Harter Franken, Löhne, Konjunkturflaute – die Stimmung Schweizer KMUs scheint zu kippen
«Rechnung geht am Ende des Tages nicht mehr auf»

Die Schweizer Mittelstandsfirmen spüren die konjunkturelle Flaute: Der harte Franken, Lohnforderungen und der hohe Strompreis setzen ihnen zu. Blick hat mit mehreren Geschäftsführern gesprochen.
Publiziert: 13.09.2023 um 17:18 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2023 um 18:04 Uhr
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Ein Viertel der Firmen sehe sich schlecht auf die Krisen der Zukunft vorbereitet, sagt Claudia Moerker von Swiss Export.
Foto: Blick
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Der Wirtschaftsmotor stottert: «Die Stimmung bei den Schweizer KMU scheint zu kippen», sagt Claudia Moerker (60), Geschäftsführerin von Swiss Export. Der Verband war an einer Raffeisen-Studie beteiligt, bei der 382 mittelständische Unternehmen im Land zu ihrer Situation befragt worden sind. Fast ein Viertel der Firmen sieht sich schlecht auf die Krisen der Zukunft vorbereitet.

Die Grundstimmung ist zwar noch positiv, aber die Anzeichen für eine Verschlechterung mehren sich. So gehen heute fast dreimal so viele Unternehmen von einer negativen Entwicklung aus wie noch vor zwei Jahren.

Eine Blick-Umfrage bei verschiedenen Schweizer Betrieben bestätigt das Bild. «Unsere Auftragslage stagniert», sagt etwa Yannick Berner (30), Mitglied der Geschäftsleitung bei der Urma AG mit Sitz in Rupperswil AG.

Lohnforderungen als Gefahr

Die Firma mit 150 Angestellten produziert Präzisionswerkzeuge für die Aviatik und die Automobilbranche. 94 Prozent der Produkte gehen ins Ausland. Die Automobilhersteller in Süddeutschland und in China sind wichtige Kunden. Und dort stockt das Geschäft. «Das spüren wir natürlich. Hinzu kommt der starke Franken, vor allem in China verlieren wir dadurch merklich an Marge», sagt Berner. Seit Anfang Jahr hat der Franken gegenüber dem chinesischen Renminbi um 8,6 Prozent zugelegt.

Beim Einkauf profitiert die Urma AG kaum von der Frankenstärke: Die Firma stellt 90 Prozent ihrer Produkte selber her. Das führt dazu, dass die Gehälter mit Abstand der grösste Kostenblock sind. Berner bereiten deshalb die aktuellen Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften Sorgen. «Sie verlangen eine Erhöhung um fünf Prozent. Damit wir wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir jedoch die Kosten tief halten. Wenn dann zu hohe Lohnforderungen kommen, geht die Rechnung am Ende des Tages nicht mehr auf.»

Firmen leiden im Export

Den starken Franken kriegt auch die René Gerber AG zu spüren. Die Firma mit Sitz in Lyss BE produziert Maschinen zur präzisen Verarbeitung von Kleinstteilen, wie sie beispielsweise in der Uhrenbranche zum Einsatz kommen. «Mit dem starken Franken haben wir im Ausland deutlich an Boden eingebüsst. Früher lieferten wir 80 Prozent unserer Maschinen ins Ausland. Heute sind es nur noch etwa die Hälfte», sagt Geschäftsführer Marc Schori (51).

Dank des starken Heimmarkts befindet sich die René Geber AG dennoch auf Wachstumskurs. «Die boomende Schweizer Luxusuhrenbranche ersetzt derzeit viele Produktionsanlagen, und das bringt uns viele Aufträge ein», so Schori. Deshalb gehe der Ausbau der Firma kontinuierlich weiter.

Eine weitere Herausforderung: Der Maschinenbauer muss im Einkauf mehr vorausplanen. «Die Verfügbarkeit einzelner Komponenten ist immer noch gestört. Zudem haben sich die Preise auf einem höheren Niveau etabliert», sagt Schori. Ein Teil der Kosten kann an die Kunden weitergegeben werden.

Schweizer Industrie am Wendepunkt

Die Schweizer Industrie steht im Vergleich zu vielen westlichen Ländern nach wie vor stark da: Sie steht für 18 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Das könnte sich aber schon bald ändern, ist Roger Reist (47), Leiter Treasury & Markets und Firmenkunden sowie Geschäftsleitungsmitglied von Raiffeisen Schweiz überzeugt. «Der starke Franken und die schwache Konjunktur in wichtigen Abnehmerländern wie Deutschland setzen der Industrie zu. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Industrie an Gewicht verliert», sagt er.

Reist rechnet damit, dass eine Erholung der deutschen Wirtschaft länger dauert. Das hinterlässt Spuren: Der nördliche Nachbar ist für 17 Prozent der Schweizer Exporte verantwortlich. Besonders die Automobilzulieferer sind stark von den Autofabriken in Süddeutschland abhängig. Straucheln diese, wie es derzeit der Fall ist, kann dieses Volumen auf die Schnelle unmöglich ersetzt werden.

Ein Blick auf die Exportstatistik betätigt: Der Verkauf von Metallen und Metallwaren nach Deutschland sank in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent.

Die Schweizer Industrie steht im Vergleich zu vielen westlichen Ländern nach wie vor stark da: Sie steht für 18 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Das könnte sich aber schon bald ändern, ist Roger Reist (47), Leiter Treasury & Markets und Firmenkunden sowie Geschäftsleitungsmitglied von Raiffeisen Schweiz überzeugt. «Der starke Franken und die schwache Konjunktur in wichtigen Abnehmerländern wie Deutschland setzen der Industrie zu. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Industrie an Gewicht verliert», sagt er.

Reist rechnet damit, dass eine Erholung der deutschen Wirtschaft länger dauert. Das hinterlässt Spuren: Der nördliche Nachbar ist für 17 Prozent der Schweizer Exporte verantwortlich. Besonders die Automobilzulieferer sind stark von den Autofabriken in Süddeutschland abhängig. Straucheln diese, wie es derzeit der Fall ist, kann dieses Volumen auf die Schnelle unmöglich ersetzt werden.

Ein Blick auf die Exportstatistik betätigt: Der Verkauf von Metallen und Metallwaren nach Deutschland sank in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent.

Wenn der Strom plötzlich das Dreifach kostet

Bei der Schilliger Holz AG mit Sitz in Haltikon SZ ist nach wie vor der hohe Strompreis ein Thema. Das Schneiden von hartem Holz und dicken Baumstämmen benötigt jede Menge Power. Bei der grössten Sägerei der Schweiz sind die Stromkosten so hoch wie rund 3 Prozent des Umsatzes. «Die finanzielle Belastung hat stark zugenommen. Wir mussten in diesem Jahr dreimal so viel für den Strom ausgeben wie noch vor zwei Jahren», sagt Geschäftsführer Ernest Schilliger (57). Schilliger Holz beschäftigt an zwei Schweizer Standorten und einem in Frankreich über 300 Angestellte.

Weitergeben konnte das Unternehmen die höheren Kosten nicht – im Gegenteil. Die Baukonjunktur schwächelt, die Zahl der Aufträge geht zurück. «Dadurch sind die Preise in diesem Jahr deutlich gesunken, und das geht natürlich auf die Marge», so Schilliger.

Da bleiben nur Massnahmen zur Kostensenkung und eine härtere Selektion der Aufträge. «Wir machen nur, was wirklich auch kostendeckend ist», sagt er. Schilliger geht davon aus, dass dem Geschäft ein harziger Winter bevorsteht, es danach aber wieder aufwärts geht. «Wir sind sehr zuversichtlich, was die Zukunft anbelangt, und halten an unseren Investitionsprojekten fest.»

Wetter vermiest das Geschäft

Bei der Ernst Meier AG in Dürnten ZH schlägt in diesem Jahr vielmehr das Wetter als die Konjunktur auf die Geschäftszahlen. Das Gartencenter mit 180 Angestellten kultiviert und verkauft Pflanzen und Naturprodukte. «In den letzten fünf Wochen haben wir gegenüber dem Vorjahr 15 Prozent unseres Umsatzes verloren», sagt Geschäftsführerin Bettina Walser (45). Die enormen Hitzeperioden in diesem Jahr und die starken Regenfälle verderben den Kunden die Lust auf und an der Gartenarbeit. «Das hat sich bereits im Frühling teilweise bemerkbar gemacht», so Walser.

Die Geschäftsführerin ist auch an der Personalfront gefordert. «Der Fachkräftemangel tatsächlich spürbar. Wir müssen Lösungen finden, damit der Beruf wieder als attraktiver wahrgenommen wird.» Walser bleibt dennoch optimistisch. Das Gartencenter will weiteres Personal einstellen und künftig in erneuerbare Energien investieren.

Das deckt sich auch mit der Raiffeisen-Studie. Nachhaltigkeit wird immer öfter als Erfolgschance wahrgenommen – die Mehrheit der Firmen bleibt positiv eingestellt.

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