Die Kryptobranche hat nicht den besten Ruf. Auch der Schuldspruch des FTX-Gründers Sam Bankman-Fried (31) hilft da nicht. Doch im Schatten der Skandale zeigt sich insbesondere Bitcoin als gesuchte Anlage. Der Kurs steigt. Die Hürden einzusteigen, werden tiefer. Und auch die US-Behörden lassen ihr Misstrauen langsam fallen.
Bitcoin-Kurs auf Höhenflug
Seit Mitte Oktober ist der Bitcoin-Kurs im Aufwärtstrend. Letzte Woche knackte er erstmals seit Mai 2022 die Marke von 35'000 Dollar. Laut Analysten des US-Vermögensverwalters Bernstein soll der Kurs bis Mitte 2025 auf 150’000 Dollar ansteigen. Doch diese Einschätzung teilen keineswegs alle Experten. «Würde man den vielen Preispropheten Glauben schenken, müsste der Bitcoin-Preis jeweils gleichzeitig bei null und einer Million Franken liegen», sagt Fabian Schär (34), Professor für Fintech und Blockchain an der Uni Basel. «Der aktuelle Marktpreis entsteht durch die Preiserwartungen aller Markteilnehmer und ist somit die glaubwürdigste Prognose.»
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Ein Grund der Bernstein-Prognose ist das sogenannte Halving. Alle vier Jahre wird die Belohnung für Bitcoin-Schürfer halbiert. Denn die Kryptowährung hat eine Obergrenze von 21 Millionen Bitcoins. Daher wird die Geschwindigkeit, mit der neue Bitcoins entstehen, fortlaufend langsamer – und das Angebot knapper. Das nächste Halving könnte bereits im März 2024 eintreffen.
Experten sehen einen Wendepunkt
Zum Halving kommt die absehbare Bewilligung von sogenannten Spot-ETFs (Exchange Traded Funds) für Bitcoin durch die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC. Solche Krypto-Fonds können an der Börse ähnlich gekauft und verkauft werden wie Aktien. Sie sind direkt an den Währungskurs geknüpft und ermöglichen es Anlegern, in Bitcoins zu investieren, ohne sie selbst besitzen zu müssen.
Eine erste Zulassung könnte bereits in den nächsten Monaten stattfinden. Viele Krypto-Investoren erwarten, dass das Halving eintrifft, wenn die Nachfrage aufgrund der neuen Bitcoin-ETFs zunimmt. Sie erhoffen sich so einen massiven Kursanstieg.
Sind die ETFs also ein Wendepunkt? Krypto-Experte Rino Borini (50) ist überzeugt: «Die Kryptowährungen sind etabliert.» Dass ausgerechnet Blackrock einen ETF-Antrag gestellt hat, zeige den Sinneswandel in der US-Finanzbranche. Der weltweit grösste Vermögensverwalter tat sich lange schwer mit Bitcoin. Schwenkt auch die SEC nun ein, sei dies ein starkes Zeichen.
Lohnt es sich jetzt, einzusteigen?
Die Entwicklungen in den USA mache Bitcoin auch in der Schweiz vertrauenswürdig, ist Borini überzeugt. Im Oktober startete mit der Zuger Kantonalbank die erste Staatsbank mit einem Angebot für Private. Die St. Galler und Luzerner Kantonalbank sowie die Postfinance ziehen nach. «Sie haben das Bedürfnis der Schweizer Kundinnen und Kunden endlich verstanden», sagt Borini.
Der ideale Zeitpunkt, um in Bitcoin zu investieren? «Das weiss man nie», sagt Borini. Der Kurs könne schnell wieder in eine andere Richtung gehen. Statt auf den richtigen Moment zu warten, empfiehlt Borini einen Krypto-Sparplan. «Beispielweise mit einer Anlage von 100 Franken pro Monat.» So ergebe sich nach einer Zeit ein Durchschnittskosteneffekt, der die Kursschwankungen ausmerzt.
Auch Schär warnt vor voreiligen Entscheidungen. Das Risiko bleibt hoch. «Investitionen sollten nur dann getätigt werden, wenn ein Totalverlust gut verkraftbar ist.»
Der Einstieg der Staatsbanken macht die Anlage immerhin deutlich einfacher. Denn bei ihnen läuft der Handel über das E-Banking.
Auch abseits der Banken ist die Schweiz im Krypto-Fieber
Auch abseits der Kantonalbanken zeigen sich die Schweizer Unternehmen offen für Krypto. So kündigte etwa der Snackautomatenhersteller Selecta diese Woche an, bald ihre Snackautomaten mit einer Bezahlmethode für Kryptowährungen aufzurüsten. Dazu kommen zahlreiche Hotels, Restaurants und Geschäfte in der Schweiz, die bereits Kryptowährungen akzeptieren.
Die Stadt Zug, die als Krypto-Hauptstadt der Schweiz gilt, hat Bitcoin auch erfolgreich in der Verwaltung etabliert: Seit 2021 können Zugerinnen und Zuger ihre Steuern und Verwaltungsgebühren mit Kryptowährungen bezahlen. 2022 waren es bereits zwei Millionen Franken, die die Stadt so einnahm. In diesem Jahr soll sich die Summe gar mindestens verdoppeln.