BLICK-Reporter Sven Zaugg wagt den Selbstversuch – Tag 4
Mit Bitcoin ist im Darknet (fast) alles zu haben

Tag 4: BLICK-Reporter Sven Zaugg trifft einen Kokser, der im Darknet Drogen kauft. Bezahlt wird mit der Kryptowährung Bitcoin. Sie ist die Währung in einem anonymen Netz, in dem fast alles zu haben ist.
Publiziert: 21.12.2017 um 15:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:17 Uhr
Darknet: Ich will wissen, wie die Drugmarkets funktionieren und vor allem: Wie man an Drogen kommt.
Foto: Florian Gaertner/photothek.net
Sven Zaugg

Eigentlich hat sie einen schlechten Ruf, die Kryptowährung Bitcoin. Seit es diese Form des anonymisierten Bezahlens gibt, die fast keine Spuren hinterlässt, blühen im Darknet sogenannte Drugmarkets. Es sind Marktplätze wie Amazon – mit dem Unterschied, dass sich dort nicht Otto Normalverbraucher auf der Suche nach Smartphones und Küchengeräten aufhält, sondern Kriminelle, die Drogen handeln, Waffen anbieten oder Auftragskiller suchen.

BLICK-Wirtschaftsredaktor Sven Zaugg

Ich will wissen, wie diese Drugmarkets funktionieren und vor allem: Wie man an Drogen kommt. Ich erhalte einen Tipp. Kurze Zeit später werde ich in einen geschlossenen Chat, der von Darknet-Usern besucht wird, eingeladen und lerne Martin C.* kennen.

Er besorgt sich seine Drogen auf bekannten Drugmarkets im Darknet. Wir treffen uns. «Es ist ein Kinderspiel, ich zeigs dir», sagt der 26-jährige Schlacks. Er sitzt am Rechner, öffnet mit einem speziellen Browser seinen Lieblings-Drug-Market und sagt: «Meine Freunde haben ihre Wünsche bereits platziert. 10 Gramm Kokain, drei Gramm Opium, Valium, MDMA und etwas Sugar.»

97 Prozent Kundenzufriedenheit

Die Seite auf dem Darknet, auf der sich C. durch das Angebot an Drogen und Waffen klickt, ähnelt jener des Online-Multis Amazon. Sogar ein Bewertungssystem existiert. Die Kunden geben an, ob die Qualität und Quantität zufriedenstellend war und die Lieferzeiten eingehalten wurden.

Anhand der Bewertung und Kommentare wird der Dealer eingestuft. Dabei spricht die Community von einem sogenannten Trust-Level – also Vertrauens-Level. «Mein Verkäufer hat in den letzten sechs Monaten über 1000 Lieferungen getätigt, bei einer Kundenzufriedenheit von 97 Prozent. Nicht schlecht, oder?», grinst Martin.

Neue Verkäufer hingegen müssen sich zuerst behaupten, sich das Vertrauen der Community verdienen. «Man bescheisst nur ein Mal, dann ist man raus.» Im Gegenzug bewertet der Dealer den Käufer.

Alle Drogen an Lager

Martins Bewertungen sind top. Die Drogen zahlt er erst, wenn alles sicher im Briefkasten gelandet ist. Er kann das, denn sein Dealer vertraut ihm. Beglichen wird die Rechnung in Bitcoin. Darknet-Neulinge müssen Vorkasse leisten.

Das heisst: Die Bitcoins werden auf der Drugmarket-Seite parkiert. Sobald der Erhalt der Ware bestätigt wird, wird auch die Zahlung ausgelöst. Gleichzeitig streicht der Betreiber der Drugmarket-Seite seinen Anteil ein. Die Gebühren variieren, sind aber im Vergleich zum Haarschnitt, den ich diese Woche in Bitcoin bezahlt habe, tief. Dort habe ich satte 27 Prozent bezahlt.

Martin hat Glück. Alle Drogen sind an Lager, die Lieferfrist beträgt drei Tage – und das Beste: der Verkäufer sitzt in der Schweiz. «Kein Zoll, keine Bullen, die rumschnüffeln», freut sich Martin. «Die Typen verschicken das Zeugs eh immer so gut verpackt und getarnt.» Es sei schon fast beängstigend, wie gut diese Deals liefen.

Menge und Qualität stimmen

Drei Tage später: Martin sitzt am Tisch, vor ihm liegt ein unverdächtiges Päckli. Die Lieferung ist angekommen. Martin kontrolliert. «Alles bestens», freut er sich. Er probiert das Kokain und ist begeistert. «Menge und Qualität sind besser als von den Dealern, die ich von früher kenne.»

Er spricht von einem hohen Reinheitsgehalt, von gutem Stoff und gerät darob ins Schwärmen, wie einfach alles sei. «Ich bestelle den Koks wie eine Blu-ray auf Amazon. Und alles funktioniert.» Martin legt sich noch eine Line und sagt: «Bitcoins und Darknet sind der perfekte Match.» Und zieht.

Cyberpolizei greift zu

Friede, Freude, Eierkuchen bei Konsumenten und Dealern? Mitnichten: So einfach es ist, im Darknet mit Drogen zu handeln, es verstösst gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Das erfuhr auch ein 28-jähriger Schweizer. Er betrieb einen florierenden Handel mit verschiedenen Drogen, wie die Kantonspolizei Aargau vergangenen August publik machte. Der Schweizer verhökerte seine Ware nicht auf der Gasse, sondern über einen Online-Shop im Darknet. Dann flog er auf.

Die IT-Ermittler der Kantonspolizei drangen in das verborgene Netzwerk ein und entschlüsselten entscheidende Daten: So kamen die Strafverfolgungsbehörden zu wertvollen Erkenntnissen über die verbotenen Machenschaften des 28-Jährigen. Ihm wurde nachgewiesen, dass er in grossen Mengen mit Amphetamin, Marihuana, Ecstasy, Kokain und LSD handelte.

* Name  und Alter der Redaktion bekannt

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