Die Integration der Credit Suisse in die UBS ist die wohl gefährlichste Übernahme, die es in der Bankenbranche je gegeben hat. Noch nie sind zwei weltweit als systemrelevant eingestufte Banken zusammengegangen. Bankchef Sergio Ermotti (63) wischt solche Bedenken vom Tisch, gross sei nicht dasselbe wie riskant. Der Wieder-CEO der UBS hat mit der neuen Monster-UBS Grosses vor: Bis Ende 2026 soll die Integration über die Bühne sein, sein Renditeziel von 15 Prozent entspricht einem Jahresgewinn von 12 Milliarden Dollar. Die alte UBS kam zuletzt auf 7,6 Milliarden.
Das sind die grössten Stolpersteine für Ermotti & Co. bei der nun anstehenden Vollintegration:
Abflüsse
Seit Ende 2022 hat die Credit Suisse rund 200 Milliarden Franken an Kundengeldern verloren. Im Juni verzeichnete die Bank wieder erste Zuflüsse. Doch Bankinsider gehen davon aus, dass nun neue Abflüsse bevorstehen, weil die UBS die Credit Suisse Schweiz vollständig integrieren wird. Kunden und Kundinnen, die Beziehungen zu beiden Banken haben, werden Gelder umschichten, um ihr Risiko zu diversifizieren. Von diesem Effekt dürfte auch die UBS betroffen sein.
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Hinzu kommt: Ganze Heerscharen an Beraterinnen und Beratern haben die Bank verlassen. Just an dem Tag, an dem Ermotti seine Pläne vorstellte, meldete die Privatbank Rothschild, in Zürich fünf CS-Banker für das Osteuropa-Geschäft abgeworben zu haben. Wechselt eine Beraterin, gelingt es ihr in der Regel, 15 bis 30 Prozent ihrer Kundengelder mitzunehmen. «Im Fall der Credit Suisse wird die Quote viel höher sein», sagt ein Ex-CS-Banker, der bei der Konkurrenz angeheuert hat. «Ich rechne damit, dass ein Berater bis zu 50 Prozent der Kundengelder bewegen kann.» Ob und wie stark dieser Effekt eintritt, dürfte sich in den kommenden Monaten zeigen. Darauf angesprochen, zeigt sich UBS-Chef Ermotti an der Halbjahrespressekonferenz entspannt: Er erwartet, dass die neue UBS auch im dritten Quartal einen Neugeldzufluss ausweisen kann. «Es ist extrem schwer, die weiteren Zu- und Abflüsse zu prognostizieren», sagt Andreas Venditti, Bankanalyst bei Vontobel.
Die Erträge der CS
Schwindende Kundenvermögen bedeuten schwindende Erträge. «Die alte CS wird weiter rote Zahlen schreiben, weil die Erträge schneller als die Kosten fallen», so Experte Venditti. Ohne Sondereffekte verlor die CS AG im zweiten Quartal rund 2 Milliarden Franken. Ähnlich hoch dürfte der Fehlbetrag im dritten Quartal sein. Daher prognostiziert die UBS für die gesamte Gruppe, im dritten Quartal nur eine schwarze Null schaffen zu können.
Die schwächelnde Mutter
Im Trubel über die Neuigkeiten zur Vollintegration der CS gingen die Quartalszahlen der UBS weitgehend unter. Und diese sind nicht gut. Bis auf das Schweiz-Geschäft von Sabine Keller-Busse wiesen alle Sparten sinkende Gewinne aus. Schwächelt die UBS, schlagen aber die absehbaren Verluste der CS in der Gesamtgruppe stärker zu Buche. Im Kerngeschäft der Vermögensverwaltung sank der Gewinn im zweiten Quartal um 4 Prozent, im ersten Halbjahr um 6 Prozent. Bei der viel kleineren Julius Bär legte der Vorsteuergewinn dagegen im gleichen Zeitraum zweistellig zu. Die UBS hat in der Vermögensverwaltung eine Besonderheit: ihr grosses US-Geschäft, das rund 50 Prozent der Sparte ausmacht. US-Kunden und -Kundinnen ziehen derzeit Einlagen ab, um sie lukrativer bei Geldmarktfonds anzulegen. Dieser Effekt dürfte sich fortsetzen. Sprich: Sparten-Chef Iqbal Khan ist gleich doppelt gefordert: Er muss das dümpelnde US-Geschäft auf Vordermann bringen. Gleichzeitig muss er die Vermögensverwaltung der Credit Suisse vor der Implosion bewahren.
Personalabbau
Am 5. September dürften gemäss Insider die ersten Kündigungen bei den Schweizer CS-Angestellten eintrudeln. In der Schweiz spricht Bankchef Ermotti von nur 3000 Entlassungen, die im Zuge der Vollintegration nötig seien. Der wahre Personalabbau ist aber viel grösser, weil bei der Zahl von 3000 Kürzungen freiwillige Abgänge und Frühpensionierungen nicht mitgezählt werden. CS-Insider taxieren den wahren Jobabbau in der Schweiz auf rund 8000 Arbeitsplätze. Insgesamt will die Bank die Kosten um über 10 Milliarden Dollar bis Ende 2026 senken. Wie viel exakt davon auf Personalkürzungen zurückgehen, verrät die Bank nicht; es dürften rund 70 bis 80 Prozent sein. Daraus lässt sich ein Personalabbau von bis zu 30’000 Personen hochrechnen. Abbau bedeutet immer Unruhe, und bei der neuen UBS droht das Phänomen der adversen Selektion: Die guten Leute gehen von sich aus und suchen sich einen neuen Job. Und die schlechten hoffen, dass es sie nicht trifft, und klammern sich an ihren Job.
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Die Kultur
Ein Faktor für den Niedergang der CS war ihre Kultur der Gier und Verantwortungslosigkeit. Diese Kultur hielt vor allem Einzug nach dem Einstieg in das US-Investmentbanking mit den Käufen von First Boston und Donaldson, Lufkin & Jenrette. Ähnliches geschah bei der Deutschen Bank nach der Übernahme der Zockerbude Bankers Trust. Und bei der Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein war es der kleinere Bankverein, welcher der neuen Grossbank den Stempel in Sachen Kultur aufdrückte. Das soll bei der CS nicht passieren, versprach UBS-Präsident Colm Kelleher. Bevor ein CS-Banker oder eine CS-Bankerin bei der UBS weitermachen darf, müsse er oder sie einen «Kulturfilter» durchlaufen. Diese Siegerpose nahmen ihm viele übel. Die Einbindung Tausender CSler bei ihrem neuen Arbeitgeber bleibt eine heikle Übung, zumal den CS-Mitarbeitenden ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl nachgesagt wird.
IT/Rechtseinheiten
Allein die technische Integration ist eine Herkulesaufgabe. Die Credit Suisse hat über 1000 verschiedene Rechtseinheiten, die UBS deren nur rund 300. Die Credit Suisse AG soll im Laufe des Jahres 2024 mit der UBS AG verschmolzen werden. Die Kundenmigration soll dann im Laufe des Jahres 2025 abgeschlossen sein. In einer ersten Phase will die UBS nach der Fusion der Rechtseinheiten zunächst beide Kundenplattformen laufen lassen. Denn die IT-Plattform kann erst dann abgeschaltet werden, wenn kein einziger Kunde und keine einzige Kundin mehr darauf gebucht ist. Sollte die UBS all das in 15 Monaten durchziehen, wie sie es anstrebt, käme das wohl einem Weltrekord gleich. An vielen Orten laufen alte Systeme jahrelang weiter, weil das weniger aufwändig ist als eine mühsame Integration. Doch all das kostet: Allein die Credit Suisse verfügte vor der Übernahme über 13 Rechenzentren mit rund 100’000 Servern. Das Jahresbudget lag bei gut 3 Milliarden Franken.
Abwicklungseinheit
Die UBS hat nach der Übernahme der Credit Suisse wieder eine riesengrosse Abwicklungseinheit am Bein: Sie umfasst Vermögenswerte von 224 Milliarden Dollar. Über die Hälfte davon sind Assets von der Investmentbank der Credit Suisse, die zu zwei Dritteln abgewickelt wird. Bis Ende 2026 will die UBS diese Resterampe zu 50 Prozent verkleinert haben. Wie teuer die Abwicklung wird, hängt auch stark von den Entwicklungen der Finanzmärkte ab. Immerhin: Dank der soliden Kapitalisierung hat die UBS bei der Abwicklung Zeit und muss diese unter Zeitdruck vollziehen.
Wettbewerbsauflagen
Bei der Banken-Elefantenhochzeit wurden die Wettbewerbshüter ausgeladen. Denn bei Bankübernahmen kann der Gläubigerschutz höher gewertet werden als die Wettbewerbsbedenken. Daher hat die Finanzmarktaufsicht (Finma) in der Kartellfrage den Lead, nicht die Weko. Und UBS-Chef Sergio Ermotti erklärte vor den Medien, dass eine Bedingung für die CS-Übernahme war, dass es keine wettbewerbsrechtlichen Auflagen in der Schweiz geben werde. Die Weko nimmt die Übernahme dennoch unter die Lupe und führt derzeit Befragungen dazu durch. Ende September wird sie der Finma ihre Empfehlungen geben. Es würde überraschen, würde die Weko keinerlei Auflagen empfehlen – die Finma muss diese aber nicht aufgreifen. Sollten die Weko-Empfehlungen aber den Weg an die Öffentlichkeit finden, droht die UBS im Inland politisch unter Druck zu geraten.
Die Marke Credit Suisse
Die Marke Credit Suisse wird vollständig verschwinden, auch wenn das Ermotti so bislang nicht aussprechen will – vermutlich auch im Inland. Denn eine Marke ohne eigene Produkte und Unterscheidungsmerkmale ergibt keinen Sinn. Spannend wird sein, ab wann die zahlreichen Sponsoringengagements der Credit Suisse – zum Beispiel im Fussball – vom CS-Logo auf die UBS-Schlüssel umgestellt werden.
Eine grosse Frage bleibt, was aus CS-Mobilbank CSX wird. Die UBS hat hier nichts Vergleichbares im Angebot. Statt einer eigenen Mobilbank hob Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse die digitale Produktlinie Key4 aus der Taufe, die sie aber explizit nicht als CSX-Gegenstück verstanden haben will – was dazu führte, das viele, inklusive der «Handelszeitung»-Autoren, den Sinn von Key4 nicht verstanden haben. Wer weiss: Vielleicht überlebt markentechnisch von der einst stolzen CS am Ende nur noch ihre junge Online-Marke.