Reisebüro-Chef André Lüthi von Globetrotter macht klar
«Fliegen ist viel zu günstig»

Er ist Chef der viertgrössten Reisegruppe der Schweiz. Und findet Fliegen viel zu günstig. André Lüthi (58), weiss auch: «Ich bin Teil des Problems».
Publiziert: 20.01.2019 um 18:48 Uhr
|
Aktualisiert: 13.03.2019 um 12:56 Uhr
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André Lüthi ist Präsident und CEO der Globetrotter Holding.
Foto: Thomas Meier
Interview: Moritz Kaufmann

Als Sie mit Ihrem Sohn durch Südamerika reisten, mussten Sie beim Machu Picchu zwei Stunden Schlange stehen. Denkt man sich da als Reisebüro-Chef nicht: Was habe ich angerichtet?
André Lüthi: Ja. Und das tut mir weh. Zum einen liegen im Tourismus viele Chancen. Einerseits volkswirtschaftlich, aber vor allem, was die Völkerverständigung, das Lernen sowie den Respekt für andere Kulturen angeht. Und dann steht man am Machu Picchu oder vor dem Taj Mahal und denkt: Wo führt das hin? Dazu kommen die soziokulturellen und ökologischen Probleme. In solchen Situationen bin ich überfordert – und weiss, dass ich ein Teil des Problems bin.

Würden Sie als Reiseberater raten, diese Attraktionen auszulassen?
Ja – respektive auf die Situa­tion aufmerksam machen. Wir nehmen unseren Beruf ernst, wenn wir sagen: Beim Taj Mahal stehen Hunderte an, es gäbe noch ein anderes Indien. Ganz wichtig aber ist: Den Entscheid fällt der Kunde. Und im Moment wollen die meisten von ­ihnen den Taj Mahal 
verständlicherweise noch 
sehen.

Wie reist man denn 
heutzutage richtig?
Es gibt kein Richtig oder Falsch. Ich will nicht das eine gegen das andere ausspielen. Aber ich glaube, es lohnt sich, wenn man drei oder vier Wochen am Stück reist. Wichtig ist, dass man sich vorbereitet und sich auf das Land einlässt, statt dass man fünf Mal im Jahr eine Kurzreise macht, nur weil die Flüge so günstig sind.

Mit diesem Vorschlag 
haben Sie viele in der 
Reisebranche gegen sich aufgebracht.
Das verstehe ich ja. Die Kollegen haben ein ganz anderes Geschäftsmodell. Sie wollen ihre Charter-Flüge und Hotels füllen und sind erfolgreich damit. Das Produkt ist der Traumstrand. Doch leider sehen die Strände, die Hotels, die Buffets auf der ganzen Welt immer gleicher aus – und, etwas zynisch gesagt: Wenn ich mich nur im Hotelumfeld bewege, wird es schwierig, zu unterscheiden, ob ich jetzt auf Bali oder auf den Seychellen bin.

Sie gelten als Outlaw.
Ich provoziere gerne ein bisschen – damit die Diskussion entsteht! Aber gerade letzte Woche sass ich mit den anderen Reisebüro-Chefs zusammen beim Fondue. Wir diskutieren hart, sind aber auch Kollegen. Und eventuell sagen die anderen ja hinter vorgehaltener Hand auch mal: «Vielleicht hat Ändu ja o chli rächt ...»

Was machen Sie anders?
Nicht anders – aber vielleicht spezialisierter im Vergleich zu einem grossen ­Badeferien-Anbieter. Mit uns reisen jedes Jahr total 70'000 Kunden, aber jede Reise ist anders.

Speziell bei Ihnen ist: Man muss ins Reisebüro!
Wir machen fast nur Beratung auf Termin. Jede Reise ist für den Kunden massgeschneidert. Das Segment, das bei uns am besten wächst, sind die Frühpensionierten und Pensionierten.

Die Nummer vier

Die Globetrotter Holding umfasst 14 Firmen und 23 Marken. Im Schweizer Reisemarkt ist sie die Nummer vier hinter Hotelplan, Kuoni und Tui. Globetrotter setzt auf Individualtourismus – und ist erfolgreich damit. Das Jahr 2018 werde das «beste oder zweitbeste» in der Firmen­geschichte. Dies, obwohl das vergangene Jahr für die Reisebranche aus diversen Gründen schwierig war – etwa ­wegen des heissen Sommers. Im bisher besten Jahr erzielte Globetrotter 264Millionen Franken Umsatz.  

Die Globetrotter Holding umfasst 14 Firmen und 23 Marken. Im Schweizer Reisemarkt ist sie die Nummer vier hinter Hotelplan, Kuoni und Tui. Globetrotter setzt auf Individualtourismus – und ist erfolgreich damit. Das Jahr 2018 werde das «beste oder zweitbeste» in der Firmen­geschichte. Dies, obwohl das vergangene Jahr für die Reisebranche aus diversen Gründen schwierig war – etwa ­wegen des heissen Sommers. Im bisher besten Jahr erzielte Globetrotter 264Millionen Franken Umsatz.  

Ihre Konkurrenten investieren ins Onlinegeschäft.
Wir haben uns entschieden, bei diesem Kampf nicht mitzumachen. Es hat keinen Sinn, gegen Booking.com oder Kayak anzutreten. Da haben wir keine Chance. Bei uns beträgt der Onlinebuchungsanteil ein Prozent! Wir stellen unsere Beraterinnen und Berater in den Mittelpunkt.

Sie machen sich für lange Reisen stark. Viele Chefs erlauben es ihren Angestellten gar nicht, mehr als zwei Wochen am Stück freizunehmen.
Das fängt doch ganz woanders an: bei den CEOs und Chefs. Wenn man denen sagt: «Nimm doch mal vier Wochen Ferien, das würde dir guttun», sagen die meisten: «Das geht nie und nimmer!» Dasselbe sagen sie dann leider auch den Mit­arbeitenden. Ich provoziere oft: Ein CEO, der nicht vier Wochen am Stück wegkann, ist nicht wirklich gut orga­nisiert, und es fehlt möglicherweise an Vertrauen in die Führungscrew.

Sind Sie viel unterwegs?
Letztes Jahr waren es etwa zwölf Wochen. Aber Beruf und Freizeit vermischen sich. Ich leite VIP- und Spezialreisen oder reise zu den Olympischen Spielen, weil wir alle Reisen für die Schweizer Athleten organisieren. Privat sind es fünf bis sechs Wochen im Jahr.

Die Schweiz ist so ein schönes Land! Warum 
jetten wir eigentlich wie Verrückte durch die Welt?
Ich war mal vier Monate mit Nomaden im Himalaya unterwegs. Die haben mich gefragt: «Was bist du für einer, warum reist du überhaupt? Bist du dann glücklicher?» (lacht). Ich glaube es liegt in der menschlichen Natur, dass man sehen und entdecken will, was hinter dem Hügel liegt, dass man aufbrechen will zu neuen Horizonten. Das ist die eine, die psychologische Seite.

Und die andere?
Das Angebot! Wir, die Reisebranche, die Airlines kommen ins Spiel – wir bieten von der Pauschal- bis zur ­Individualreise alles an. Und es wird immer günstiger.

Ist Fliegen zu günstig?
Viel zu günstig! Es wurden Überkapazitäten geschaffen. Die Airlines haben in mehr und grössere Flugzeuge investiert. Also muss man sie auslasten. Es gibt nichts Teureres als einen Flieger am Boden. Deshalb kann man für 40 Franken nach London fliegen.

Sind Sie für eine 
Flugsteuer?
Und wer bekommt dann das Geld für was ? Der Staat? Ich weiss nicht. Ich glaube kaum, dass man das politisch lösen kann. Die grösste Macht hat immer noch der Konsument. Es braucht einfach mehr Bewusstsein – bei den Airlines und bei den Reisenden.

Mister Globetrotter persönlich

André Lüthi (58) wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Schmitten FR auf und absolvierte eine Lehre als Bäcker-Konditor. 1982 unternahm Lüthi seine erste grosse Reise in die USA. Danach liess ihn das Weltenbummeln nicht mehr los. 1987 stieg er beim Reiseunternehmen Globetrotter ein. Heute ist er VR-Präsident und CEO der Globetrotter Holding. Er ist auf den sozialen Medien sehr präsent und ein gefragter Speaker an Management-Veranstaltungen und an der Uni. Lüthi hat einen Sohn und eine Tochter.

André Lüthi (58) wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Schmitten FR auf und absolvierte eine Lehre als Bäcker-Konditor. 1982 unternahm Lüthi seine erste grosse Reise in die USA. Danach liess ihn das Weltenbummeln nicht mehr los. 1987 stieg er beim Reiseunternehmen Globetrotter ein. Heute ist er VR-Präsident und CEO der Globetrotter Holding. Er ist auf den sozialen Medien sehr präsent und ein gefragter Speaker an Management-Veranstaltungen und an der Uni. Lüthi hat einen Sohn und eine Tochter.

Noch mal zurück zur Schweiz: Muss man 
immer so weit weg?
Klar fände ich es schlauer, wenn die Leute ins Tessin zum Wandern gehen würden, statt in die Welt hinauszujetten. Aber wir sind nun mal Menschen mit Entdeckerdrang, mit Sehnsucht nach dem Fernen. Übrigens: Ich komme jedes Mal sehr gern nach Hause. Ich bin stolz auf die Schweiz – mehr noch als vor 35 Jahren. Das Reisen lehrte mich die Schweiz extrem zu schätzen. Und wissen Sie, was ich noch schön finde?

Erzählen Sie!
An fremden Orten zeigen die meisten Schweizer Demut und Anstand. Wir respektieren alle, auch das Zimmermädchen. Ich habe viele Reisen mit Schweizern geleitet. Bis ein Schweizer sich in einer fremden Kultur auffällig benimmt, braucht es viel. Es gibt aber Menschen, die benehmen sich in einem fremden Land zum Teil wirklich wie die Elefanten im Porzellanladen. Das finde ich schade!

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