Geht in der Schweiz das Lichterlöschen los? Ob und wie ernst uns eine Strommangellage im Winter trifft, ist noch unklar. Doch der Verteilkampf um den Strom läuft längst. Vor allem die Tourismusbranche ist in Alarmbereitschaft. Denn wenn es so weit kommt, dass die Schweiz beim Energiesparen den Notfallplan aktivieren muss, sieht der Bund vor, auch den Skiliften den Saft abzudrehen.
Weil die Touristiker für ihre Skilifte weibeln, haben sie nun eine Debatte um den Stromverbrauch in den Alpen losgetreten. Die einzigen, die allerdings Einschätzungen über dessen Umfang abgeben können, ist die Branche selbst, beziehungsweise Seilbahnen Schweiz. Der Verband gibt den jährlichen Energieverbrauch mit 183 Gigawattstunden an. Mit eingerechnet sind neben dem Energieverbrauch der Bergbahnen an sich auch der Stromverbrauch für Kunstschnee und Dienstleistungen wie der Gastronomie.
So viel Strom wie 30'000 bis 40'000 Haushalte
«183 Gigawattstunden entsprechen in etwa dem Energieverbrauch von 30'000 bis 40'000 Schweizer Haushalten pro Jahr», ordnet ETH-Forscher Marius Schwarz (32), der am Energy Science Center der ETH Zürich forscht, ein. Gemessen am gesamten Stromverbrauch der Schweiz sei das weniger als ein Prozentpunkt.
Für Schwarz setzt die Diskussion ums Stromsparen in den Alpen am falschen Punkt an. «Wenn man Strom sparen will, muss man immer jene finden, für welche das am wenigsten Verzicht bedeutet.» Im Fall des Wintersports heisse das auch abzuwägen, welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen es hätte, dort den Verbrauch herunterzufahren.
«Grundsätzlich ist es auch immer weniger schmerzhaft, mehr Strom zu erzeugen als im Notfall abzuschalten», so Schwarz weiter. Just die Alpen hätten grosses Potenzial für die Stromerzeugung im Winter: Denn laut einer von Schwarz durchgeführten Untersuchungen könnten Solaranlagen in höchsten Höhen nämlich deutlich mehr Strom liefern als jene im nebligen Mittelland.
Ohne Schneekanonen geht es nicht
Wintersport, das umfasst nicht nur die Bergbahnen: Etwa ein Drittel des Stromverbrauchs wird für die künstliche Beschneiung verbraucht – um die 60 Gigawattstunden. Laut einer schon etwas älteren Studie des Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF) braucht die Beschneiung eines grösseren Skigebietes damit ähnlich viel Strom wie ein Hallenbad in einem Bergdorf in einem Jahr.
Die Schneekanonen stehen aber weniger wegen ihres Stromverbrauchs in der Kritik, als wegen der ökologischen Folgen. Umweltorganisationen kritisieren seit Jahren deren Wasserverbrauch.
«Ökologisch unsinnig»
Für den Walliser Grünen-Politiker Christophe Clivaz (53) ist denn auch klar, dass die Schneekanonen zuoberst auf der Liste stehen müssen, sollte in der Schweiz der Strom tatsächlich knapp werden. «Die Diskussion zeigt einmal mehr, dass immer mehr in die Technologisierung der Berge zu investieren keine Lösung ist», so Clivaz. Dass heutzutage sämtliche grossen Skigebiete von Kunstschnee abhängig sind, sei ökologisch unsinnig.
Clivaz gibt allerdings auch zu bedenken, dass die Sache mit den Schneekanonen gar nicht so einfach ist. Denn ihr grosser Einsatz ist im Normalfall im November, eine Strommangellage wird aber erst später erwartet.
Klar ist für den Walliser aber: Wenn die Skilifte wegen Stromsparmassnahmen des Staates nicht oder nur eingeschränkt funktionieren können, müssten die betroffenen Unternehmen entschädigt werden. Ähnlich wie in der Corona-Pandemie.