Wer wird nächster Superbanker?
Das Rennen um Ermottis Nachfolge ist eröffnet

Die UBS-Spitze spricht offen über CEO Sergio Ermottis anstehende Nachfolgefrage. Welche Kandidaten und Kandidatinnen Chancen haben – und was gegen sie spricht.
Publiziert: 22.12.2023 um 11:08 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 17:14 Uhr
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UBS-Chef Sergio Ermotti will nach gelungener CS-Integration abtreten. Das Kandidatenkarrussell ist eröffnet.
Foto: Keystone
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Holger Alich
Handelszeitung

UBS-Chef Sergio Ermotti (63) muss niemandem mehr etwas beweisen. Er folgte Ende März dem «Call of duty» von Bankpräsident Colm Kelleher, der die schwierige Integration der Credit Suisse seinem damaligen CEO Ralph Hamers nicht zutraute.

Ermotti weiss: Seine Rückkehr an die UBS-Spitze ist ein Sondermandat mit Ablaufdatum. Befragt zur Nachfolgedebatte, sagte er in der Sendung «Bilanz Standpunkte», dass seine Aufgabe in den kommenden «drei bis dreieinhalb Jahre» klar sei und er dem Verwaltungsrat mögliche Nachfolgekandidaten vorschlagen wolle. Die UBS selbst spricht davon, dass Ermotti drei bis fünf Jahre lang bleiben wolle.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Aufgebracht hatte das Thema UBS-Präsident Colm Kelleher bei einer Konferenz der «Financial Times» Ende November. Vorbild in Sachen Nachfolgeplanung sei sein früherer Arbeitgeber Morgan Stanley: Dort folgt Anfang 2024 Investmentbankchef Ted Pick auf den Langzeitchef James Gorman.

Über Jahre hatte Gorman mögliche interne Nachfolger aufgebaut: So galten auch Andy Saperstein, Leiter Wealth-Management, und Dan Simkowitz, der das Assetmanagement verantwortet, als CEO-tauglich. Noch bemerkenswerter: Selbst nachdem beide in Sachen Chefposten leer ausgegangen sind, wollen sie der US-Grossbank die Treue halten. «Morgan Stanley war ein Coup ohne Blutvergiessen», lobte daher Kelleher. Das sei das Vorbild für die UBS; auch Kelleher wünscht sich, dass der Verwaltungsrat aus einer «Anzahl von Kandidaten» auswählen können soll.

Ermotti muss Kandidaten vorschlagen

Und hier sieht sich auch Ermotti in der Pflicht: Es sei «Teil meines Jobs, dem Verwaltungsrat mögliche Kandidaten vorzuschlagen», sagte er. Dazu müsse die Bank «in den nächsten paar Jahren eine Basis von potenziellen Kandidaten haben, die wir dann in den folgenden Perioden beurteilen können».

Der nächste UBS-CEO soll aus Sicht Ermottis möglichst ein interner Kandidat sein. Eine externe Lösung bleibe möglich, sei aber «sicher keine optimale Lösung», sagte er.

2020 hatte sich der damalige UBS-Präsident Axel Weber dagegen für Chef Ralph Hamers entschieden, der von der niederländischen Bank ING kam. Dabei hätten auch damals schon laut Ermotti interne Kandidaten und Kandidatinnen zur Verfügung gestanden. Welche das waren, sagte er indes nicht.

Damit ist klar: Das Schaulaufen um Ermottis Nachfolge hat bereits begonnen. Ein klarer Favorit ist bisher nicht auszumachen. Hier die wahrscheinlichen Anwärterinnen und Anwärter im HZ-CEO-Check:

Iqbal Khan

Der 47-Jährige zählt ohne Zweifel zu den Topanwärtern. Er leitet das Wealth-Management und damit das Kerngeschäft der Grossbank. Seine Sparte spült der UBS mehr als die Hälfte der Einnahmen in die Kasse und hat in den ersten neun Monaten mit 3,3 Milliarden Dollar auch den grössten Gewinnbatzen abgeliefert.

Khan ist ehrgeizig, bei seinen Truppen beliebt und ein guter Kommunikator, was als CEO wichtig ist. Zudem wäre er 2027, der Zeitpunkt von Ermottis vermutlichem Abgang, erst Anfang fünfzig – das richtige Alter also, um der UBS für die nächsten Jahre Klarheit in Sachen Führung zu geben.

Der Fakt, dass er nach der CS-Übernahme in der «NZZ am Sonntag» als erstes Geschäftsleitungsmitglied ein Interview geben durfte, wird von seinen internen Fürsprechern sogleich als Fingerzeig gewertet, dass Khan aufgebaut werden solle.

Doch auf sicher hat Khan den Topjob nicht – das weiss er selbst. Gemeinsam mit seinem Vertrauten Yves-Alain Sommerhalder, den er zum Chef des Wealth-Managements der CS machte, muss er die Integration der Kernsparte meistern. Das Ziel: möglichst viel von den 150 Milliarden Franken Kundengeldern, welche die CS in den Turbulenzen verloren hat, zurückzuholen.

Auf der anderen Seite ist die Zeit der Kundenabgänge noch nicht vorbei, denn viele Kunden und Kundinnen – vor allem in der Schweiz – dürften nach der Übernahme noch Vermögen von der neuen Monster-UBS zu anderen Playern verschieben, um die Risiken zu diversifizieren.

Khans Umfeld sieht das Problem entspannt. Im Unterschied zu anderen Wettbewerbern habe die UBS mit der CS-Integration einen «Alphafaktor», also einen Wachstumsmotor. Aber auch das Khan-Lager räumt ein, dass im wichtigen US-Markt die UBS im Wealth-Management derzeit zu wenig verdient.

Und: Khans fliegender Wechsel 2019 von der CS zu UBS hallt immer noch nach, wie aus UBS-Kreisen zu hören ist. Damals liess die CS-Spitze Khan beschatten. Im Zuge der Affäre musste CS-Chef Tidjane Thiam seinen Hut nehmen. Khan sieht sich als Opfer, doch gibt es den Verdacht, dass es sein Umfeld war, welches die Medien mit Details der Beschattungsaktion fütterte. Aus UBS-Kreisen heisst es jedenfalls, dass der Fall «Spygate» im Verwaltungsrat nach wie vor für Unbehagen sorge.

Weniger gefährlich dürfte der Fall der Greensill für Khan sein. Der Vertrieb der umstrittenen Lieferkettenfonds der CS war zwar in Khans früherer Sparte angesiedelt. Und die Finma hat gegen mehrere Manager ein Enforcement-Verfahren eingeleitet – nicht aber gegen Khan. Sollten die verschiedenen Untersuchungsberichte zum Fall Greensill, welche der UBS alle vorliegen, etwas Substanzielles gegen Khan zutage gefördert haben, dürfte UBS-Präsident Kelleher wohl schon längst kurzen Prozess mit dem ehrgeizigen Topshot gemacht haben.

Sabine Keller-Busse

Dagegen verlief die Karriere von Schweiz-Chefin Karin Keller-Busse ganz ohne Nebengeräusche. Schon in seiner ersten Regentschaft förderte Ermotti die gebürtige Deutsche und baute sie auf. Sie leitete von 2018 bis 2021 als COO auch die IT und damit den Maschinenraum der UBS. Sie holte Backoffice-Funktionen in die Schweiz zurück und gründete Servicecenter in Schaffhausen und Biel.

Seit 2021 führt sie das wichtige Schweiz-Geschäft, die stabile Ertragsperle des Konzerns, das nun den wohl werthaltigsten Teil der Credit Suisse dazubekommt. Die ehemalige Unternehmensberaterin gilt als ehrgeizig und sehr strukturiert, soll mit ihrer Art aber auch intern hier und da anecken, wie zu hören ist.

2024 ist Keller-Busses Jahr der Bewährung, denn dann steht die Integration der Credit Suisse Schweiz an, was zunächst vor allem die IT-Integration bedeutet. 2025 sollen dann die Kundinnen und Kunden auf die neue gemeinsame Plattform überführt werden. Bei dieser Grossübung kann eine Menge schiefgehen.

Sollte sie dieses Mammutprojekt ohne grössere Panne über die Bühne bekommen, wäre sie ohne Zweifel im Kreis der Favoritinnen. Bleibt aber ein Problem, das sie nicht aus der Welt bekommt: Ihr Alter. Im Jahr 2027 wird sie 62 Jahre alt.

Das Beispiel Mario Greco bei der Zurich zeigt zwar, dass auch Menschen in den Sechzigern einen Finanzriesen mit Erfolg führen können. Doch als Greco bei der Zurich 2016 übernahm, war er erst 57. UBS-Insider sagen daher, dass Keller-Busse ihre Chance auf den CEO-Job bei der UBS verpasst hat. Die hatte sie, als Ermotti 2020 ging, doch Axel Weber bevorzugte damals den Externen Ralph Hamers statt die langjährige und loyale UBS-Managerin.

Beatriz Martin Jimenez

Wer sich mit Topmanagern und -managerinnen der UBS über mögliche CEO-Kandidaten unterhält, hört zuweilen den Namen der Spanierin Beatriz Martin Jimenez. Ermotti holte die Fünfzigjährige nach der CS-Übernahme in die Konzernleitung, dort hat sie einen schwierigen, aber wenig glanzvollen Job: Sie entscheidet mit, welche Teile der CS übernommen oder welche dichtgemacht werden. Die abzuwickelnden Teile der Bank muss sie dann möglichst verlustfrei entsorgen.

Die Spanierin gilt als «Tough cookie», also durchsetzungsstark. Mit der «No bullshit»-Haltung dürfte sie so ganz nach dem Geschmack von UBS-Präsident Colm Kelleher liegen. Ihr persönlicher Umgang soll laut Ex-Kolleginnen und -Kollegen aber nicht immer ganz einfach sein.

Einen ersten Erfolg konnte sie verbuchen: So gab sie Entwarnung, dass die Verluste aus dem CS-Krisenportfolios nicht derart gross werden würden, dass die UBS die vom Bund gewährte Verlustgarantie wird ziehen müssen.

In der Hektik der Übernahme von jenem Märzwochenende konnte die UBS die CS-Bücher nicht en detail prüfen. Also hatte die UBS dem Bund eine Garantie abgerungen, dass die Steuerzahlenden bis zu 9 Milliarden Franken Verluste aus dem CS-Krisenportfolio übernehmen sollen, nachdem die UBS die ersten 5 Milliarden getragen hat. Auf diese Garantie konnte die UBS im August dann verzichten.

Mit solchen Sanierungen kennt sich die Spanierin aus: So durfte die gelernte Händlerin schon 2012 bei der UBS-Investmentbank aufräumen, nachdem der Betrugshändler Kweku Adoboli der Grossbank einen Verlust von 2 Milliarden Dollar eingebrockt hatte. Ihr damaliger Chef war Andrea Orcel, mittlerweile erfolgreicher Chef der italienischen Unicredit. Orcel gilt als Schleifer, der wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Mitarbeitenden nimmt. Mit Druck kann Jimenez also umgehen.

Doch reicht ein Leistungsausweis als Aufräumerin, um die grösste Bank der Schweiz zu führen? Von 2020 bis 2023 diente sie der UBS als Group Treasurer, was ihr einen Gesamtüberblick über den Konzern gab. Und sie leitet seit 2019 das britische Geschäft der UBS – und hat damit auch eine Verantwortung für das britische Wealth-Management. Die Spanierin scheint damit ein Name zu sein, den man auf dem Zettel behalten sollte.

Foto: KEYSTONE

Andrea Orcel

Wer von aussen auf denkbare Kandidaten sieht, stösst unweigerlich auf einen alten Bekannten: Andrea Orcel. Der flamboyante Italiener hatte die UBS-Investmentbank zurechtgestutzt und zu einem zuverlässigen Zulieferbetrieb des Vermögensverwaltungsgeschäfts umgebaut. Und es ist hinlänglich bekannt, dass Orcel gerne Ermotti als CEO beerbt hätte. Doch die beiden hatten sich verkracht, und Orcel verliess die UBS.

Sein geplanter Wechsel an die Spitze der spanischen Santander endete jedoch in einem spektakulären Krach ums Geld. Seine Anstellung war bereits verkündet, als der Santander-Verwaltungsrat wieder zurückruderte, weil Orcels Forderungen überrissen schienen. Am Ende mussten die Spanier dem Investmentbanker 51 Millionen Euro zahlen, wie ein Gericht anordnete. Seit April 2021 führt Orcel die italienische Bank Unicredit mit Erfolg. Der Aktienkurs hat sich seit seinem Antritt mehr als verdoppelt.

In Mailand bastelt Orcel weiter an der europäischen Bankenkonsolidierung – allerdings in einer bescheidenen Liga: Jüngst kündigte er eine Beteiligung von 9 Prozent an der griechischen Alpha Bank an, zudem soll Unicredit deren Tochter in Rumänien übernehmen.

Eine Bank von den Dimensionen der CS-verstärkten UBS wäre da eher nach dem Geschmack des hochgetakteten Bankers Orcel. Mit UBS-Präsident Kelleher käme er wohl gut klar. Doch auch Orcel hat das Altersproblem: Wenn Ermotti 2027 abtreten sollte, wäre Orcel bereits 63 Jahre alt – der Mann hat zwar auch mit 60 noch mehr Energie als mancher 30-Jähriger. Aber als Neustart mit längerfristiger Perspektive wäre Orcel als UBS-CEO kaum vermittelbar.

Zielkonflikte bei der Nachfolgesuche

Diese Gedanken zeigen: Das Aufbauen von CEO-Nachfolgern und -Nachfolgerinnen ist schon im Normalbetrieb nicht leicht. Nun müssen Ermotti und Kelleher dies tun und gleichzeitig mit der CS eine systemrelevante Bank integrieren – was noch nie zuvor jemand gemacht hat. Dafür braucht es aktuell vor allem erfahrene Leute. Um die Kandidatenliste aber aufzufüllen, werden beide nicht umhinkommen, noch das eine oder andere Talent zu befördern oder von aussen zu holen.

Damit ist klar: In die Konzernleitung oder auch in den Verwaltungsrat dürfte im kommenden Jahr, spätestens aber 2025, einige Bewegung kommen, um die Kandidaten-Pipeline zu stärken.

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