Neulich wollte ein Schweizer Unternehmen einen IT-Netzwerk-Manager verpflichten. Gefordert war ein Hochschul-Abschluss, die gebotene Lohnbandbreite lag zwischen 60'000 und 85'000 Franken. Die Firma biss auf Granit.
«Keine Chance», urteilt Jean-Philippe Spinas (54), Direktor bei Kienbaum Executive Search in Zürich. Die tiefsten Löhne für dieses Profil liegen bei 85'000 Franken, sagt der Experte. Für ihn ist klar: Die Firma muss beim gebotenen Lohn nachbessern. Oder wird die Stelle nicht besetzen können.
Lohn-Goldgrube IT
In der IT-Branche gehen die Löhne gerade durch die Decke. IT ist «Business-kritisch», keine einzige Branche kann mehr auf funktionierende IT-Systeme verzichten. Die IT-Ausbildung ist zwar lang, die Materie trocken. Dafür winken nach dem Abschluss fantastische Löhne.
Spinas kontaktierte jüngst einen heute 56-Jährigen, der mit 52 seine Stelle verlor und danach an der ETH eine Master-Ausbildung in «Data Science» absolvierte. Lohn heute: 250'000 Franken. Er sagt Spinas ab, weil er fast wöchentlich noch bessere Angebote von Headhuntern erhält.
Oder es gibt den Fall eines jungen Projektmanagers, der dem Arbeitgeber seinen mittleren sechsstelligen Lohn diktierte. Im Wissen, dass sein Know-how unverzichtbar ist oder nur teurer bei externen Personen eingeholt werden kann. «Im vorliegenden Fall sprengten die Forderungen des Angestellten die üblicherweise für sein Alter festgelegten Lohnbandbreiten», sagt Spinas.
Die Firma ging darauf ein und revidierte ihr Angebot, um den benötigten Spezialisten verpflichten zu können. «So etwas machen zwar nicht alle Unternehmen mit, aber veraltete Lohnstrukturen brechen immer öfter auf, weil sie nicht mehr marktfähig sind», so Spinas.
160'000 Franken pro Jahr
Das führt zu seltsamen Situationen. «Angestellte verdienen teils schon mehr als ihre Chefs», sagt Spinas. Dafür hat er ein Beispiel. Nicht aus der IT, sondern aus einer anderen «heissen Branche», dem Recruiting. Viele Firmen setzen heute auf hauseigene «Personalbeschaffer». Das dafür erforderliche Know-how wird mit Top-Löhnen vergoldet.
So kennt Spinas eine Frau, die zuvor in derselben Funktion bei einem amerikanischen Tech-Unternehmen arbeitete und jetzt bei einer grossen Schweizer Firma als «Talent Aquisition Manager» angeheuert hat. Lohn am neuen Ort: 160'000 Franken pro Jahr. Das ist mehr als ihre eigene Vorgesetzte, die Head of Human Resources ist, verdient. Der CEO nehme den daraus entstehenden internen Erklärungsbedarf auf sich.
Gute Löhne in vermeintlich unattraktiven Jobs
Hohe Spezialisierung bringt hohe Löhne mit sich. Spinas weiss von einem Call-Center-Angestellten in einem britischen Reiseunternehmen, der mehr als der CEO verdiente. Dies dank unbegrenztem Bonus auf getätigte Verkäufe. Der Mitarbeiter war so gut, dass er von diesem System profitieren konnte – zur Freude der Firma.
Laut Spinas werden viele Firmen bei den Löhnen ansetzen müssen, um den Fachkräftemangel bekämpfen zu können. Allerdings gilt dies nur für «unverzichtbare» Stellen. «In der Schweiz werden manchmal 6000 bis 8000 Franken Lohn für Empfangs-Jobs erwartet, ohne grossen Mehrwert zu bieten – das gibt es bald nicht mehr», glaubt Spinas.
Mit Ausnahmen: Noch immer bezahlen Finanzinstitute, Versicherer, Anwaltskanzleien oder Beratungsfirmen überdurchschnittlich hohe Löhne – auch auf Einsteiger-Ebene. Da gibt es dann oftmals wenig erfüllende Arbeiten auszurichten. Vor allem aber verzerrt dies den Markt. Margenschwache Unternehmen können nicht mithalten und potenzielle Mitarbeitende werden dem Markt entzogen.
«Das Erfüllende am Job ist dem Lohn nachgelagert», kommentiert Spinas trocken die Feststellung, dass Junge heute vor allem Ideale im Berufsleben verfolgen. Er stellt aber fest, dass die Bereitschaft tief ist, vermeintlich «unattraktive» Stellen anzunehmen.
Solche, die viel zeitliche und räumliche Flexibilität benötigen, einen hohen Umsatzdruck mit sich bringen oder in denen man sich die Hände schmutzig macht. Wer solche Stellen anbietet und keinen guten Lohn bieten kann, wird sein Personalproblem nicht lösen können.
«Es braucht in vielen Bereichen eine klare Aufwertung der Stellen, insbesondere auf Ebene des Lohnes», schliesst Spinas.