Langes Warten auf die Papierkapseln der Nestlé-Tochter
War die Nespresso-Breitseite gegen die Migros nur eine Finte?

Im vergangenen November kündigte Nespresso die Lancierung von kompostierbaren Kaffeekapseln auf Papierbasis an. Kurz nachdem die Migros ihren Kompostkugel-Coup lanciert hatte. Doch die Nespresso-Boutiquen in der Schweiz müssen sich gedulden, wie Blick erfahren hat.
Publiziert: 02.06.2023 um 01:02 Uhr
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Im vergangenen November präsentierte Nespresso seine neue Kaffeekapsellösung aus rezykliertem Papier.
Foto: Darrin Vanselow

Wo bleibt die kompostierbare Kaffeekapsel aus Papier, hergestellt in Schweizer Nespresso-Fabriken? Das fragen sich nicht nur Liebhaber von Kapselkaffee, sondern auch die Kaffeeverantwortlichen bei der Migros.

Denn als der orange Riese im vergangenen September die «grössten Produkte-Innovation der Firmengeschichte» auf den Schweizer Markt brachte – Coffee B, eine kompostierbare Kaffeekugel mit neuer Maschine – ging nur kurze Zeit später Nespresso offensiv an die Medien.

Und feuerte eine Breitseite Richtung Migros ab. Drei Jahre lang habe Nespresso an heimkompostierbaren Kaffeekapseln aus Papier gearbeitet, versicherte Nespresso-CEO Guillaume LeCunff (51) im November gegenüber Blick. Bis im zweiten Quartal 2023 wolle man die Papierkapsel in den grössten Schweizer Nespresso-Boutiquen der Schweiz einführen.

Kritiker sagen, die Ankündigung Nespressos so kurz auf den Migros-Coup sei lediglich eine Finte gewesen, um nicht ohne nachhaltige Alternative dazustehen – und das im einzigen Herstellerland von Nespresso.

Die Nestlé-Tochter wehrt sich gegen diese Darstellung, räumt gegenüber Blick nun aber Verzögerungen bei der Schweizer Lancierung der Papierkapseln ein.

Hierzulande komme die Papierkapsel frühestens Ende Jahr zunächst in eine Flaggschiff-Boutique in Genf. Die Deutschschweiz kommt erst 2024 zum Zug. Dabei ist die Nachfrage nach den Papierkapseln gross, wie Nespresso weiter festhält.

Frankreich bekommt Vortritt

Seit 22. Mai kann der Kaffee aus Papierkapseln in Frankreich probiert, ab Juni auch in Flaggschiff-Boutiquen wie in Paris oder Lyon gekauft werden. In limitierter Auflage. Der Preis liege im selben Rahmen wie die herkömmlichen Nespresso-Kaffeekapseln. Konkret: ab 0.45 Franken pro Kapsel.

Warum erhält Frankreich den Vortritt? «Wir haben uns dafür entschieden, weil die Konsumenten in Frankreich die Möglichkeit haben, die Kapseln zu Hause oder über das öffentliche Recycling-System zu kompostieren», sagt Nespresso-Sprecherin Jessica Chakhsi auf Nachfrage. Sprich: Die Papierkapseln werden in Frankreich in gemeinschaftlichen Komposttonnen akzeptiert, was in der Schweiz noch nicht der Fall sei. «Wir arbeiten aktiv mit den lokalen Behörden zusammen, um sicherzustellen, dass die neuen Kapseln auf Papierbasis im öffentlichen Bioabfall-Recyclingsystem akzeptiert werden», fügt Chakhsi an.

Der Kauf als Erlebnis

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Schweizer Konsumenten können die Papierkapseln im eigenen Kompost rezyklieren oder den kostenlosen Retouren-Service in den Nespresso-Boutiquen beanspruchen, wie mit den herkömmlichen Alu-Kaffeekapseln. Für die Papierkapseln wäre das schon jetzt möglich.

Chakhsi erklärt, dass Nespresso bei der Lancierung alle Recycling-Möglichkeiten anbieten will. Und weiter, dass Nespresso seine Innovation in den Boutiquen «vollständig erlebbar» machen will: «Neue Produkte brauchen viele Erklärungen und eine besondere Präsentation», sagt sie. Deshalb die Lancierung in Flaggschiff-Boutiquen.

Unter dem Strich geht es darum, dass Nespresso in den Pilotmärkten Schweiz und Frankreich wichtige Konsumenten-Feedbacks für die weitere Vermarktung der neuen Kapseln einholt. Deshalb wolle Nespresso alles richtig machen. Jedoch verstreicht so auch wertvolle Zeit im Wettkampf mit der Migros bei nachhaltigen Kaffee-Lösungen.

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