Die Offerte des Stromanbieters liest sich wie eine Hiobsbotschaft. Ab 1. Januar 2023 soll Hotelier Olivier Andenmatten für die Kilowattstunde einen Franken zahlen. Letzten Monat waren es noch 42 Rappen, im Sommer davor vier Rappen. «Das wäre nicht machbar, dann kann ich schliessen», sagt der Patron, der in Grächen VS das Hotel Hannigalp führt.
Um einen Teil der überteuerten Energiekosten abzufedern, hat Andenmatten schon im März einen Entscheid gefällt: Der Tennisplatz muss weg. Wo früher Rackets geschwungen wurden, soll ab September Strom produziert werden. Für 150'000 Franken lässt der Hotelier eine Fotovoltaikanlage bauen. Sie wird – geht der Plan auf – die Hälfte des Bedarfs abdecken.
Rund 100'000 Kilowattstunden wird Andenmatten weiterhin einkaufen müssen. Die Folgen bekommen seine Gäste zu spüren: «Ohne Aufschlag bei den Zimmerpreisen geht es nicht.» Drei bis fünf Prozent mehr wird in diesem Winter eine Übernachtung im Hotel Hannigalp kosten.
280'000 Franken für einen Skitag
Die Stromkrise verteuert aber nicht nur die Betten, für Familien wird die Ferienrechnung grundsätzlich happig. Denn auch viele Bergbahnen schlagen auf. In Grächen kostet ein Tag Skifahren neu 63 Franken, sieben Franken mehr als in der vergangenen Saison. Auf der anderen Seite des Lötschbergtunnels, in Adelboden-Lenk BE, wird man für die Tageskarte knapp drei Prozent mehr bezahlen müssen (70 Franken), in Meiringen-Hasliberg fünf Prozent (62 Franken). Und auch im Engadin wird Skifahren teurer. In Samnaun steigt der Preis für eine Tageskarte um sechs Franken auf 66.50 Franken, wie der Blick gestern berichtete.
Ein Trend, der sich in naher Zukunft noch akzentuieren wird, wie Berechnungen der Unternehmensberatung Grischconsulta zeigen. Aktuell belaufen sich die Kosten für einen Skitag in der Wintersportregion Arosa Lenzerheide auf rund 280'000 Franken. Darin enthalten sind Betrieb, Beschneiung und Präparation der Pisten sowie die Kosten für Marketing und Informatik. Die energieintensive Beschneiung und Pistenpräparation kostet rund ein Viertel, also 70'000 Franken.
Tourismusexperte Jürg Stettler von der Hochschule Luzern geht davon aus, dass diese Kosten aufgrund der massiv gestiegenen Strom- und Dieselpreise unterdessen sehr viel höher liegen.
Die Branche, die jährlich eine Wertschöpfung von sechs Milliarden Franken erzielt, ächzt. In den Bergregionen ist jede vierte Stelle direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. «Die Strompreise sind längerfristig Gift für die Wirtschaft», sagt Berno Stoffel, Direktor von Seilbahnen Schweiz. «Bleiben sie so hoch, bricht das ganze System zusammen.» Neben den Energiekosten macht den Bergbahnen auch die Inflation zu schaffen. Ersatzteile kosten mehr, der Unterhalt der Anlagen wird kostenintensiver.
Lichter löschen, Heizungen runterdrehen
Sparen ist also auch in den Bergen angesagt. «Natürlich ziehen wir mit», sagt Berno Stoffel. Bis Mitte September will sein Verband eine Liste mit Massnahmen erarbeiten. Bereits heute ist klar: Da und dort werden Skifahrerinnen und Skifahrer auf die Annehmlichkeit eines geheizten Sessellifts verzichten müssen.
Die Bergbahnen sind für 0,3 Prozent des Stromverbrauchs in der Schweiz verantwortlich. Damit sind sie kein entscheidender Player. «Wenn wir sparen, löst dies das Problem allein nicht», sagt Stoffel. Das Sparziel des Bundes von 15 Prozent sei ohne eine Angebotsreduktion nicht umsetzbar. Eine klare Absage erteilt Stoffel schon heute jenen Stimmen, die einen Beschneiungsstopp fordern: «Schneekanonen sind die Grundlage für eine erfolgreiche Wintersaison.»
Etwas komfortabler gestaltet sich die Situation in der Jungfrau-Region. Ein Fliesswasserkraftwerk produziert dort im Sommer Strom: jedes Jahr 60 Millionen Kilowattstunden. Trotzdem müssen auch die Berner Oberländer im Winter zukaufen. Weil man dies bis Ende 2023 zu guten Konditionen machen konnte, erhöhen die Bahnen die Preise in dieser Saison nicht.
Sparen ist indes auch im Schatten der Eigernordwand ein Thema. Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen, hat vor zwei Wochen ein E-Mail an seine Mitarbeitenden verschickt: Lichter löschen, Heizungen runterdrehen. «Jede Firma hat die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, damit es weniger schlimm kommt als befürchtet», sagt Kessler, der mit gutem Beispiel vorangehen will und deshalb seinen privaten Jacuzzi kalt gestellt hat.
Geht der Schweiz der Saft aus?
Ebenfalls nicht in Alarmstimmung ist Andreas Züllig, Präsident des Hotellerieverbandes und Gastgeber im Schweizerhof auf der Lenzerheide. Grund dafür sind langfristige Tarifverträge mit dem örtlichen Elektrizitätswerk, die die Hotels in der Region vor exorbitanten Stromkosten schützen – vorerst. Doch nicht alle Touristiker in den Alpen befinden sich in dieser vorteilhaften Situation. «Hotels und Bergbahnen, deren Verträge mit Stromlieferanten auslaufen, müssen derzeit massiv mehr hinblättern», sagt Züllig. Kurzfristig bleibt den Unternehmen deshalb nichts anderes übrig, als die gestiegenen Energiekosten an die Kunden weiterzugeben. Denn die Margen stehen bereits durch die gestiegenen Personalkosten erheblich unter Druck. Zudem hat die Inflation die Einkaufspreise für Lebensmittel verteuert. Der finanzielle Spielraum ist aufgebraucht.
Hinzu kommt die Angst vor einer allfälligen Kontingentierung des Stroms, falls der Schweiz der Saft ausgeht. Züllig sagt: «Wenn der Wellnessbereich oder die Hallenbäder geschlossen werden müssen, können wir kein Schlechtwetterprogramm anbieten. Dann fehlen uns die Kunden und damit auch die Umsätze.»
Ob und inwiefern die Wintertouristiker dann mit einer unkomplizierten und schnellen Bundeshilfe rechnen dürfen, wie es während der Pandemie der Fall war, ist ungewiss. «Wir gehen nicht davon aus, dass die Berggebiete bei einer allfälligen Abschaltung entschädigt werden», so Züllig.
Teurer Strom, höhere Personalkosten, drohendes Blackout: Die Gemengelage in den Wintersportorten ist bereits vor dem ersten Schnee explosiv. Und es droht ein weiterer Nachteil. Norbert Hörburger, Tourismusexperte an der Fachhochschule Graubünden, sagt: «Ein reduziertes Angebot führt unweigerlich zu einem Wettbewerbsnachteil, damit könnten Winterferien im nahen Ausland attraktiver werden.» Vorausgesetzt, die Österreicher haben dann genug Pfuus.