Tipps bei Stress oder Mobbing
Hilfe, mein Job macht mich krank – was kann ich tun?

Arbeiten kann einen an Grenzen bringen – und manchmal sogar krank machen. Anhand von zwei Beispielen zeigen wir auf, was Angestellte im Notfall tun sollten.
Publiziert: 22.01.2025 um 00:01 Uhr
|
Aktualisiert: 22.01.2025 um 17:30 Uhr
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Streits mit der Vorgesetzten kann die Psyche schwer belasten.
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

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Gitta Limacher
Beobachter

Sie sind am Ende ihrer Kräfte, können nicht mehr weiterarbeiten und suchen Rat beim Beobachter: Oft landen sie dann bei Gitta Limacher. Die Wirtschaftsjuristin berät seit über zwölf Jahren am Beratungstelefon Angestellte, die gemobbt werden oder andere Konflikte am Arbeitsplatz haben. «Viele in dieser Situation sind völlig verzweifelt und haben riesige Angst davor, wieder arbeiten zu gehen», sagt Limacher.

Das Wichtigste, was sie Betroffenen dann rät: nicht überstürzt kündigen. Entscheidend ist in erster Linie, was der Arzt, die Ärztin entscheidet – ob die Person krankgeschrieben ist und ob sich das auf diesen Job beschränkt oder auch jeden anderen betrifft. Aber was passiert, wenn das Arztzeugnis abgelaufen ist? Und was, wenn es kein Geld mehr gibt?

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Die Antwort darauf hängt von allen Umständen ab. Aufgrund ihrer Erfahrung hat Gitta Limacher zwei typische Geschichten nachgezeichnet: die von Tina und die von Valentina. Daran sieht man auch, welch grosse Auswirkungen ein Urteil des Bundesgerichts vom März 2024 hat – dieses entschied, dass Arbeitgeber kündigen dürfen, wenn Angestellte bloss sogenannt arbeitsplatzbezogen arbeitsunfähig sind. Aber was heisst das genau?

Tina: Nach dem Zusammenbruch ist alles ungewiss

Zwei Teamkollegen von Tina machen ihr systematisch das Leben schwer. Sie nehmen Tina nie mit zum gemeinsamen Mittagessen, lachen über ihr Aussehen und über ihre Hobbys, enthalten ihr nötige Informationen vor oder geben ihr sogar falsche, damit Tina Fehler passieren, die dann besonders hervorgehoben werden. Die Chefin unternimmt nichts. Tina ist schwer depressiv geworden, krankgeschrieben und muss sich in einer Klinik psychiatrisch behandeln lassen. 

Niemand weiss, wann sie wieder arbeitsfähig sein wird. Sie möchte gern einen Schlussstrich ziehen und kündigen. Sie fragt sich: Ist das bei Krankheit erlaubt? Und wäre das in ihrer Situation sinnvoll? 

Nicht selbst kündigen

Erlaubt wäre es schon. Der gesetzliche Kündigungsschutz verbietet es nur dem Arbeitgeber, bei Krankheit zu kündigen – während bis zu 180 Tagen, je nach Anzahl Dienstjahren (siehe hier). Tina darf hingegen jederzeit selbst kündigen.

Aber: Der Arzt hat Tina krankgeschrieben, damit sie gesund werden kann. Und sich erst später darum kümmern muss, wie ihr Berufsleben weitergeht. Das bezweckt auch der Gesetzgeber mit dem Kündigungsschutz. Tina tut sich keinen Gefallen, wenn sie selbst kündigt und auf diesen Schutz verzichtet.

Auch die Finanzen sprechen klar dagegen, dass Tina kündigt. Der Betrieb muss den Lohn laut Gesetz nur für ein paar Wochen bis Monate zahlen – und höchstens so lange, bis der Vertrag endet. Viele haben aber eine Krankentaggeldversicherung, die meistens 80 Prozent des Lohnes während zweier Jahre abdeckt.

Die Sache mit der Beitragszeit

Teils enden diese Taggeldzahlungen aus der Police der Firma aber mit dem Arbeitsvertrag – das ist von den allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängig. Häufig kann man dann zwar in die Einzelversicherung übertreten und selbst Prämien zahlen, doch die sind meist sehr hoch.

Irgendwann wird Tina hoffentlich wieder gesund, arbeitsfähig und sucht einen neuen Job. Falls das nicht gleich klappt, wird sie arbeitslos – auch für diesen Fall ist es besser, wenn sie jetzt nicht selbst kündigt.

Erstens sammeln Kranke weiterhin Beitragszeit bei der Arbeitslosenversicherung, solange sie angestellt sind. Sobald die Anstellung endet, ist damit aber Schluss – selbst wenn eine Taggeldversicherung über das Ende des Arbeitsvertrags hinaus bezahlt. Bei der Arbeitslosenentschädigung gilt: Je mehr Beitragszeit eine Person mitbringt, desto länger erhält sie später Geld. 

Lücken im Lebenslauf

Zweitens machen sich Lücken im Lebenslauf schlecht. Wenn Tina jetzt kündigt, wird man auch Jahre später in ihrem Lebenslauf noch sehen, dass sie zwischen zwei Jobs eine mehrmonatige Lücke hatte. Wie wird sie das potenziellen neuen Arbeitgebern erklären, ohne ihre Jobchancen zu schmälern?

Es bringt Tina auch nicht viel, sich in ihrem jetzigen Zustand arbeitslos zu melden: Sie könnte nur während höchstens 30 Tagen Arbeitslosenentschädigung erhalten. Sogenannte Warte- und allfällige Einstelltage werden davon abgezogen. Und solange sie ein volles Krankentaggeld bekommt, muss die Arbeitslosenversicherung nichts zahlen. Nur in Ausnahmefällen ist es sinnvoll, dass sich Arbeitsunfähige auch arbeitslos melden – etwa dann, wenn sonst niemand zahlt, oder die Beitragszeit zum Problem wird.

Fazit: Kündigen schafft für Tina nur Probleme und bringt nichts. Sie konzentriert sich vorerst aufs Gesundwerden und beurteilt später ihre Situation neu. 

So lange ist man bei Krankheit vor Kündigung geschützt

Bei Arbeitsunfähigkeit können Arbeitgebende während dieser Sperrfristen nicht kündigen:

  • 30 Tage im ersten Dienstjahr, nach Ablauf der Probezeit
  • 90 Tage vom zweiten bis zum fünften Dienstjahr
  • 180 Tage ab dem sechsten Dienstjahr

Eine während dieser Fristen ausgesprochene Kündigung ist ungültig. Sie kann wiederholt werden, sobald die Sperrfrist abgelaufen oder Angestellte wieder gesund sind. Natürlich muss dann noch die vertragliche Kündigungsfrist eingehalten werden.

Achtung: Die Sperrfristen gelten nicht bei rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit.

Bei Arbeitsunfähigkeit können Arbeitgebende während dieser Sperrfristen nicht kündigen:

  • 30 Tage im ersten Dienstjahr, nach Ablauf der Probezeit
  • 90 Tage vom zweiten bis zum fünften Dienstjahr
  • 180 Tage ab dem sechsten Dienstjahr

Eine während dieser Fristen ausgesprochene Kündigung ist ungültig. Sie kann wiederholt werden, sobald die Sperrfrist abgelaufen oder Angestellte wieder gesund sind. Natürlich muss dann noch die vertragliche Kündigungsfrist eingehalten werden.

Achtung: Die Sperrfristen gelten nicht bei rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit.

Valentina: In einem anderen Job wäre sie voll arbeitsfähig

Bei Valentina ist es noch nicht so schlimm – sie hat rechtzeitig die Reissleine gezogen. Bei ihr sind die ewigen Streitereien mit dem cholerischen Chef komplett ausgeartet. Am Ende hat er Valentina vor versammelter Belegschaft angeschrien und als inkompetent beschimpft, bis ihr die Tränen kamen.

Valentina litt unter typischen Stresssymptomen: Sie konnte nicht mehr schlafen, hatte Magen-Darm-Probleme und Bluthochdruck. In einem anderen Arbeitsumfeld wäre sie voll arbeitsfähig. Die Hausärztin hat sie krankgeschrieben, aber nur sogenannt arbeitsplatzbezogen. Valentina hadert jedoch damit, zu kündigen. Zu sehr fürchtet sie negative Folgen. 

Bleiben erscheint für sie keine Option

Doch Valentina ist bei der Stellensuche nicht eingeschränkt – an einer neuen Stelle wäre sie voll einsatzfähig. Deshalb ist Valentina nicht besonders geschützt: Der Chef kann ihr jederzeit ordentlich kündigen, es läuft keine Sperrfrist. Das hat das Bundesgericht in einem wegweisenden Entscheid 2024 klipp und klar festgehalten.

Ein weiterer Punkt: Auch Krankentaggeldversicherer spielen hier nicht lange mit. Sie befristen das Taggeld und verlangen, dass man sich beruflich neu orientiert. Im alten Job zu bleiben, ergibt auf Dauer also schlicht keinen Sinn. 

Eine Frage der Zumutbarkeit

Valentina fürchtet sich aber vor Einstelltagen, an denen sie keine Arbeitslosenentschädigung erhält, wenn sie selber kündigt. Muss sie deshalb warten, bis sie entlassen wird oder die Versicherung den Geldhahn abdreht? Nicht unbedingt.

Normalerweise ist man natürlich selbst schuld, wenn man eine zumutbare Stelle ins Blaue hinaus kündigt, ohne zuvor eine neue gefunden zu haben. Kein Stück besser wird es, wenn man eine Aufhebungsvereinbarung unterschreibt. Dadurch verliert man 31 bis zu 60 Taggelder – das bedeutet bis zu rund drei Monate lang kein Geld.

Krank durch den Job: Hier finden Betroffene Hilfe
  • Belastende Arbeitsbedingungen wie Mobbing werden in der Regel nicht besser, wenn man zuwartet.
  • Besser, man wendet sich wenn möglich zunächst an die direkte Vorgesetzte.
  • Ist die Chefin das Problem – oder unternimmt sie nichts –, kann man sich an die nächsthöhere Person oder die Personalstelle wenden und auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hinweisen.
  • Wenn man intern nicht weiterkommt, kann man ans kantonale Arbeitsinspektorat gelangen.
  • Bei körperlichen oder psychischen Beschwerden geht man am besten zum Arzt. Er kann einen bei Bedarf krankschreiben oder an eine Fachärztin überweisen.
  • Spezialisierte Mobbingberatungsstellen findet man hier.
  • Belastende Arbeitsbedingungen wie Mobbing werden in der Regel nicht besser, wenn man zuwartet.
  • Besser, man wendet sich wenn möglich zunächst an die direkte Vorgesetzte.
  • Ist die Chefin das Problem – oder unternimmt sie nichts –, kann man sich an die nächsthöhere Person oder die Personalstelle wenden und auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hinweisen.
  • Wenn man intern nicht weiterkommt, kann man ans kantonale Arbeitsinspektorat gelangen.
  • Bei körperlichen oder psychischen Beschwerden geht man am besten zum Arzt. Er kann einen bei Bedarf krankschreiben oder an eine Fachärztin überweisen.
  • Spezialisierte Mobbingberatungsstellen findet man hier.

Doch nur eine selbst verschuldete Arbeitslosigkeit führt zu Einstelltagen. Bei Valentina gibt es ja medizinische Gründe. Valentina kann sich von der Ärztin – vor der Kündigung und nicht erst hinterher – schriftlich bestätigen lassen, dass die bisherige Stelle aus medizinischer Sicht nicht mehr zumutbar ist und sie gezwungen ist, zu kündigen. Zusätzlich sollte die Ärztin sie bis zum Schluss krankschreiben.

Wer so vorgeht, erhält in der Regel keine Einstelltage. Denn es wird nur verlangt, dass man eine zumutbare Stelle behält, bis man eine neue gefunden hat – eine unzumutbare nicht. Die Arbeitslosenversicherung kann ein mögliches Selbstverschulden dennoch sauber überprüfen und von den Betroffenen und ihren ehemaligen Arbeitgebern Stellungnahmen einholen. Die Bestätigungen der Ärztin sind für Valentina wichtige Beweismittel in diesem Verfahren.

Fazit: Das Beste für Valentina ist wohl, den belastenden Job zu künden, um Ihre Gesundheit zu schützen. Wenn sie genau so vorgeht und sofort mit der Stellensuche beginnt, bleibt sie in der Regel von Einstelltagen verschont. Eine Garantie abgeben lässt sich jedoch nicht.

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