Auf einen Blick
- Andreas Schönenberger will mit mehr Eigenverantwortung und Transparenz die Gesundheitskosten senken
- Seine Idee basiert auf dem Singapur-Modell, das vor 14 Jahren schon mal Thema war
- Gleichzeitig will der Sanitas-CEO auch den gesunden Lebensstil belohnen
Die Kosten im Schweizer Gesundheitssystem steigen und steigen – mit negativen Folgen für die Krankenkassenprämien. Der Prämienhammer für 2025: ein durchschnittlicher Anstieg von sechs Prozent. Und schon für dieses Jahr gab es ein happiges Plus von 8,7 Prozent im Schnitt.
Damit ist allen Akteuren klar: Es braucht Reformen. Die Diskussionen dazu laufen schon lange. Nur ist es schwierig, mehrheitsfähige Lösungen zu finden – zu unterschiedlich sind die verschiedenen Positionen. Jetzt legt Andreas Schönenberger (59), seit 2019 CEO der Sanitas, einen provokanten Vorschlag auf den Tisch. Er bringt in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» das Gesundheitssystem von Singapur als Vorbild für die Schweiz ins Spiel.
Singapur-Modell basiert auf Eigenverantwortung
Im südostasiatischen Kleinstaat stemmen die Bürger die Kosten für die öffentliche Gesundheitsversorgung selber. Die Patienten zahlen jedes Jahr vorgeschriebene Beiträge in ihr eigenes Gesundheitskonto ein. Mit diesem Geld finanzieren sie dann ihre medizinischen Ausgaben. Bei grösseren Eingriffen greift eine Pflichtversicherung, die in etwa der Schweizer Grundversicherung entspricht. Und bei chronisch Kranken und Geringverdienenden hilft Singapur mit einem aus Steuergeldern gefütterten Staatsfonds aus.
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Für Schönenberger hat dieses Modell einige Vorteile: In Singapur werde Eigenverantwortung grossgeschrieben. «Mechanismen der Eigenverantwortung sind grundsätzlich kosteneffizienter, sie bedingen aber Transparenz», so Schönenberger im Interview. Dies würde dem Schweizer System guttun. «Die Anbieter wären gezwungen, Transparenz zu schaffen.» Dem Sanitas-Chef gefällt am Singapur-System auch, dass das individuell gesparte Guthaben innerhalb der Familien teilbar und vererbbar ist. «Ich sehe es positiv, wenn das gesparte Gesundheitsbudget nicht einfach verfällt.»
Sollen nur Reiche teure Medikamente erhalten?
Die Idee mit dem Singapur-Modell für die Schweiz ist nicht neu. Bereits 2010 brachte ein jurassischer SVP-Nationalrat einen Vorstoss dazu ein. Die Motion war im Parlament chancenlos. Und der Bundesrat lehnte sie unter anderem mit der Begründung ab, dass die Einführung des Singapur-Modells «den Zugang zur medizinischen Versorgung nicht mehr für alle Bevölkerungsgruppen gleichermassen» gewährleisten würde.
Der Bundesrat befürchtete damals also eine Mehrklassenmedizin. Doch Schönenberger sieht das nicht negativ. «Eine Mehrklassenmedizin kann sogar positiv sein für die Gesellschaft.» Heruntergebrochen argumentiert er so: Wohlhabende testen ein teures Medikament, das sich der Rest nicht leisten kann. Wenn dieses wirkt und sich bewährt, dann setzt es sich für alle zu einem tieferen Preis durch.
Geld zurück bei gesundem Lebensstil
Der Sanitas-CEO befürwortet auch Rabatte für Menschen, die gesundheitsbewusst leben. Nur: In der Grundversicherung ist das bisher gesetzlich nicht erlaubt. «Bis zu einem gewissen Grad macht es sicher Sinn, einen gesunden Lebensstil zu belohnen», sagt Schönenberger im Interview. Er fordert: «Wer sich viel bewegt und ein gesundes Gewicht hat, soll Geld zurückerhalten.» Und zwar auch bei den Krankenkassenprämien.
Laut Schönenberger arbeitet eine breit abgestützte Gruppe vom Thinktank Avenir Suisse an Ideen, die auf dem Singapur-Modell basieren. Das gemeinsame Ziel: «Es braucht jetzt einen gemeinsamen Effort, um das Problem der Kostensteigerung zu lösen.»