Drohen der Credit Suisse oder gar dem Bund Klagen im Nachgang zur Notübernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS? Das wäre durchaus denkbar. Schliesslich gibt es eine ganze Reihe von Verlierern: Aktionäre, Obligationenhalter und nicht zuletzt die Mitarbeitenden.
Monika Roth (71), Spezialistin für Compliance und Finanzmarktrecht, sieht allerdings wenige Chancen für erfolgreiche Klagen: «Ich verstehe, dass nach diesem Debakel jetzt der Wunsch vorhanden ist, dass jemand haften soll. Das Schweizer Rechtssystem bietet aber für einzelne Akteure eine grosse Teflonschicht.»
Im Gegensatz etwa zu den USA, wo bereits eine Klage gegen die CS im Gang ist, kennt die Schweiz kein Recht auf Sammelklagen. Wer klagen will, muss das allein tun – auch wenn Tausende betroffen sind. «Das ist in den allermeisten Fällen viel zu komplex und zu teuer», so Roth. Angesichts des grossen Kosten- und Prozessrisikos rechnet sie deshalb höchstens vereinzelt mit Klagen. Und selbst diese haben wohl nur bedingt Aussicht auf Erfolg. In der Schweiz gibt es auch keine Anlegerschützer wie etwa in Deutschland, wo die «Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz» (DSW) oder die «Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger» (SdK) jeweils lautstark Rechte der Kleinaktionäre einfordern.
Welche Klagen wären überhaupt denkbar?
Am meisten juristischer Druck könnte man Roth zufolge bei langjährigen CS-Verwaltungsräten aufbauen. Also etwa Urs Rohner (63), welcher 12 Jahre im Verwaltungsrat der CS sass, davon zehn als deren Präsident. Gegen ihn und weitere wäre eine Verantwortlichkeitsklage denkbar. «Der aktuelle CEO und VRP waren wohl zu wenig lang im Amt», nimmt Roth die Noch-CS-Führung um Präsident Axel Lehmann (64) und CEO Ulrich Körner (60) – zumindest juristisch – in Schutz. «Rechtlich sehe ich aber keine begründbaren Vorwürfe». Im Übrigen wäre die AG durch eine Verletzung der Treuepflicht geschädigt und nicht der einzelne Aktionär. Das wiederum würde es laut Roth schwierig machen, Schadenersatz zu verlangen.
Auch Grossaktionäre dürften mit einer Verantwortlichkeitsklage kaum Erfolg haben. «Sie haben immer wieder für die Verwaltungsräte gestimmt und die Vergütungen gutgeheissen», so Roth.
Die Juristin erinnert daran, dass bereits 2008, als die UBS im Soge der Finanzkrise in Schwierigkeiten steckte, gegen den früheren VR der UBS juristisch vorgegangen werden sollte. Schadenersatzklagen wegen Pflichtverletzung waren im Raum und weitherum gefordert. Passiert ist jedoch nichts. Das war übrigens auch beim Untergang der Swissair 2001 der Fall. Kein VR-Mitglied wurde je juristisch belangt.
Eine Klage gegen die Revisoren – zuletzt war dies bei der CS die PWC, davor jahrelang die KPMG – scheint aussichtslos. Es müssten im Nachhinein klare Vergehen aufgedeckt werden, die in direktem Zusammenhang mit dem erlittenen Schaden eines Klägers stehen.
Der Staat hat wenig zu befürchten
Wie sieht es mit einer Staatshaftungsklage aus? Roth meint, dass ein Versagen der Finanzmarktaufsicht (Finma) zwar im Raum steht, jedoch «nicht justiziabel» sein dürfte.
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Bislang ist auch noch nichts bekannt von einer Klage, welche die grössten Leidtragenden des CS-Debakels allenfalls vorbereiten könnten. Die Saudi National Bank ist grösste Aktionärin der CS. Sie bezahlte einen Aktienpreis von 3.82 Franken. Heute beträgt der Gegenwert für eine CS-Aktie noch 76 Rappen gemäss UBS-Kaufangebot.
Zwar äussert sich die Saudi National Bank nicht zu einer Anfrage von Blick hinsichtlich Klageplänen, lässt jedoch in einem Statement verlauten: «Per Dezember 2022 machte die Beteiligung der Saudi National Bank an der Credit Suisse weniger als 0,5 Prozent der Gesamtaktiva und rund 1,7 Prozent des Beteiligungsportfolios aus.» Die Fusion von CS und UBS habe «keine Auswirkungen auf die Rentabilität». Das klingt nicht nach baldiger Klage. Die Saudis wären sogar bereit gewesen, anstelle der UBS die CS mit fünf Milliarden Franken zu stützen, wie das Wall Street Journal schreibt.
Die nächstgrössten CS-Aktionäre Qatar Holding LLC, die saudische Olayan Group und der Investmentgigant Blackrock müssen ebenfalls einen grösseren Abschreiber verkraften. Blackrock-Sprecher Tristan Hahn sagt gegenüber Blick zu einer möglichen Klage nur: «Kein Kommentar».
«Juristische Möglichkeiten, um die Verantwortlichkeiten für dieses Debakel zu klären», prüft aktuell innerhalb der Schweiz – zumindest öffentlich bekannt – nur die Stiftung Ethos, welche 220 Pensionskassen und Institutionen umfasst.