr. Denn durch ihn verbilligt sich für die Firmen der Einkauf von Rohstoffen, Produkten oder Halbfabrikaten aus dem Ausland. Insgesamt dürfte die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr um rund ein Prozent wachsen, sagt die Nationalbank. Sollte es aber zu einem grösseren Einbruch der Weltwirtschaft kommen, ist auch dieses bescheidene Wachstum nicht garantiert. Der Konsum bleibt eine wichtige Stütze, allerdings dämpfen Reallohnverluste etwas die Kaufkraft und damit die Kauflaune der Konsumenten.
Ist der Kampf gegen die Inflation bald gewonnen?
Jein! Zwar geht auch in der Schweiz die Teuerung leicht zurück, hält sich aber hartnäckig über zwei Prozent. Nun machen sich vor allem die Preiserhöhungen im Inland bemerkbar. Zudem werden die Mietzinserhöhungen erst im Herbst die Teuerung beeinflussen – und weiter nach oben treiben.
Was heisst der Zinsentscheid für Mieter?
Nichts Gutes! Auch SNB-Präsident Jordan ist klar, dass als Folge der Zinserhöhungen die Mieten in der Schweiz steigen. Das Problem: Die Mieten haben einen grossen Anteil im Warenkorb, der die Teuerung misst. Also heizen die steigenden Mieten die Teuerung weiter an. Ein Teufelskreis, es droht eine Art Mieten-Zins-Spirale.
Auf die Frage von Blick antwortet der SNB-Präsident mit Nachdruck: «Ohne Zinserhöhungen besteht die Gefahr, dass wir später einen viel höheren Preis bezahlen müssen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Inflation zu spät bekämpfen.» Es ist damit zu rechnen, dass der für Mieter entscheidende Referenzzinssatz im Herbst oder Winter nochmals ansteigen könnte.
Was bedeutet der Zinsentscheid für Immobilienbesitzer?
Wer eine Saron-Hypothek besitzt, zahlt ab Freitag ein viertel Prozent mehr Zins. Bei den Festhypotheken dagegen sind Zinserhöhungen mehr oder weniger ausgereizt. Allerdings ist auch nicht mit einer Korrektur nach unten zu rechnen. Bis Ende Jahr dürfte sich das Niveau der Festhypotheken kaum verändern, sagen von Blick befragte Experten. Das heisst, der Zins für eine zehnjährige Festhypothek dürfte sich bei rund 3 Prozent einpendeln. Wer also bereit ist, für Planungssicherheit etwas mehr zu bezahlen, der sollte sich den Wechsel von Saron einer Festhypothek gut überlegen.
Steigen jetzt die Zinsen für Sparer?
Ja. Bereits unmittelbar nach dem SNB-Entscheid haben erste Banken ihre Zinsen für Sparer angehoben, so zum Beispiel Valiant, die Zürcher und die Graubündner Kantonalbank oder die Neobank Yuh. Andere dürften folgen. Allerdings gilt zu beachten: Die Inflation ist immer noch deutlich höher als die Sparzinsen, real ist der Zins fürs Konto bei der Bank immer noch negativ.
Bleibt der Franken weiterhin stark?
Das ist die gute Nachricht für alle, die in den Ferien ins Ausland reisen. Höhere Zinsen stärken den Franken. Zudem verkauft die SNB derzeit Devisen, um ihre Bilanz zu verkleinern. Auch das macht den Franken noch härter – und Auslandsferien etwas billiger.
Welche Lehren zieht die SNB aus dem CS-Debakel?
Die SNB hat am Donnerstag auch den sogenannten Finanzstabilitätsreport veröffentlicht und räumt dem Untergang der Credit Suisse viel Platz ein. Klar ist: Auch wenn die regulatorischen Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität erfüllt sind, kann eine Bank untergehen. Das heisst, es braucht weitere Indikatoren, die früher die Schieflage einer Bank – und vor allem den Vertrauensverlust – erkennen lassen. Und Instrumente, die auch sehr grosse und schnelle Geldabflüsse, besser abfedern können.