Tidjane Thiams (60) Abgang als CS-CEO war unrühmlich – er musste 2020 in Folge der Beschattungsaffäre den Hut nehmen. Zwar ist seit Thiams Abgang die Bank noch ein paar Etagen tiefer gefallen, dies aber auch, weil es der Ivorer in fünf Jahren nicht geschafft hat, das Risikodenken in der Bank umzupolen.
Der Börsenkurs befindet sich im Sturzflug, eine CS-Aktie ist nicht einmal mehr 3 Franken wert, die CS-Chefs mussten die Scheichs zur Hilfe an Bord holen und 4 Milliarden Franken frisches Kapital aufnehmen, um die zweitgrösste Schweizer Bank wieder aus dem Schlamassel zu holen.
Ganz so unschuldig an den Debakeln der Vergangenheit ist Ex-CS-Boss Thiam nicht, wie er es gerne darstellen möchte. An einer von der «Financial Times» organisierten Banken-Konferenz äusserte sich Thiam am Dienstag nun erstmals ausführlich zu den jüngsten Turbulenzen bei seinem Ex-Arbeitgeber. «Ich war extrem tough und ich bin ziemlich stolz, dass nichts davon unter meiner Aufsicht passiert ist», sagte Thiam laut der renommierten Finanzzeitung.
Risikokultur hängt schon lange schief
Ein Jahr nach seinem Abgang verlochte die CS mit den Debakeln um Archegos und Greensill Milliarden. Beobachter sind sich einig: Der Bank fehlte die Risikokultur, daher schlitterte sie mal ums mal in solch teuren Skandale. Thiam scheint sich dafür allerdings nicht in der Verantwortung zu sehen.
Falsch, sagt der Bankenkenner Adriano Lucatelli (56): «Der oberste Chef trägt immer die Verantwortung.» Besonders dann, wenn es sich wie im Falle von Lex Greensill um Geschäfte in Asien geht. Thiam war 2015 unter anderem zur CS geholt worden, weil er als ausgewiesener Asienkenner galt. Und auch die Archegos-Pleite hatte sich schon länger angebahnt.
Thiam sieht das natürlich anders: Er habe schon 2016 einen «kulturellen Wandel» bei der Bank eingefordert. Seine fünf Jahre an der Bankspitze hätten aber schlicht nicht gereicht, die Probleme zu lösen: «Kulturelle Veränderungen erfolgen nicht über Nacht. Dazu braucht es mehr als fünf Jahre.» Es werde auch weiterhin grosse Anstrengungen brauchen, um den Wandel bei der Bank voranzutreiben, weiss Thiam.
Auch hier widerspricht Lucatelli: «Wenn Thiam es in fünf Jahren nicht geschafft hat, die Risikokultur zu ändern, dann hat er seinen Job nicht gut gemacht.» Es brauche im Schnitt ein Jahr pro Führungsstufe, um einen grundlegenden Wandel durchzusetzen. Das heisst: Wenn es Thiam wirklich ernst gewesen wäre, dann hätte er bis weit nach unten das Risikoverhalten beeinflussen können. «Dafür war Thiam wohl zu präsidial, zu weit weg von der Basis», folgert Lucatelli.
Auch zum Aktienkurs der angeschlagenen Grossbank äusserte sich Thiam: Die Schieflage der CS mache ihn traurig und er empfinde «keine Schadenfreude».
Breitseite gegen Schweizer Medien
Daneben sprach der Ex-Chef über Rassismus. Er war der erste dunkelhäutige CEO einer europäischen Grossbank – und bekam dies laut eigenen Angaben während seiner Amtszeit zu spüren. Nach Schlagzeilen um Rassismus innerhalb der CS musste sich die Bank 2020 gar bei Thiam entschuldigen. Thiam verteilt in diesem Zusammenhang nun auch eine Breitseite gegen die Schweizer Medien: «Einige Teile der deutschsprachigen Presse in Zürich haben eine sehr toxische und effektive Kampagne gegen mich geführt.»
Neben Thiam spricht an der FT-Banken-Konferenz am Donnerstag auch der aktuelle CS-Präsident Axel Lehmann (63). Ob auch er sich zu den aktuellen Turbulenzen der Bank äussert, wird mit Spannung erwartet.